Mittwoch, 24. April 2024

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Intendant Dr. Willi Steul und Programmdirektor Andreas-Peter Weber
Deutschlandfunk auf dem Prüfstand

Ob drohende Griechenlandpleite, Ukrainekonflikt oder die wachsende Zahl der Flüchtlinge in Deutschland. Ob Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik: Der Deutschlandfunk berichtet mit seinen Sendungen über die vielfältigen Themen unserer Zeit und ordnet sie ein. Was sagen Sie zu unserem Programm? Unsere Hörinnern und Hörer hatten die Möglichkeit, uns Ihre Meinung zum Programm des Deutschlandfunks mitzuteilen.

18.12.2015
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    Intendant Dr. Willi Steul und Programmdirektor Andreas-Peter Weber (© Deutschlandradio/B.Straub)
    Zunächst einmal müssen wir eines sagen: Danke. Danke für die zahlreichen Zuschriften, die wir von Ihnen per-E-Mail und über unsere Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter erhalten haben. Uns haben Hunderte Mitteilungen erreicht: Wir haben viel Lob und Zuspruch erhalten, worüber wir uns sehr gefreut haben. Es gab aber auch viele Fragen und Kritik. Die fünf Themenblöcke, zu denen wir in der Live-Sendung am 16.12. und auf allen anderen Wegen die meisten Fragen erhalten haben, möchten wir Ihnen an dieser Stelle zusammenfassen.

    Stichwort: Einseitigkeit der Berichterstattung
    Hörer: Fühlen Sie sich vom Vorwurf einer zu einseitigen Berichterstattung angesprochen?
    Dr. Willi Steul (in der Live-Sendung): Nein. [...] Insgesamt ist der Vorwurf zu pauschal. Wir machen Fehler. Auch in einer Nachrichtenredaktion sitzen nur Menschen. Es gibt die Vorwürfe, wir seien zu links. Es gibt die Vorwürfe: 'Ihr seid alle rechts'. Das tariert sich ungefähr aus. [...] Wir versuchen, so objektiv wie es nur irgendwie möglich ist, zu berichten. Das Wesentliche ist: In den Redaktionen wird immer wieder diskutiert: 'Liegen wir richtig?' – diskutieren wir abgewogen?' Ich bin jetzt im siebten Jahr Intendant: Ich kann ihnen glaubhaft versichern; dass ich nie einen Anruf aus der Politik bekommen habe, dass wir das und das berichten und das und das machen sollen. Dahinter steckt die Vorstellung einer autoritären Lenkung. Die gibt es nicht.
    Andreas-Peter Weber (in der Live-Sendung): Wir müssen immer wieder fragen, ob das, was wir berichten, ein gerades Bild wiedergibt. Auf der anderen Seite ist es so, dass dieses Überprüfen schon seit Jahren Standard ist. [...] Bei uns gilt immer der Grundsatz: Einseitigkeit muss vermieden werden. Und wenn wir den Eindruck haben, dass wir einseitig sind, dann ist ein handwerklicher Fehler dabei und dann müssen wir das überprüfen und geraderücken.
    Hörer: Was entgegnen Sie dem Vorwurf der 'Lügenpresse'?
    Andreas-Peter Weber (in der Live-Sendung): Wir kriegen zum Teil schon starken Tobak mitgeteilt, das muss man schon sagen. Es ist für die einzelnen Journalisten, die dort auch persönlich angegriffen werden, sehr schwierig, damit umzugehen. Wir haben lange Zeit versucht, sachlich zu argumentieren, gegenzuhalten und unsere Position entsprechend darzustellen. Wir stellen aber zunehmend fest, dass es gerade auf Facebook vielfach nicht wirklich goutiert wird. Sondern dass die Beleidigungen stärker werden. Es gibt persönliche Angriffe. Das Haus ist mittlerweile dazu übergegangen, in wirklich extremen Fällen auch Strafanzeige zu stellen. Das haben wir lange Zeit nicht getan, aber wir sind das mittlerweile auch unseren Mitarbeitern schuldig. - Weil sie z.T. massiv unter Druck geraten, wenn sie ihren Job machen.
    Dr. Willi Steul (in der Live-Sendung): Wir müssen versuchen, immer wieder den Hörerinnen und Hörern zu vermitteln, dass es keine absolute Objektivität gibt, sondern es nur immer eine Annäherung an die Wahrheit geben kann. Und die Annäherung an die wahre Realität heißt auch, dass man unter verschiedenen, bewertenden Blickwinkeln versucht, dieses Mosaik zusammenzusetzen, aus dem dann jeder sich seine eigene Meinung bildet. Das versuchen wir.
    Hinweis in eigener Sache: Unsere Nachrichtenredaktion hat eine Liste der Vorwürfe erstellt, die uns von Hörerinnen und Hörern erreichten - und Antworten darauf gegeben: Die "sieben Todsünden" der Nachrichten.


    Stichwort: Islamberichterstattung
    Hörer: Persönlich benötige ich keine dauernde Einordnung wie bspw. "radikal-islamisch" oder "radikal-islamistisch" oder wie es oft beim Staat Myanmar heißt "dem früheren Birma".
    Andreas-Peter Weber: Sie haben da einen Punkt. Manche Hörer wünschen sich mehr Einordnung dieser Art, andere - wie Sie - brauchen das nicht. Das ist immer ein Balanceakt. Aber, wir reden in der Redaktion noch einmal darüber!
    Hörer: Obwohl die USA, England, Frankreich etc. dazu aufgerufen haben, den "Islamischen Staat" nicht mehr als solchen zu bezeichnen, sondern als "Daesh", spricht der Deutschlandfunk in seiner Berichterstattung weiterhin von "IS" oder "Islamischer Staat". Warum?
    Dr. Willi Steul (in der Live-Sendung): Wir können dazu einmal eine Diskussion anregen. Das ist ein guter Hinweis.
    Andreas-Peter Weber: Die Abkürzung "Daesh" ist in Frankreich eingeführt, in den USA nennt man den "IS" wieder anders. Uns ist zweierlei wichtig: Wir verharmlosen die nicht. Die Menschen müssen aber auch verstehen, wer gemeint ist. Und mir scheint, dass "IS-Terroristen" etc. derzeit in Deutschland am besten verständlich ist.
    Hörer: Sind die Medien nicht die Triebfeder für den Terror, wenn sie permanent über ihn berichten?
    Andreas-Peter Weber: Hier müsste man sehr lange ausholen. Aber ich finde auf keinen Fall, dass Medien die Triebfeder für Terror sind. Wir müssen uns immer fragen, ob wir irgendetwas verharmlosen oder überzeichnen, ob wir durch die Berichterstattung über Probleme verhindern, dass es zu Eskalationen kommt etc. Aber wir schüren keinen Terror.
    Hinweis in eigener Sache: In der neuen multimedial begleiteten Sendereihe "Koran erklärt" erläutern Islamwissenschaftler jeden Freitag ausgewählte Verse des Korans.
    Stichwort: Vielfalt in der Berichterstattung
    Hörer: Ich bin mit weiten Bereichen der Berichterstattung des Deutschlandfunks (bspw. Russland/Ukraine, etc.) zufrieden. Allerdings halte ich die Klima-Berichterstattung für zu einseitig. Es sollten neben den offiziellen Sichtweisen bspw. des Klimarates oder der Bundesregierung auch Wissenschaftler und andere Experten zu Wort kommen, die gegensätzliche Sichtweisen vertreten. Warum gibt es kein Pro und Kontra zu diesem Thema beim Deutschlandfunk?
    Andreas-Peter Weber: Ich glaube nicht, dass wir "Klimahype" veranstalten. Wir haben auch in diesem Jahr bei der Konferenz von Paris Tag für Tag eine "Faktencheckerin" im Programm gehabt, die durchaus kritisch nachgehakt hat. Und wir wissen natürlich auch, dass auch "Greenpeace" Lobbyarbeit macht.
    Hörerin: Die internationale Presseschau ist ein toller Programmpunkt. Ich wäre aber dankbar, auch Stimmen abseits des Mainstream zu hören. Ist dies möglich?
    Andreas-Peter Weber: Unsere Nachrichtenredaktion, die die internationale Presseschau macht, prüft gerade zweierlei: Wie bekommen wir noch mehr Kommentare jenseits des Mainstreams und wie ist mit Blogs umzugehen. Davon werden Sie sicher im neuen Jahr etwas merken. Man muss aber auch sagen, dass "Leitmedien" wie die NYT oder auf Europa gesehen "Le Monde", "NZZ" etc. auch zurecht Ihren Platz in der Presseschau haben, schon alleine, weil sie sehr einflussreich sind.
    Hörer: Ich bin morgens oft verwundert über die Nachrichtenauswahl. Es werden häufig Aussagen der in der Morgensendung interviewten Gesprächspartner als Nachrichtmeldung gesendet, die aber sonst keine Relevanz finden. Warum?
    Andreas-Peter Weber: Sie meinen, unsere Nachrichten geben einen "DLF-Bonus"? Da sind die Kollegen aber eigentlich zu selbstbewusst zu. Viele unserer Interviews finden sich ja auch in der Tagesschau am Abend wieder oder am nächsten Tag in den Zeitungen. Also, Relevanz vermute ich da schon. Aber, wir prüfen Ihren Punkt, versprochen!

    Stichwort: Wo bleibt das Positive in der Berichterstattung?
    Andreas-Peter Weber (in der Live-Sendung): Wenn wir Themen auf den Grund gehen wollen, müssen wir dem Interviewpartner natürlich Gelegenheit geben, das Positive herauszustreichen. Gleichwohl ist es auch unsere Aufgabe, Gegenpositionen einzunehmen, was ja nicht heißt, dass das die Position des jeweiligen Journalisten ist. Wir versuchen, eine Gegenposition aufzustellen, um deutlich zu machen: 'Jetzt hast Du die Chance, zu argumentieren, warum Deine Position möglicherweise die Bessere ist'. Das führt vielleicht gelegentlich dazu, dass der Eindruck entsteht, man würde versuchen, das Negative herauszustellen. Ich glaube, es dient vielmehr, einen Sachverhalt noch tiefer zu durchdringen.
    Hinweis in eigener Sache: Unsere Nachrichtenredaktion hat zum Thema Vielfalt in der Berichterstattung folgende Artikel geschrieben: Wo bleibt das Positive in den Nachrichten?
    Stichwort: Zwischenmusik am Morgen
    Andreas-Peter Weber (in der Live-Sendung): "Das Thema ist ein Dauerbrenner. Die Reaktionen sind ziemlich ausgewogen. Die einen sagen: "es nervt", die anderen sagen: "es ist besser geworden und klingt ganz ok". Zunächst mal: Warum überhaupt Zwischenmusiken? Das hängt natürlich damit zusammen, dass unsere Themen inhaltlich sehr komplex sind. Die Musik kann helfen, kurz zu entspannen. Es hat auch praktische Gründe: Auch der Moderator muss sich kurz nochmal auf das nächste Thema konzentrieren. Gerade Musik ist immer ein emotionales Thema. - Da werden Sie es nie allen Menschen recht machen können. Wir haben, nachdem wir leichte Veränderungen in der Musikfarbe vorgenommen haben, recht positive Rückläufe. – Oder sagen wir: Weniger kritische Rückläufe. Und das ist in dem Fall schon mal eine ganz gute Leistung."
    Dr. Willi Steul (in der Live-Sendung): "Wir haben mehr Informationen in die 'Informationen am Morgen' gepackt. Das führt einfach dazu, dass wir nur noch wenige Sekunden instrumentale Musikakzente haben. Wir sind aber weiter in der Diskussion, wie wir die Musik immer weiter verbessern. Auch ich bin keineswegs zufrieden.