Beethovens "Messe C-Dur op. 86"

Musikalisches Ringen mit Gott und dem Fürsten

Die Bonner Statue Beethovens in Rückenansicht, die scheinbar auf die Türme des Bonner Münsters schaut.
Beethoven beschäftigte sich ein Leben lang mit sakralen Werken. © mago images / JOKER / Karl-Heinz Hick
Wolfgang Rathert im Gespräch mit Olaf Wilhelmer · 07.06.2020
Zeitlebens rang Beethoven mit Glaubensinhalten. Sein erstes Oratorium war ein Misserfolg. Seine Missa solemnis gilt als sperriges Spätwerk. Die C-Dur-Messe dazwischen widerspricht vielem, was man sich gemeinhin unter Beethovens Musik vorstellt.
So modern, ja revolutionär Beethoven im Verhältnis zu seiner Zeit aus heutiger Sicht auch anmuten mag, so sehr war er in den Verhältnissen des ausgehenden Ancien Régime befangen. Adelige Gönner säumten seinen Weg, sorgten für Aufträge, aber auch für Abhängigkeiten. Ein Werk wie die "Messe C-Dur op. 86" zeugt davon in besonderer Weise.

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"Seiner Durchlaucht dem Herrn Fürsten von Kinsky zugeeignet von Ludw. v. Beethoven". Das steht auf dem Titelblatt der C-Dur-Messe – merkwürdigerweise, war das Werk doch 1807 von einem anderen Fürsten beauftragt worden. Von einem bedeutenden Adeligen der Habsburgermonarchie, der als Arbeitgeber Joseph Haydns in die Musikgeschichte eingegangen ist: Fürst Nikolaus Esterházy II.

Verwöhnter Auftraggeber

Esterházy ließ jedes Jahr zum Namenstag seiner Gattin eine Messe komponieren – Maßstab waren die vorangegangenen Werke Joseph Haydns. Nun war dessen Schüler Beethoven an der Reihe und überreichte dem Fürsten, wie er schrieb, "mit viel Furcht die Messe, da sie gewohnt sind, die Unnachahmlichen Meisterstücke des Großen Haidns sich vortragen zu laßen".
Der Warnhinweis war nur allzu berechtigt. Denn der Fürst war not amused über das, was der noch nicht zu ganz großem Ruhm vorgedrungene Bonner da komponiert hatte.

Eigenartig oder einzigartig?

Das Werk sei "unausstehlich lächerlich und abscheulich, ich bin wütend und beschämt", heißt es in einem Brief Esterházys, was allerdings auch an der offenbar völlig unzureichend einstudierten Uraufführung in Eisenstadt gelegen haben mag.
Beethoven selbst jedenfalls hat sein Werk in Ehren gehalten, schrieb seinem Verleger gar, er habe den lateinischen Text der Messe vertont, "wie er noch wenig behandelt worden" sei. Nicht zuletzt gingen die Erfahrungen aus der "C-Dur-Messe op. 86" in eines seiner Hauptwerke ein, die "Missa solemnis op. 123".
Riccardo Chailly und das Orchester der Scala spielen im September 2019 Beethovens 4. Sinfonie im Dom zu Mailand
Beethoven und die Kirche, ein schwieriges Verhältnis: Riccardo Chailly 2019 bei einer Beethoven-Aufführung im Mailänder Dom. Der Italiener hat sich schon früh für die C-Dur-Messe eingesetzt© Imago / Stefano De Grandis / FOTOGRAMMA
Während die große späte Messe berühmt wurde, hat es ihr deutlich kürzeres frühes Pendant schwerer. Lange Zeit entsprach die "C-Dur-Messe" so gar nicht dem Bild des Titanen, der mit allem, also auch mit Gott rang.
Doch ist auch die in sich gekehrte C-Dur-Messe ein individuelles Bekenntnis in Sachen Glauben und Zweifeln. Und wer dem weltumspannenden Pathos des Beethovens der Missa solemnis und der Neunten Sinfonie skeptisch gegenübersteht, dem kann die sanfte C-Dur-Messe neue Welten eröffnen.

Exklusive Diskographie

Obwohl - oder weil - sich die Aufführungsschwierigkeiten der C-Dur-Messe im Vergleich zur Missa solemnis in Grenzen halten, hat das "Opus 86" keine so reiche Diskographie vorzuweisen wie andere Großwerke Beethovens.
Doch bei genauerer Betrachtung erweisen sich die vorhandenen Aufnahmen als außerordentlich vielseitig – zu nennen sind etwa die Deutungen von Günter Wand, Herbert Kegel und Helmuth Rilling, von Carlo Maria Giulini, Riccardo Chailly und Mariss Jansons, schließlich von Nikolaus Harnoncourt und Sir John Eliot Gardiner.

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