Weibliche Fans in der Bundesliga

Kein Reservat für Männlichkeit

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Eine Frau klettert beim Spiel des 1. FC Köln gegen Jahn Regensburg auf den Zaun zwischen Fanblock und Spielfeld.
Mit vollem Einsatz: Frauen kämpfen um ihren Platz in der aktiven Fanszene. © Imago / Sven Simon
Von Jennifer Stange · 19.05.2019
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Ein Drittel der Fans in Deutschland sind weiblich. Sie sind in den Stadien noch immer sexualisierter Belästigung und Gewalt ausgesetzt. Eine Gegenstrategie der Vereine sei notwendig, meinen Forscherinnen, die eine bundesweite Studie erstellten.
Wenn Frauen ins Stadion gehen, dann meistens nicht weil sie in der Fankurve eine feministische Rebellion anzetteln wollen, sondern um Fan zu sein und in der Masse Gleichgesinnter aufzugehen.
"Sexistische Fangesänge habe ich mitgesungen, weil mir häufig nicht klar war, warum sie überhaupt sexistisch waren und warum sie mich auch selber direkt betreffen."

Anna Horstmann ist Teil der organisierten Fanszene eines Bundesligisten in Nordrhein-Westfalen.
"Ich kann für mich selber sagen, dass ich lange viele Sexismen im Fußball hingenommen habe, weil ich dachte, sie sind einfach Teil der Fußballkultur, hab sie verdrängt, weg gelacht, nicht ernst genommen."

Niemand will die "Zicke" sein

Wer will schon als "Zicke" oder "Emanze" dastehen, die Lärm um nichts macht und diskutieren will, während andere Fußball gucken und Spaß haben wollen?
Etwa ein Drittel der Stadiongäste beim Männerfußball sind Frauen. Dennoch scheint weibliche Fußballbegeisterung immer noch erklärungsbedürftig. Frauen in der Fanszene müssen sich beweisen. Viele handhaben es so, wie es Anna Horstmann lange gemacht hat: aushalten, stark sein, sich anpassen.

Berichte über sexualisierte Gewalt

Auch Antje Hagel, Fan von Regionalligist Kickers Offenbach und langjährige Mitarbeiterin im dortigen Fanprojekt kennt das.
"Das ist eine Männerdomäne. Der Fußball selbst definiert sich vielleicht als Reservat oder als Schutzraum für Männlichkeit. Vielleicht nicht bewusst, aber er funktioniert so."

Wie sieht es mit der Fankultur der Ultras in Deutschland aus? Und lässt sich diese mit der in England vergleichen?
Hören Sie ebenfalls in "Nachspiel" das Gespräch mit dem Buchautor Hendrik Buchheister, der ein Buch darüber geschrieben hat:

Ganz selbstverständlich scheinbar. Ein junge Frau wird im Schalke-Fanblock von einem Mann begrabscht. Seine Freunde sollen belustigt zugesehen haben. Der Ordner, bei dem die Frau Hilfe sucht, soll gesagt haben, sowas passiere schon mal. In einem Sonderzug mit Borussia-Mönchengladbach-Fans soll laut Anklageschrift Anfang vergangenen Jahres eine 19-Jährige vergewaltigt worden sein.

Umfrage zu Umgang mit Sexismus

Einzelfälle? Nein sagt Anna Horstmann. Die einzige Besonderheit sei, dass diese Vorfälle öffentlich wurden.
"Dass Frauen im Stadion beleidigt werden, sexistisch angemacht werden, oder an den Po gefasst wird oder sonst wie, ich glaube, das ist wirklich Realität. Das ist Realität, die ich erfahren habe, die viele meiner Freundinnen erfahren haben."
Vorfälle, die für das Netzwerk "F_in – Frauen im Fußball" Anlass waren, eine bundesweite Umfrage zum Umgang mit Sexismus, sexualisierter Belästigung und Gewalt im Fußball zu starten. Antje Hagel: "Wir wollten wissen, was die Verbände, die Fanprojekte, die Fanbeauftragten, wie die mit sexualisierter Gewalt konfrontiert sind."

Forschungen zu Fankultur und Geschlecht

Teilgenommen haben mehr als 130 Fangruppen, Fanprojekte und Offizielle von mehr als 30 Vereinen aus der Bundes- bis zur Regionalliga. Die Hälfte der Befragten gab an, dass es in der abgelaufenen Saison mindestens einen Vorfall sexualisierter Gewalt gegeben habe. Anna Horstmann:
"Wie geht der Verein damit um? Welche Konsequenzen werden daraus gezogen. Wie wird überhaupt darauf aufmerksam gemacht? Das sind Punkte, an denen wir ansetzen müssen, um gemeinsame Regeln auf der Tribüne oder auf der Anreise zum Fußball zu erarbeiten."
Anna Horstmann ist nicht nur Fußballfan, sondern forscht mittlerweile zum Verhältnis von Fußball, Fankultur und Geschlecht. Zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW und ihrer Kollegin Stefanie Raible von der Universität Bochum sucht sie in Workshops nach antworten und Lösungen.
Eines ist sowohl für Antje Hagel als auch Anna Horstmann klar: Für Sicherheit und Schutz von Zuschauerinnen muss mehr getan werden. Es braucht Strategien im Umgang mit sexueller Belästigung und Gewalt im Stadion.

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