Weihnachtsstau in der Karibik

Von Werner Bloch · 24.12.2006
Zu den Stammgästen an den Sandstränden von St. Barth zählen Robert de Niro und Madonna, Cathérine Deneuve und Mick Jagger. Bis zu 150.000 Euro kostet eine Villa über Weihnachten. Noch vor 30 Jahren war St. Barth arm. Jetzt herrscht Luxusstourismus auf der Insel, die mal von den Schweden, vor allem aber von Franzosen beherrscht wurde.
Eine winzige Insel in der Karibik, gerade mal ein Viertel der Fläche von Sylt – das ist St. Barth, ein kleines Stück Frankreich mitten in der Karibik. Und doch tummeln sich hier zu Weihnachten die größten Stars des internationalen Showbusiness, erzählt Natalie Garcia, die Managerin des Luxushotels Isle de France:

" Billy Joel, Madonna, Brad Pitt, Steve Martin kommt jedes Jahr, es gibt so viele. Arnold Schwarzenegger, Sean Connery, sie kommen alle hier."

Zu den Stammgästen an den langen weißen Sandstränden von St. Barth zählen auch Robert de Niro und Madonna, Cathérine Deneuve und Mick Jagger, Tom Hanks, Brad Pitt und Bill Gates. Der Modeschöpfer Otto Kern hat sich eine spektakuläre Villa oberhalb der Gouverneursbucht bauen lassen.

Der Jetset kommt entweder nach einem waghalsigen Flug in winzigen Maschinen auf der ultrakurzen Landebahn, die im Meer endet und für die man eine spezielle Pilotenlizenz braucht. Oder per Jacht; dann gibt es einen Weihnachtsstau in der Karibik, von Booten, die wegen des Ansturms der Reichen und Berühmten nicht mehr in den Hafen einlaufen können.

" Jedes Jahr kommt Puff Daddy, weil er mag, dass man ihn sieht. Die anderen kommen nach St. Barth, um sich zu verstecken, weil hier die Leute stören sie nicht. Man sieht sie manchmal, wenn sie ins Restaurant gehen, aber normalerweise mieten sie Villas, dann kann man sie nicht besonders sehen."
Bis zu 150.000 Euro kostet eine Villa über Weihnachten – da ist für "normale" Gäste gar kein Platz. Im Preis enthalten ist die größtmögliche Diskretion. Niemand auf St. Barth käme auf die Idee, einen Prominenten um ein Autogramm zu bitten. Wer Weihnachten hierher kommt, der ist meist selbst prominent, und die Inselbewohner halten sich zurück, betont Bürgermeister Bruno Magras:

" Wir freuen uns natürlich, die Stars zu begrüßen. Aber in der Bevölkerung gibt es auch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Stars. Sie sind willkommen, und man lässt sie in Ruhe."

Auf St. Barth herrscht null Prozent Arbeitslosigkeit, nur können sich viele, die in den Hotels arbeiten, keine Wohnung leisten, bei 1000 Euro für 30 Quadtratmeter. Auch wenn viele der Einwohner vom Tourismus leben: die Kluft ist groß zwischen den Franzosen, die vor 400 Jahren aus der Bretagne hierher eingewandert sind und manche ihrer Bräuche erhalten haben, und dem Jetset. Darauf wird im Museum der kleinen Inselhauptstadt Gustavia großer Wert gelegt.

" Seit der Ankunft der Bretonen und Normannen gibt es hier immer noch eine spezielle Haartracht, und die Menschen reden teilweise mit einem altmodischen Dialekt. Und es gibt eine schwedische Epoche, von 1784 bis 1869."

St. Barth gehörte fast hundert Jahre lang zu Schweden, bevor es dann wieder französisch wurde. Deshalb sieht man viele Fotos von Elchen auf der Insel und sogar manch ausgestopftes Rentier, was das Weihnachtsambiente unter Palmen bereichert.

Den Ton aber geben die Franzosen an, und weil ursprünglich 15 Familien aus der Bretagne eingewandert sind, trifft man immer auf dieselben Namen: die Magras und die Brin vor allem, die die lokalen Strukturen schützen wollen, sagt Cathérine Charnot von der Tourismusbehörde:

" Die Einheimischen sind sehr normal geblieben. Die haben sich nicht blenden lassen von Leuten mit sehr viel Geld, die gekommen sind und wollten alles kaufen. Das ist nie gewesen. So konnte es vermieden werden, dass verrückte Projekte mit Hochhäusern, was weiß ich, es gab genügend Leute, die das versucht haben, aber das sind bodenständige Menschen hier, zumindest diese Generation hat das bewiesen, aus der Armut, die haben einen kühlen Kopf behalten. "

Naja, so ganz ohne Bedeutung ist das Geld natürlich nicht. Nicht einmal für einen Gottesmann. Der Priester der anglikanischen Kirche von Gustavia, der Reverend Charles Nicoll, hat viele Millionen Dollar an den internationalen Finanzmärkten verdient – und der Geistliche ist gleichzeitig Direktor des Hotels Ilse de France, das für seinen Service einen Preis als bestes Hotel der Karibik erhalten hat. Da sind die Wege kurz zwischen Wirtschaft, Tourismus und Religion.

Immerhin: Noch vor 30 Jahren war St. Barth bitter arm. Jetzt herrscht hier ein Luxusstourismus, wie man ihn selten findet. Und doch verteidigen die Franzosen ihre schmaler gewordene Welt. Der Bürgermeister lässt sich denn auch in einem Magazin als Sheriff abbilden, mit Sonnenbrille und silbernem Anzug, ein Widergänger von Charles Bronson. Er will den Tourismus begrenzen und kämpft für die Autonomie der Insel und einen Sonderstatus von Frankreich.

Bisher zahlt auf der Insel niemand Steuern – Folge des historischen Abkommens mit den Schweden, als die heutige Luxusinsel noch in völliger Armut lebte.

" Wir wissen, dass man bestimmte Grenzen nicht überschreiten darf, sonst zerstören wir die Grundlagen unseres Erfolgs. Wir müssen jetzt die Entwicklung einschränken, die Umwelt schützen und den Häuserbau einschränken."

An die Armut kann sich der 84-jährige Ingénu Magras noch gut erinnern, ein Verwandter des Bürgermeisters, der natürlich denselben Namen trägt. Er kann nicht mehr richtig sehen und nicht mehr richtig hören, aber jeden Tag steht er in seinem Muschelmuseum, das er am Strand von Coraze aufgebaut hat, das größte Museum für Muscheln der Welt.

" Ich habe in meinem Museum 5000 Muscheln, es ist eines der größten der Welt, und ich sammle sie, seit ich sieben bin. Aber heute sind die Muschelbänke vor St. Barth zerstört, weil die Leute zwischen den Muscheln getaucht haben. Es gibt nichts Schlimmeres, denn die pflanzliche Unterlage der Muscheln, ihr Fundament, wird abgerissen, die Muscheln ziehen sich zurück, und es bleibt nur der Sand."