Empörung über Trump

"Er hat die Debatte verroht"

Us-Präsident Trump während einer Kabinettssitzung im Weißen Haus
US-Präsident Trump während einer Kabinettssitzung im Weißen Haus © imago
Von Dorothea Hahn · 21.07.2018
Donald Trumps kritikloser Umgang mit Russland hat eine parteiübergreifende Welle der Empörung ausgelöst. Doch die eigene Wählerschaft hält ihm die Treue. Er selbst kokettiert damit, man werde ihm sogar einen Mord verzeihen – weil er Erwartungen erfüllt.
Im Grunde war nichts anderes von Donald Trump zu erwarten. Denn er ist mit Lügen und Beleidigungen, mit nationalistischen Versprechen, mit Attacken gegen Alliierte und Respekt für Autokraten, sowie mit Rassismus ins Weiße Haus gekommen. Er hat wider besseres Wissen behauptet, Barack Obama sei nicht in den USA geboren und daher nicht berechtigt, Präsident zu sein. Er hat seinen Wahlkampfauftakt mit Hetze gegen Mexikaner – die er Vergewaltiger und Dealer nannte – in die Schlagzeilen gebracht. Er hat Witze über die Körpergröße, Energie und Intelligenz seiner republikanischen Konkurrenten gemacht. Und er hat sich auf die persönlichen "Schwächen" von Hillary Clinton konzentriert.

Sie legten ihm die Partei zu Füßen

Mit solchen Methoden hat Trump eine mehrheitlich weiße und radikale Wählerbasis erobert und sich die Rückendeckung des rechten Fernsehsenders Fox gesichert. Aber im politischen Establishment war niemand für einen gewappnet, der die Regeln so verletzte. Damals hätten die Republikaner Trump noch stoppen können.
Stattdessen legten sie ihm ihre Partei zu Füßen. Sie hielten ihn für ihre Chance, ihre Ziele durchzusetzen: vom Zurückrollen der Umwelt-, Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsgesetze bis hin zur Senkung der Unternehmenssteuern. Sie hofften auch, dass er das Oberste Gericht mit Richtern besetzen würde, die jung und konservativ genug sind, um noch in Jahrzehnten republikanische Positionen zu verteidigen.

Handelskriege und Grausamkeit gegen Kinder

Trump hat die meisten dieser Erwartungen erfüllt. Zugleich hat er die Debatte verroht und die Trennlinien verwischt. In seinen 19 Monaten im Amt hat er tausende Male gelogen; hat Neo-Nazis den Rücken gestärkt; hat die letzten moderaten Republikaner ins Abseits gedrängt; hat Journalisten zu "Feinden des Volkes" erklärt; hat internationale Abkommen wie das Klimaabkommen und den Iran-Atomvertrag gekündigt; hat Handelskriege begonnen; hat regionale Kooperationen mit den Nachbarn in Nordamerika beendet; hat die EU als "Gegner" bezeichnet und hat Grausamkeit gegen Kinder zum Gesicht seiner Einwanderungspolitik gemacht.

Erst Unerhörtes sagen - dann alles zurücknehmen

Oft beginn Trump ein neues Kapitel, indem er unerhörte Dinge sagt, um sie anschließend zurückzunehmen. Damit wirft er erst seiner Basis etwas zum Fraß vor, und stellt dann den Parteiapparat ruhig. In der zurückliegenden Woche hat er das in Europa getan. In London beschuldigte er Premierministerin Theresa May der Inkompetenz und schlug einen Nachfolger für sie vor. Obwohl der O-Ton des Interviews alles belegte, behauptete Trump anschließend, er sei Opfer von "Lügenjournalisten" geworden.
In Helsinki stand Trump neben Putin und verlangte nicht, dass die russischen Einmischungen in den US-Wahlkampf aufhören müssen. Sondern widersprach seinen eigenen Geheimdiensten und seinem Sonderermittler und folgte der Version des Russen, der jede Einmischung seiner Regierung bestritt. Tags darauf, als in Washington das Stichwort "Verrat" die Runde machte, krebste Trump zurück und sagte, er habe sich versprochen. Bloß um wenig später erneut Putins' Version zu verbreiten und ihn zu einem Besuch im Herbst in Washington einzuladen.

Nicht mal mehr FBI oder NATO sind sakrosankt

Die Republikanische Partei hat mehr als ein halbes Jahrhundert lang das FBI und die Geheimdienste hoch und Moskau niedrig gehalten. Sie betrachtete die EU-Länder als ihre Verbündeten. Sie sah einen Platz für den Islam. Und sie baute den Freihandel aus. Doch seit Trump diese Prinzipien über Bord geworfen hat, ist die Partei umgekippt.
Dahinter steckt kein politisches Umdenken, sondern Feigheit. Die meisten Republikaner glauben, dass sie ohne Trump keine Chance haben, wiedergewählt zu werden. Und jene, die es wagen, ihn öffentlich zu kritisieren, werden fast alle in diesem Jahr den Kongress verlassen.
Wer von der Republikanischen Partei etwas anderes erwartet, muss auf die Halbzeitwahlen im November hoffen. Nur wenn die Republikaner dabei heftige Verluste erleiden, werden sie versuchen, sich von Trump zu befreien. Bis dahin werden bloß die anderen kritisch über Trumps Politik diskutieren, während die Republikanische Partei weiterhin zuschaut.

Dorothea Hahn ist USA-Korrespondentin der Tageszeitung "taz".

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