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Kunst und Hitze
Museen brauchen konstante Temperatur und Feuchte

20 Grad Celsius und 50 Prozent relative Feuchte - so beschreibt Restauratorin Iris Schaefer die Optimalbedingungen für den Erhalt von Kunst. Doch nicht alle Werke seien gleich empfindlich, sagte sie im Dlf. So spiele etwa der Bildträger eine entscheidende Rolle.

Iris Schaefer im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 27.06.2019
Das Foto zeigt ein Exemplar der Bronzeskulptur "Profil der Zeit" von Salvador Dalí. Eine schmelzend dargestellte Uhr scheint dabei von den Ästen eines Baumes zu laufen.
Die Bronzeskulptur "Profil der Zeit" (Profile of Time) des spanischen Surrealisten Salvador Dalí schmilzt nicht wegen der Hitze - aber Kunst im Museum braucht konstante Temperaturen (Toby Melville / dpa / picture-alliance)
Maja Ellmenreich: Alle reden übers Wetter – auch wir wollen das tun. Und der Frage nachgehen, wieviel Hitze eigentlich die Kultur verträgt. Der Mensch in unseren Breitengraden gerät ja dieser Tage an seine Wohlfühlgrenze, wässert den eigenen Organismus so gut es geht, verhält sich möglichst ruhig und bevorzugt kühle, geschlossene Räume. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen Kulturtermin: einen Besuch im klimatisierten Kino, Konzertsaal oder im Museum.
Schauen wir uns Letzteres mal genauer an – und zwar im Gespräch mit Iris Schaefer. Sie ist Diplom-Restauratorin und sie leitet im Wallraf-Richartz-Museum in Köln die Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung. Mit ihr habe ich vor der Sendung gesprochen.
Bleiben wir erstmal bei uns Menschen, bevor wir uns der Kunst widmen. Wissen Sie, ob mehr Besucher zu Ihnen dieser Tage in die klimatisierten Räume des Museums kommen?
Iris Schaefer: Ich könnte das nicht global sagen, aber für unser Museum – oder auch wie gestern, da war ich in Düsseldorf im Kunstpalast – hab ich nicht den Eindruck, dass mehr Menschen, sondern eher weniger ins Museum kommen, was schon erstaunt, denn wir haben ideale Voraussetzungen für einen kühlen und gleichzeitig interessanten Aufenthalt.
Museum bietet konstante 20 Grad Celsius
Ellmenreich: Ideale Voraussetzungen, sagen Sie – vor 18 Jahren ist das Haus, in dem Sie arbeiten, nämlich das Wallraf-Richartz-Museum eröffnet worden, also noch ein vergleichsweise neuer Museumsbau, wenn man das so möchte. Ist die Infrastruktur auch auf diese Hitze, wie wir sie in diesen Tagen erleben, ausgerichtet? Sprich: Klimaanlage, Isolierung?
Schaefer: Ja, durchaus. Also, unser Museum verkraftet das sehr gut. Wir haben eine sogenannte raumlufttechnische Anlage, also eine Vollklimatisierung, die ausgelegt ist, die Kunst und natürlich auch den Besucher konstant etwa 20 Grad Celsius zu bieten und als relative Feuchte 50 Prozent. Also eine konstante Temperatur und Feuchte, die nicht so sehr für den Besucher, er empfindet das als angenehm, sondern eher zur Erhaltung der Kunst weltweit gilt.
Ellmenreich: Was heißt denn: zur Erhaltung? Was würde denn passieren, wenn man nicht diese Konstanten einhalten würde?
Schaefer: Es ist vor allem eben nicht die Temperatur, wie viele denken, die den Kunstwerken, wenn sie höher liegt, schaden könnte, sondern es ist diese relative Feuchtigkeit. Wir Menschen können das nachvollziehen, wenn wir etwa im Winter raue Lippen, raue Hände bekommen, da merken wir, dass die Luft trockener wird. Und diese Schwankungen veranlassen Gemälde, aber auch Grafiken zu schrumpfen und sich zu dehnen. Und die schaden der Malschicht, die ja auf diesen Bildträgern ruht.
Grafiken sind besonders empfindlich
Ellmenreich: Das heißt, die Farbe würde blättern, würde auseinander brechen?
Schaefer: Exakt, es gibt in den schlimmsten Fällen die Tendenz, dass die Malschicht sich vom Bildträger löst.
Ellmenreich: Sie haben gerade diese beiden Werte genannt – brauchen alle Kunstwerke, weil Sie auch weltweit sagten, diese gleichen, besonderen klimatischen Behandlungen oder gibt es da so was wie Privatpatienten bei Ihnen in der Sammlung?
Schaefer: Nein, Privatpatienten gibt es nicht, aber ich muss das natürlich einschränken. Es sind jetzt genannt worden: Gemälde, also die traditionell auf Leinwänden oder auf Holztafeln entstanden. Oder eben Grafiken, die auf Papier eben als Hauptbildträger bestehen, die sind hygroskopisch, das heißt: die sind feuchtigkeitsempfindlich. Wenn Sie aber eine Metallskulptur beispielweise betrachten, die wir ja in vielen Außenräumen haben: Die ist relativ unempfindlich gegenüber Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Also da gibt es durchaus Unterschiede in den einzelnen Gattungen. Aber wir im Wallraf-Richartz-Museum, wir haben keine Sonderpatienten, sondern es ist für alle Gemälde, Grafiken gesorgt im Sinne von gleicher Temperatur, gleicher Feuchte, weitgehend gleichbleibender Feuchtigkeit. Und das eben nicht nur in der Galerie, die Sie als Besucher besichtigen können, sondern auch in den Depots, dort, wo Kunst aufbewahrt wird.
Ellmenreich: Von den Depots komme ich jetzt auch gleich zum Transport, wenn Sie Werke für Ausstellungen empfangen aus anderen Museen oder auch ausleihen, ist da so ein Sommer und so eine Sommerhitzewelle geradezu gefährdend, gibt es da Zeiten, wo man sagt: Nee, die schicken wir da lieber nicht auf den Weg?
Schaefer: Ja, das ist berechtigt, die Frage. Aber da sind eben Kunsttransporte möglich mit Transportfahrzeugen, die auch klimatisiert sind, nicht im Hinblick auf die Feuchtigkeit, aber im Hinblick auf die Temperatur, sodass wir eben im internationalen Leih-Verkehr sicherstellen können, dass relativ konstante Klimabedingungen auf den Wegen, die die Werke zurücklegen, bestehen.
Historische Restaurierungsversuche sind heute ein Problem
Ellmenreich: Sie haben vorhin nach Gattungen unterschieden und gesagt, dass es die feuchtigkeitsempfindlicheren oder die feuchtigkeitsrobusteren gibt. Wie sieht das denn eigentlich aus, wenn man sich die Kunstgeschichte mal anschaut? Ihr Haus, das Wallraf-Richartz-Museum, das hat ja eine unglaubliche kunsthistorische Bandbreite. Fängt, glaube ich, im Mittelalter an und reicht bis ins 20. Jahrhundert. Gibt es da Kunstepochen, deren Werke klimatischen Schwankungen gegenüber empfindlicher reagieren?
Schaefer: Ja, durchaus. Also der Bildträger Holz – und das sind natürlich unsere Gemälde aus dem Mittelalter, die großen Altäre – ist tendenziell empfindlicher als der Bildträger Leinwand. Also, da achten wir besonders drauf. Und es sind natürlich auch die Veränderungen der Vergangenheit, auch restauratorische Eingriffe, wie die sogenannte Parkettierung, die hölzerne Bildträger zusätzlich empfindlich machen. Also man hat früher gemerkt, dass sich die Bildträger bewegen, dass sie sich dehnen und schwinden, dass sie sich zum Beispiel deformieren und hat sie dann oftmals mit einem Rost hinterlegt, also mit einer stützenden Konstruktion, die aber das Gegenteil bewirkt hat und jetzt heute durchaus Spannungen verursacht und deswegen noch mal mehr auf Klimaschwankungen reagieren. Und diese Tafeln haben wir natürlich besonders im Auge.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.