Welt-Alltag der Epoche

Von Klaus Schöning und Klaus Reichert · 16.06.2012
Der "Ulysses" erschien am 2. Februar 1922 in einem eigens für dieses Buch gegründeten Privatverlag in Paris. Als "Welt-Alltag der Epoche" begrüßte emphatisch der Dichter Hermann Broch das Werk. Die Vorlage für das vielfältig verflochtene Geschehen bildet die "Odyssee" des Homer.
In 18 Kapiteln schildert James Joyce nahezu minutiös und in alltäglichen Verrichtungen und Begebenheiten den Verlauf eines einzigen Tages im Leben des Annoncenmaklers und zeitgenössischen Jedermanns Leopold Bloom bei seinem labyrinthischen Gang durch Dublin am 16. Juni 1904. Der Tag, an dem James Joyce mit seiner Lebensgefährtin Nora Barnacle, die erste Verabredung getroffen hatte. Ein Tag, der als "Bloomsday" in die Geschichte eingegangen ist und in diesem Jahr von unzähligen Joyce Fans in aller Welt aus besonderem Anlass gefeiert wird.

Klaus Schöning und Klaus Reichert, Joyce Übersetzer, Interpret und Herausgeber der deutschen Gesamtausgabe führen durch diese Lange Nacht im Programm von Deutschlandradio Kultur.

Der Deutschlandfunk sendet am Samstag ab 20.05 Uhr drei Folgen des Hörspielmehrteilers "Ulysses", Regie Klaus Buhlert. Die Ausstrahlung der ersten drei Teile dieses opulenten Werks beginnt bereits um 20.05 Uhr zur bekannten Hörspielzeit.

The James Joyce Centre, Dublin, is dedicated to promoting an understanding of the life and works of James Joyce.


James Augustine Aloysius Joyce wurde am 2. Februar 1882 als erstes Kind von John Stanislaus Joyce und Mary Jane Murray im Dubliner Vorort Rathgar geboren. Von seinen 12 Geschwistern starben 2 an Typhus. Sein ursprünglich aus dem in Cork gelegenen Fermoy stammender Vater besaß vormals eine kleine Saline und Kalkbrennerei. Sowohl sein Vater, als auch der Großvater väterlicherseits hatten in eine wohlhabende Familie eingeheiratet. Weiterlesen:
James Joyce im freien Nachschlagewerk Wikipedia

Die Zürcher James Joyce-Stiftung pflegt die Erinnerung an Leben und Werk des irischen Schriftstellers James Joyce im Allgemeinen und im Speziellen seine besondere Beziehung zu Zürich, wo Joyce wichtige Jahre seines Lebens verbracht hat, wo er am 13. Januar 1941 gestorben ist und auch begraben wurde.
Zürcher James Joyce-Stiftung

Bloomsday and James Joyce Hotspots in Dublin

James Joyce bei Suhrkamp

Der Bloomsday ist ein alljährlich am 16. Juni feierlich begangener Gedenktag, der sich auf den Ulysses, das Hauptwerk des irischen Schriftstellers James Joyce, bezieht. Namensgeber ist die Hauptfigur des Romans, Leopold Bloom. Bloomsday

Der Bloomsday in Berlin

The Internet Ulysses by James Joyce

James Joyce: Ulysses
If he had not become a writer, there is a very good chance that James Joyce would still have made a name for himself by pursuing a career as a vocal performer. In 1904 he even shared the stage with the great opera singer and recital artist, John McCormack; and later on in life, after he had established himself as an author, he tirelessly promoted the singing career of his fellow Irishman and tenor, John Sullivan.
Music in the Works of James Joyce

Notes on James Joyce"s Ulysses
It is the epic of two races (Israel-Ireland) and at the same time the cycle of the human body as well as a little story of a day (life)... It is also a kind of encyclopaedia. My intention is not only to render the myth sub specie temporis nostri but also to allow each adventure (that is, every hour, every organ, every art being interconnected and interrelated in the somatic scheme of the whole) to condition and even to create its own technique.
(James Joyce, Letters, 21st September 1920)


Klaus Schöning, der die 30-stündige Marathon-Übertragung des "Ulysses" von RTE Dublin 1982 für den WDR als Redakteur betreute, im Studiogespräch mit Klaus Reichert, exzellenter Joyce-Übersetzer, kenntnisreicher Interpret und Herausgeber der "Frankfurter Ausgabe der Werke von James Joyce", begleiten die Hörer durch diese Lange Nacht. Die dreistündige Sendung ist eine Annäherung an das poetische Universum von James Joyce und seine damit eng verbundene Biographie -nomadisch navigierend, Neugierde weckend, mit Zitaten aus seinen Werken und von seinen Interpreten, originalen Tonaufnahmen und Musiken. Eine Odyssee mit offenem Ausgang.


Klaus Reichert
ist ein deutscher Anglist, Übersetzer und Lyriker.
Reichert studierte Philosophie und Sprachen in Marburg, London, Gießen und Frankfurt am Main. Von 1975 bis 2003 lehrte er als Professor für Anglistik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Seit 2002 ist er Präsident der Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Über keine Figur der Weltliteratur, heißt es, wüssten wir mehr als über Bloom, obschon wir ihn nur einen einzigen Tag lang begleiten. Wir sehen ihn in seinem Haus in der Eccles Street Nr. 7 in Dublin, wie er morgens um acht für sich und seine Frau - die im Bett bleibt - das Frühstück bereitet und wir sehen ihn, wie er sich dann auf den Weg macht zu einer Odyssee durch Dublin, von der er erst nach 17 Stunden wieder heimkehrt - über das Gitter in den Unterhof seines Hauses, weil er den Hausschlüssel vergessen hat. Das, was er unterwegs erlebt, ist eindeutig jedoch nicht sogleich erkennbar, sondern muss von den Lesern "unter Bergen von Sprache" erst entdeckt werden. " Joyce liebte Koinzidenzen. Sie waren für ihn ein jeweils anders gewichtetes Ordnungsgefüge der Alltagswelt, jenseits von Logik, Kausalität und Sinnzusammenhängen. Den ganzen "Ulysses" kann man lesen als ein dicht geknüpftes Netz von Koinzidenzen. Man könnte seinen Roman deshalb auch eine "Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen" nennen. Wir sehen auch keinen Helden und auch keinen Antihelden, sondern einen mehr oder weniger gewöhnlichen Menschen, den Joyce einen Jedermann genannt hat." (Klaus Reichert)

Darüber hinaus wird die Alltäglichkeit der Vorgänge dargestellt von einer nicht übersehbaren Menge von Figuren. Neben Leopold Bloom und Stephen Dedalus - dem Protagonisten des vorangegangenen Romans von Joyce "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann" - ist es vor allem Marion Bloom, Molly, eine nicht mehr ganz junge, nicht allzu erfolgreiche Soubrette, die nur zwei Auftritte im Roman hat, kulminierend jedoch
in ihrem großen 50-seitigen Monolog, mit dem das Buch endet - längst nachdem Bloom an ihrer Seite im Bett eingeschlafen ist.

Durch das Medium des inneren Monologs und wechselnder literarischer Techniken innerhalb eines genau durchkomponierten Werkes, dessen Grundthemen wie in der Musik von Leitmotiven getragen werden, gelingt es James Joyce, Figuren und Geschehnisse sowie das Flair der Stadt Dublin zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Weltalltag der Epoche im Ausschnitt eines einzigen Tages erlebbar werden zu lassen.


Zitate aus der Sendung:

Klaus Schöning:
Bis heute gilt der "Ulysses" als ein überaus schwer zugängliches, vieldeutiges und viel deutbares Buch. Auch nehme ich an, dass manche unserer Zuhörerinnen und Zuhörer wie viele andere auch, das Buch nicht ganz gelesen haben oder vielleicht noch nicht kennen.

Richard Ellmann zitiert James Joyce in seiner Biographie:
"Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse (in "Ulysses") hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit."

Klaus Schöning
Joyce sollte Recht behalten, den Professoren und nicht zuletzt jedem einzelnen Leser und jeder Leserin des "Ulysses" sind selbst nach eingehender Lektüre viele Dinge rätselhaft geblieben. Gerade dies jedoch hat der Komponist und Poet John Cage, der sich mit dem Werk von James Joyce in mehreren seiner eigenen Kompositionen, Texte und Hörstücke jahrzehntelang intensiv und künstlerisch auseinander gesetzt hat, als eine besondere Qualität erkannt.

John Cage in einem Gespräch und in einer Einleitung zu seinem Hörstück "James Joyce, Marcel Duchamp, Erik Satie: Ein Alphabet", von Klaus Reichert übersetzt:
"Die Welt, die wir mit Joyce betreten, ist eine Welt, die uns weniger vertraut ist. Gleichzeitig ist sie aber eine Welt für sich. Sie ist nicht wie ein Teil der Welt - sie ist wie die Welt. Was ich meine ist, dass man sie nie ganz verstehen wird - man wird nie das Gefühl haben, das man fertig ist. Man wird es einfach aufgeben müssen - oder dabei bleiben.

Ich verstehe aber auch nicht den Nachthimmel mit dem Mond und den Sternen. Die Tatsache, dass wir zum Mond reisen, hat ihn mir auch nicht erklärt. Ich wäre entzückt, in Bashos Fußstapfen in Japan zu treten, der als
alter Mann eine Reise zu Fuß unternahm, nur um einige besondere Ansichten des Mondes zu genießen. Joyce selbst sagte zu Arthur Power: "Was klar und konzis ist, kann von der Wirklichkeit nicht handeln, denn Wirklichsein bedeutet, vom Geheimnis umgeben zu sein." "

Klaus Schöning
Es gibt wahrscheinlich nur wenige Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, über deren Werke so vielgeschrieben, diskutiert, geforscht und gerätselt worden ist, wie über
die von James Joyce.

James Joyce zu Arthur Power: "Die Leute mögen wohl mehr in den "Ulysses" hineinlesen, als ich je beabsichtigte, aber wer könnte sagen, dass sie Unrecht haben?"

Klaus Reichert
Man sollte sich auch durch uns nicht einschüchtern lassen, die wir jetzt Bezüge hergestellt haben z. B. zur Odyssee usw. Man kann das Buch lesen, sofern man es mit wachen Sinnen liest. Das ist natürlich zuweilen schwierig. Aber der "Ulysses" kann einen Lesen lehren. Man kann es nicht rezeptiv lesen und auf eine spannende Handlung warten, die dann nicht kommt, sondern der Leser ist Teil dieses Prozesses.

Der "Ulysses" ist ein Roman, der die Aufmerksamkeit schulen kann. Und dann sind die Wiedererkennungs-Effekte eben sehr lustvoll. Aber man muss sich nicht unbedingt mit allen möglichen Kommentaren bewaffnen. Man braucht eigentlich nur eine vegetative Offenheit - man muss mit sämtlichen Sinnen lesen, also nicht
nur kognitiv.




Stadt, Mann, Buch
Am 16. Juni 1904 ist das bekannteste Datum der Weltliteratur. An ihm spielt der "Ulysses" von James Joyce. Zum 100. Bloomsday zelebriert seine Heimatstadt Dublin das große Festival "Rejoyce" - Von Christof Siemes - nachlesen in
Die Zeit


Literatur:

Ulysses
Roman
Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Herausgegeben und kommentiert von Dirk Vanderbeke, Dirk Schultze, Friedrich Reinmuth
und Sigrid Altdorf, in Verbindung mit Bert Scharpenberg.
Mit zahlreichen Karten.
Suhrkamp Verlag 2004
Zum 100. Bloomsday am 16. Juni 2004 - die erste kommentierte Ausgabe des Jahrhundertromans. Sie verzeichnet, was nachprüfbar ist: Orte, Institutionen, Ereignisse ebenso wie den Bildungsschatz, der in den Roman eingearbeitet ist. Jedes Kapitel beginnt mit einem Einführungstext; der Stellenkommentar ist übersichtlich in der Marginalspalte und am Fuß jeder Seite untergebracht. Personenverzeichnis und vielfältige Pläne von Dublin beschließen den großformatigen Band.



Klaus Reichert
Welt-Alltag der Epoche
Essays zu Werk von James Joyce
Suhrkamp Verlag 2004
Das Spektrum reicht von der Aufklärung literarischer Einflüsse und Hintergründe über Aspekte des poetischen Verfahrens bis hin zu Untersuchungen der komplexen Sprache, die Joyces Weltruhm begründet hat.

Richard Ellmann
James Joyce
Die deutsche Ausgabe betreute Fritz Senn in Zusammenarbeit mit den Übersetzern Albert W. Hess, Klaus und Karl H. Reichert.
Mit zahlreichen Fotographien.
Suhrkamp Verlag


James Joyce, Mimmo Paladino
Ulysses
Texte und Bilder.
Mit e. Nachw. v. Bernd Klüser.
Ausw. d. Texte v. Klaus Reichert.
Insel Bücherei Nr.1255.
2004. -INSEL, FRANKFURT-

James Joyce - Audioproduktionen
James Joyce
The Complete Recordings
1 Audio-CD m. Buch
Gelesen vom Autor aus "Ulysses" und "Finnegans Wake"
18 Min.
2002. -HÖRSTURZ-
James Joyce - Audioproduktionen