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Bundeswehr in Mali
"Deutschland muss seinen Beitrag leisten"

Nach dem islamistischen Terroranschlag auf ein Hotel in Bamako hat sich der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter für einen Einsatz von Kampftruppen der Bundeswehr in Mali ausgesprochen. Zur Entlastung Frankreichs, aber auch im eigenen Interesse müsse Deutschland sich am Kampf gegen den Terror beteiligen, sagte er im DLF. Mali dürfe nicht im Chaos versinken.

Roderich Kiesewetter im Gespräch mit Dirk Müller | 23.11.2015
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter fordert eine Stabilisierung der Regierung in Mali. (picture-alliance/ dpa / Stephanie Pilick)
    Der Kampf gegen den Terrorismus dürfe sich allerdings nicht auf Mali beschränken, so Kiesewetter. Langfristig müsse man auch an die Nachbarstaaten Malis oder an Libyen denken, um die Waffenverteilung in der Region einzuschränken.
    Gleichzeitig müsse auch die Regierung in Mali stabilisiert werden, sagte Kiesewetter. "Würde diese Regierung beseitigt, würde das Land vollständig im Chaos versinken und das kann nicht in unserem Interesse sein." Zwar sei die Regierung gewählt und werde auch vom Großteil der Bevölkerung gestützt - dennoch habe sie nicht die Gewalt über das ganze Land.
    Differenzierung zwischen Polizei- und Militäraufgaben
    Kiesewetter äußerte sich auch zu einem möglichen Einsatz von Bundeswehr-Soldaten innerhalb Deutschlands, etwa zur Unterstützung der Polizei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. "Das ist nicht undenkbar, aber man sollte nichts übers Knie brechen," so Kiesewetter. Man müsse zwischen Polizeiaufgaben und Militäraufgaben sorgfältig differenzieren. Das Grundgesetz sehe eine klare Aufgabentrennung vor. Die Innere Sicherheit sei eigentlich die Aufgabe der Polizei. Vorstellbar hält Kiesewetter einen Einsatz der Bundeswehr zur Entlastung der Polizei im Innern, etwa beim Objektschutz. Aufgaben an den EU-Außengrenzen könne sie nicht wahrnehmen.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Das blutige Geiseldrama mit 21 Toten in Malis Hauptstadt Bamako. Der Terror hat längst auch Afrika erfasst: Nigeria, Kenia, Tunesien, Algerien, Marokko, Somalia und eben auch Mali. Der Druck auf Deutschland wird nun noch größer: Sollen nun möglichst schnell Kampftruppen in den Krisenstaat geschickt werden? Das hat Ursula von der Leyen zumindest angedeutet, um das französische Militär im Kampf gegen den IS in Syrien an anderer Stelle zu entlasten, und das wäre Mali. 200 deutsche Soldaten sind im Norden des Landes bereits stationiert: als Ausbilder der einheimischen Streitkräfte.
    Am Telefon ist nun der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, zudem Vorsitzender des Reservistenverbandes der Bundeswehr. Guten Morgen.
    Roderich Kiesewetter: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Kiesewetter, wissen Sie schon, wann die ersten losfliegen?
    Kiesewetter: Nein, das weiß ich nicht. Aber das werden wir sicherlich diese Woche im Bundestag hören und auch beraten.
    Müller: Für Sie unstrittig, dass Kampftruppen dahin müssen?
    Kiesewetter: Ich denke schon. Deutschland ist ja in Mali bereits sehr stark im Bereich der Ausbildung engagiert. Hinzu kommt, dass wir mit den Niederländern im Norden des Landes schon auch Partner haben, die sehr stark engagiert sind, und ich denke, dass Deutschland einen Beitrag zur weiteren Entlastung Frankreichs, aber nicht nur deshalb, sondern auch aus eigenem Interesse leisten muss. Es geht um die Bekämpfung des Terrorismus und Mali ist einer der Staaten, wo die Terroristen versuchen, Fuß zu fassen, und das sollten wir nicht zulassen, abgestimmt mit unseren Partnern.
    "Eine größere Operation, die sich nicht nur auf Mali beschränken kann"
    Müller: Wird das ein Kampf gegen Terroristen oder Rebellen?
    Kiesewetter: Nun, da ist die Unterscheidung sehr schwer. Aber die Rebellen werden nun mal sehr stark von Terroristen unterstützt. Sie hängen mit ihnen zusammen. Es geht nicht nur darum, dass Mali gestürzt werden soll, sondern dass auch aus den Nachbarstaaten sehr viele Impulse ausgehen. Wichtig ist langfristig, dass wir auch an Libyen denken. Hierzu haben wir im Mittelmeer bereits entsprechende Operationen gegen Schleuser. Wir müssen alles tun - und das macht ja auch unsere Diplomatie -, dass in Libyen eine stabile Regierung etabliert wird und damit dort quasi der Bereich, wo so viele Waffen auch nach Mali, nach Nigeria, in den Südsudan ausgebreitet werden, dass diese Waffenverteilung endet, aber eben auch die Ausbreitung des Terrorismus. Das ist eine größere Operation, die sich nicht nur auf Mali beschränken kann.
    Deutsche Soldaten der EUTM Mali am 07.05.2013 bei der Ausbildung der malischen Pioniere in Koulikoro (Mali).
    Ein deutscher Soldat mit Pionieren der malischen Armee. (picture alliance / dpa / HF Falk Bärwald)
    Müller: Ich frage deshalb Terroristen oder Rebellen, weil viele ja auch sagen, die amtierende Regierung führt einen Terror nach innen aus. Ist da was dran?
    Kiesewetter: Die Mehrheit der Bevölkerung Malis ist für den Kampf gegen die Terroristen und hier gilt es, auch die Regierung letztlich zu stabilisieren. Diese Regierung hat ja letztlich auch dafür gesorgt, dass die internationale Gemeinschaft gegen die Terrorgruppen kämpfen kann. Aber wir haben dort eben nicht immer nur die Regierungen, die wir uns wünschen. Wir müssen hier auch entsprechend mit unterstützen. Das heißt, die Ertüchtigung und Befähigung von Staaten wie Mali schließt auch Regierungsberatung mit ein. Dazu gehört auch, dass wir sehr sorgfältig auf das achten, was die Regierung im Innern durchführt.
    Müller: Sehen Sie das, dass das diese Regierung bislang noch nicht so richtig umgesetzt hat, das was der Westen verlangt?
    Kiesewetter: Nun, das ist ja ein fortlaufender Prozess. Mali ist in einem Bürgerkrieg. Hinzu kommt, dass sie zwar eine gewählte Regierung haben, aber, soweit ich - ich war selbst auch in Mali - es mitbekomme, steht ein Großteil der Bevölkerung hinter dieser Regierung. Aber sie hat nicht die Gewalt über das gesamte Land und da die Regierung nicht so stark ist, wird sie auch zunehmend destabilisiert. Wir haben das ja durch die Terrorangriffe am Wochenende in Bamako erlebt. Das bedeutet auch nicht nur die Bekämpfung der Aufständischen, sondern auch Stabilisierung von Regierungen und Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit. Das ist schon eine große Aufgabe.
    Müller: Sie sind fest davon überzeugt, dass es richtig ist, an der Seite der Regierung in Mali zu kämpfen?
    Kiesewetter: Ja. Zumindest kämpfen wir mit den Niederländern, mit den Franzosen, und Deutschland ist bereit, das ja zu unterstützen, gegen die Aufständischen. Denn würde diese Regierung beseitigt, würde das Land vollends ins Chaos stürzen, und das kann nicht in unserem Interesse sein.
    "Der Bundestag hat dem zuzustimmen"
    Müller: Gehen Sie davon aus, dass dieses robuste Mandat, was dann notwendig ist - Kampfeinsätze, das ist etwas anderes, als Ausbilder dort hinzuschicken -, dass das im Bundestag ohne Probleme durchgehen wird?
    Kiesewetter: Es wird mit erheblichen Diskussionen, aber sicher durchgehen. Aber wir erwarten auch von der Bundesregierung umfassende Informationen. Wir haben eine Sondersitzung auch des Auswärtigen Ausschusses diese Woche. Ich denke, dass das hilfreich sein wird. Aber wir wollen es natürlich beraten, aber die Bundesregierung hat bereits vor einigen Wochen begonnen, uns zu informieren. Wir sind selbst durch unsere Reisen und durch die Ereignisse beunruhigt und der Bundestag hat dem letztlich zuzustimmen, aber das wollen wir sorgfältig beraten.
    Müller: Herr Kiesewetter, lassen wir uns hier versuchen, mal einen Schwenk zu machen. Wenn deutsche Soldaten, auch Kampfsoldaten in Afghanistan eingesetzt werden - sie wurden ja zumindest eingesetzt -, jetzt eventuell nach Mali gehen und auch an anderer Stelle im Nahen Osten operieren beziehungsweise eingesetzt werden. Warum ist es dann so absurd, wie viele tun, auch in Ihrer Partei, dass die Bundeswehr, wie das einige aus der CSU wollen und verlangen, auch im Innern in Deutschland eingesetzt wird?
    Kiesewetter: Nun, wir haben da eine klare Aufgabentrennung. Die Bundeswehr kann im Innern eingesetzt werden nach Artikel 35 Grundgesetz. Das heißt zum Beispiel in der technischen Amtshilfe im Katastrophenfall. Wir haben das bei Hochwassereinsätzen und so weiter. Hier muss man sehr sorgfältig trennen, denn die Innere Sicherheit ist Aufgabe der Polizei. Hier geht es um Grenzsicherung zum einen. Es geht um die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union. Irgendwann kommt unsere Polizei an eine Belastungsgrenze und hier ist schon zu überlegen, wo da die Bundeswehr entlasten kann. Das muss aber im Einvernehmen zwischen Innen-, Außen-, Verteidigungspolitikern erfolgen. Ich kann mir hier schon vorstellen, weil wir ja auch eine gewisse Reserve haben, dass wir hier die Territorialreserve einsetzen - wir haben regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien -, aber in sehr geringem Umfang. Die Bundeswehr verfügt in diesem Bereich über etwa 8.000 Soldaten in der territorialen Sicherung. Da muss man politisch drüber diskutieren, ob man das nicht ausweiten kann und ob Soldaten zur Entlastung der Polizei, zum Objektschutz et cetera eingesetzt werden, damit Polizeikräfte frei sind für Grenzsicherung und andere Bereiche. Aber hier darf man nichts übers Knie brechen.
    Müller: Aber Bundeswehr jetzt nicht für die Grenzsicherung? Da können die Bundeswehrsoldaten nicht helfen?
    Kiesewetter: Nein, nicht für die Grenzsicherung, sondern für die Entlastung der Polizei im Innern, beispielsweise Objektschutz, beispielsweise in der Flüchtlingshilfe. Es sind zurzeit ja mehr Soldaten im inneren Einsatz zum Schutz der Flüchtlinge eingesetzt, doppelt so viele wie im Auslandseinsatz.
    "Sorgfältig unterscheiden zwischen Polizeiaufgaben und militärischen Aufgaben"
    Müller: Warum tun wir uns da so schwer, wenn ich Sie unterbrechen darf, Herr Kiesewetter? In Belgien haben wir jetzt Soldaten gesehen, die durch Brüssel ziehen, die Straßen auch sichern, sich beteiligen in welcher Form auch immer beim Anti-Terror-Kampf. Ist das in Deutschland undenkbar?
    Ein Polizist und zwei Soldaten sichern ein Restaurant in der belgischen Hauptstadt Brüssel.
    Soldaten im Anti-Terror-Kampf in Deutschland? Nur, wenn wie in Belgien der Notfall ausgerufen wurde, sagte Kiesewetter. (picture-alliance / dpa/ EPA/ Stephanie Lecocq)
    Kiesewetter: Nein, es ist nicht undenkbar. Aber dazu müsste ein Notfall ausgerufen werden oder ein Spannungsfall. Das haben wir nicht. In Belgien ist der Notstand ausgerufen worden. Bei uns ist das noch nicht der Fall und ich hoffe auch nicht, dass es dazu kommt. Aber wenn, dann wird man sicherlich auch darüber nachdenken müssen, Teile der Reserve oder auch der aktiven Truppe zur Entlastung der Polizei einzusetzen. Viel wichtiger ist es noch, dass die Polizei richtig ausgestattet wird und dass wir womöglich auch mehr Polizisten brauchen, um die innere Sicherheit zu gewährleisten. Wir müssen hier schon sehen - und da rate ich schon auch als Präsident des Reservistenverbandes zur Vorsicht -, dass wir zwischen Polizeiaufgaben und militärischen Aufgaben sorgfältig differenzieren. Wir haben alle Interesse an einer leistungsfähigen, sehr gut ausgestatteten Polizei.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Kiesewetter: Auf Wiederhören, Herr Müller.
    Müller: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.