Wasserspringen

Salti, Hechte, Schrauben

Eine Turmspringerin unter Wasser; fotografiert bei den Europameisterschaften 2014 in Berlin
Wasserspringen erfordert ein langjähriges Training. © picture alliance / dpa
Von Matthias Baxmann · 26.06.2016
Um es beim Wasserspringen auf internationale Wettkämpfe zu schaffen, ist ein zehnjähriges Training notwendig, mindestens dreimal in der Woche. Wer nicht schon mit sechs Jahren damit beginnt, bringt es nur zum Hobbyspringer.
Patrick Hausding schwingt sich beim Absprung auf dem Drei-Meter-Brett auf die fast doppelte Höhe. Schwer auszumachen, wie oft sich dieser athletische Körper innerhalb einer Sekunde in der Luft dreht und verschraubt. Bei einem Wettkampf würden die Spritzer beim Eintauchen Punktabzug bedeuten. Doch Patrick Hausding ist beim Training für seinen nächsten Wettkampf. Er ist mit über 30 Medaillen bei internationalen Meisterschaften der beste Springer und erfolgreichste Athlet Europas.

Selbstversuch gegen die Höhenangst

Meine eigene Springerkarriere begann im Alter von sieben Jahren. Beim Schulschwimmen wurde ich zu einer Trainingsstunde zum Wasserspringen eingeladen. Nach Kopfsprüngen vom Beckenrand und allerlei Spielen hieß es zum Abschluss: Und nun geht’s auf den Fünf-Meter-Turm. Nach diesem Sprung beendete ich meine kaum begonnene Laufbahn als Wasserspringer.
Heute, 50 Jahre später, stehe ich wieder an der Treppe zum Turm in der Berliner Sprunghalle im Europasportpark. Zum zweiten Mal in meinem Leben will ich versuchen, meine Höhenangst zu überwinden und mich in die Tiefe stürzen. Vorsichtshalber frage ich Trainingleiter Matti Büchner, worauf ich zu achten habe.
"Generell würde ich eigentlich niemandem empfehlen, auf fünf Meter zu gehen, ohne dass er vorher sich erstmal eingesprungen hat und sich rantastet. Also, erstmal würde ich empfehlen, dass wir von einem Meter anfangen, zu lernen wie man springt und wie man eintaucht. Dass man auch lernt, dass man sich beim Eintauchen schön fest macht, dass man die Spannung hält, mit geschlossenen Beinen eintaucht. Dann würde es als zweiten Schritt noch auf drei Meter gehen, und wenn das dann gut aussieht, dann würde ich erst sagen, dass man es von fünf Meter versuchen kann."
"Ok!"
"Um noch mehr an dem Turmfeeling zu sein: Wir haben ja auch diesen Ein-Meter-Turm, dann versuchen wir das am besten von da."
"Womit fange ich an? Mit einem Kopfsprung?"
"Am besten nicht! Wenn wir von fünf Meter auch erstmal einen Fußsprung machen wollen, werden wir das von dem Ein-Meter-Turm auch erstmal machen."

Warmmachen in der Schaumstoffgrube...

Das Training der Springer beginnt allerdings nicht mit dem Einspringen vom Ein-Meter-Brett, sondern in der Trockenhalle.
"Wir haben hier eine lange Trampolinbahn."
Sabine Grothkopp ist die Landestrainerin der Wasserspringer.
"Schaumstoffgrube, wo die Bretter eingebaut sind, die wir auch im Wasser haben."
Ich schwinge mich vom Ein-Meter-Brett in die Grube und versinke bis zum Kopf in den Schaumstoffkissen. Hier muss man erstmal wieder herausfinden! Schwimmen kann man nicht, aber laufen auch nicht.
"Dann haben wir einen Hydraulikturm, der fährt bis auf drei Meter hoch und dann können die Sportler ihre Sprünge in der Schaumstoffgrube vorbereiten, das heißt, wenn sie schwierige Sprünge jetzt machen müssen im Wasser, dass sie erstmal die Ansätze in der Schaumstoffgrube üben."

... dann geht's ans Trampolin

Neben der Trockengrube sind drei große Trampoline im Boden eingelassen. Hier trainiert gerade die Gruppe der Neunjährigen. Sie sind seit drei Jahren dabei. Wer nicht schon im Schulalter anfängt, hat kaum Chancen im späteren Leistungssport.
"Die haben jetzt die Aufgabe, mal ihre Füße zusammenzuhalten bei den Sprüngen im Trampolin und trotzdem eine saubere Armführung und Technik der Sprünge zu machen. Das fällt denen ganz schön schwer. Ich erkläre es mal bei Max: Die machen jetzt zwei Auftaktsprünge, Fußsprung vorwärts gehechtet, Fußsprung halbe Schraube, Fußsprung gehockt, Strecksprung und Salto vorwärts. Sechseinhalb! Du hättest eine Sieben gekriegt, wenn du den Salto in die Hechte gestreckt hättest."
Wie bei einem Wettkampf bewertet Trainerin Ines Böhm die Sprünge. Doch die Atmosphäre in der Halle scheint eher spielerisch. Die Kinder haben keinen Leistungsstress, obwohl sie sich natürlich anstrengen müssen.
"So, jetzt kommt ihr mal alle hoch, wir wollen Schweizer üben!"
Der Schweizer: ein Handstand in den man sich aus eigener Kraft hochzieht, wichtig für eine der fünf Sprunggruppen, wenn man sich vom Turm aus dem Handstand hinabfallen lässt.
"Am Ende der dritten Klasse müssen die schon ganz schön schwere Sprünge springen."
"Vom Einer können wir eigentlich alle Sprünge, die wir jetzt schon haben, außer Salto rückwärts. Also, zum Beispiel den Auerbach.
Ein Junge sitzt auf einem Sprungbrett im Freibad und lässt die Beine baumeln, sichtbar sind nur die Beine.
Ein Junge sitzt auf einem Sprungbrett im Freibad und lässt die Beine baumeln.© dpa/picture alliance/Sebastian Kahnert
Liza, acht Jahre, und Lisa, 9 Jahre, sie trainieren drei Mal in der Woche.
"Auerbach, da steht man vorwärts auf dem Brett und dann springt man ein Fußsprung ab und dann muss man einfach sich nach hinten lehnen, dann wieder die Hocke anfassen. Die Hechte strecken, also dann wieder lange Beine machen."
Neben Vorwärts- und Rückwärtssprüngen gehört der Auerbach zur dritten Sprunggruppe: Vorwärts abspringen und sofort rückwärts drehen. Wie man dabei nicht sofort mit dem Kopf aufs Brett schlägt, ist mir schleierhaft. Hechten heißt: Mit gestreckten Beinen wie ein Taschenmesser zusammenzuklappen.
"So, wer ein Schweizer gemacht hat: fünf saubere Taschenmesser, fünf saubere Liegestütz und dann üben wir die rechte Seite Spagat!"
"Vom Dreier, was ist das Schwierigste?"
"Vom Dreier, der Delphin anderthalb. Das ist so was Ähnliches wie ein Rückwärtssalto. Man stellt sich rückwärts aufs Brett und dreht dann so wie ein Vorwärtssalto, halt Anderthalbsaltos."

Beim Sprung vom Zehn-Meter-Turm besteht ernste Verletzungsgefahr

Delphinsprünge zählen zur vierten Sprunggruppe: Absprung vorwärts, Drehung rückwärts.
Das Gleiche machen sie auch vom Fünf-Meter-Turm. Keine Angst?
"Na ja, eigentlich schon, aber wir müssen uns halt überwinden, weil, wir können ja eigentlich nicht eine Stunde dastehen, obwohl wir das manchmal machen."
"Weil man auch Angst hat, dass man irgendwie an den Turm kommt oder ans Brett."
Man hat auch manchmal Angst, dass man falsch einkommt, weil, das tut dann immer richtig weh, wenn man zum Beispiel auf die Waden fällt.
Aber vom Zehner wird sicher noch nicht gesprungen?
"Öfter! Wir müssen sogar manchmal mit Anlauf runter rennen. Das ist aber nicht so toll, weil man da immer falsch einkommt. Und wir müssen da auch rückwärts runterspringen, also wieder so ein Fußsprung rückwärts gehechtet."
Die Kräfte beim Auftreffen auf die Wasseroberfläche sind enorm. Beim Sprung aus zehn Metern Höhe kann man sich den Arm auskugeln, wenn nicht mit der richtigen Haltung und vor allem Körperspannung eingetaucht wird. Dafür braucht man Kraft. Fußball gehört deshalb ebenso zum Training wie Ballett. Auch hier geht es um Körperspannung, Balance, Rhythmusgefühl und nicht zuletzt um die Ästhetik der Bewegungen.
"Es ist natürlich unser Ziel, den Kindern den Weg zu ebnen, eventuell mal das Sportgymnasium zu besuchen, und dahingehend werden sie vorbereitet. Und dann schauen wir mal, ob die Kinder das von der Leistung her schaffen und ob der Wille da ist, ob sie das möchten. Das wäre dann im Prinzip ab fünfte Klasse."

Die Besten dürfen aufs Sportgymnasium

Larissa, Sonka und Rakna hatten den Willen dazu. Sie sind seit fast einem Jahr auf der Sportschule. Was hat sich verändert?
"Ich komme viel später nach Hause als davor."
"Wir haben jeden Tag Training. Dienstag und Donnerstag haben wir vier Stunden und Montag, Mittwoch und Freitag haben wir zwei Stunden."
"Manchmal haben wir auch am Samstag Training."
An Berliner Wettkämpfen nehmen die drei schon seit der zweiten Klasse teil. Doch jetzt geht es auch nach Rostock, Leipzig, Dresden und Halle. Schon mal was gewonnen?
"Sonka und ich, wir haben schon mal beide den 1. Platz gemacht bei der gleichen Meisterschaft mit verschiedenen Sprüngen von verschiedenen Höhen wie zum Beispiel ein Meter oder drei Meter."
"Es gibt fünf Kampfrichter, die halt Wertung geben. Und die beste Wertung und die schlechteste werden rausgenommen."
Die Kampfrichter geben Punkte von Eins bis Zehn, und der jeweilige Sprung hat einen Schwierigkeitsgrad, und der wird dann mit den Punkten zusammengerechnet.
Multipliziert! - Sportschule heißt Leistungsport. Nicht jedes Kind will das oder wird den Anforderungen gerecht. Was passiert mit denen, die viele Jahre hart trainiert haben, mit Begeisterung dabei waren, aber dem Leistungstraining nicht mehr gewachsen sind und ausscheiden müssen? Diese Kinder werden wenigstens in Berlin nicht fallengelassen.

Nach dem Unfall kam die Angst

"Ich bin Lena, elf Jahre alt."
"Ich bin Lotte und neun Jahre alt."
Die beiden besuchen einmal in der Woche die Freizeittrainingsgruppe der Wasserspringer. Warum haben sie ihr reguläres Training verlassen?
"Weil ich eine Rückwärtsblockade bekommen habe. Ich hatte davor schon vor vielen Rückwärtssprüngen Angst und dann bin ich bei einem Salto rückwärts einmal richtig aufgeklatscht, das heißt, ich habe mich keine Rückwärtssprünge mehr getraut."
Die kleine Lotte hatte schon mit fünf Jahren angefangen und vier Jahre Training hinter sich, als es auch bei ihr nicht mehr weiter ging. Doch sie ist nach wie vor eine stolze Springerin.
"Ich habe mich halt nicht mehr getraut, weil, ich habe mal vom Fünf-Meter das erste Mal alleine den Rückwärtssprung gemacht und dann bin ich aber sofort auf meinen Rücken geklatscht. Und seitdem hatte ich total Angst. Aber ich bin dann nochmal raufgegangen auf den Fünfer und habe vorwärts gemacht und dafür habe ich dann einen Riesenaufkleber bekommen. Aber der Aufkleber ging dann auch kaputt. Wir haben den auf die Spülmaschine geklebt und dann war die Spülmaschine kaputt. Mama hat probiert, den abzumachen und dann ist der zerrissen."
Die beiden Freizeitspringergruppen stehen aber nicht nur ausgeschiedenen Wasserspringern offen. Auch Erwachsene können hier mitmachen, vorausgesetzt, sie wollen nicht einfach nur vom Turm hinunter springen, sondern regelmäßig im Training etwas für ihre Technik tun.
"Wir machen richtiges Training eigentlich. Wir haben anderthalb Stunden Training, von 18.00 bis 19.30 Uhr."
Gerd Völker ist Trainingsleiter der Freizeitgruppen.
"Soll natürlich viel Spaß sein, haben also auch Zeit zum Spielen, meist fangen sie mit dem Spielen an in der Trockensprunggrube und hören dann wieder mit dem Spielen im Wassertraining auf. Aber zwischendurch wird richtig trainiert. Wir wollen ihnen die Grundlagen des Springens wenigstens beibringen, für die, die neu sind, und für die anderen immer wieder ein bisschen "Behaltens"-Training machen."
Wie zum Bespiel mit Maxi Gerwich. Die Studentin war als Kind fünf Jahre dabei und hatte das Springen schon fast aufgegeben.
"Rückblickend bereue ich es auf jeden Fall, dass ich aufgehört habe. Man hat natürlich echt viel Zeit investiert. Auch jetzt zu spüren, dass man nicht mehr in Form ist, man muss wieder alles von vorn lernen. Will es halt nicht ganz aufgeben, auf jeden Fall weiter springen und ganz gerne wieder in die alte Form kommen."

DDR-Springer durften nicht an Weltmeisterschaften teilnehmen

"Wir haben bei den Freizeitspringern einen Mitgliedsbeitrag von 20 Euro im Monat. Dafür können die vier Mal zum Training kommen."
Das ist weniger als der Eintritt in die Schwimmhalle. Das professionelle Kindertraining drei Mal in der Woche kostet monatlich 32 Euro.
"Es gibt ja kaum noch Sprunganlagen, die für die Öffentlichkeit zu nutzen sind."
Gerd Völker ist mit seinen 73 Jahren eine Art Urgestein der Berliner Springer. Bis vor gut zehn Jahren nahm er selbst noch an Seniorenmeisterschaften teil und holte sich in seiner Alterklasse schon mal einen Weltmeistertitel. Das wurde aber erst durch die Wende 1989 möglich.
"Das Kuriose ist, dass wir früher in der DDR-Zeit gar nicht an solchen Veranstaltungen teilnehmen konnten, Weltmeisterschaften, weil, das das waren keine olympischen Disziplinen. Da durften wir keine Ausreise haben. Da haben wir immer nur gehört, was da los ist. Die Amerikaner haben da immer Platz 1 bis 3 gemacht und als wir das erste Mal nach Montreal sind, die Weltmeisterschaft gemacht haben, da war der Hans-Dieter Pohwald da, der Sperling, ich und auch viele ehemalige Springerinnen wie Delia Littmann und die Marina Janicke - da haben wir zum Beispiel bei den Männern in zwei Disziplinen Platz 1 bis 3 gemacht. Da waren die erstmal völlig schockiert, dass hier jetzt andere ankamen, die ihnen im Prinzip ihre Erfolgsserie kaputt machten."

Trainieren für den Fünf-Meter-Turm

Um mich auf den Fünf-Meter-Turm vorzubereiten, habe ich meinen Trainingssprung vom Einer mit Bravour absolviert. Wie von Trainer Matti Büchner vorgeschlagen folgt als nächster Schritt ein Fußsprung vom Dreier. Doch da gibt es offensichtlich Probleme.
"Das war jetzt ja schon der zweite. Beim ersten haben Sie das ein bisschen besser gemacht. Der war zwar leicht verdreht zur Seite, aber das war in Ordnung. Bei dem zweiten deutete sich jetzt so ein Problem an, was viele bei den Sprüngen von einer höheren Höhe machen, nämlich, dass die Beine ein bisschen nach vorne wegziehen. Das ging jetzt vom Drei-Meter noch. Wenn man dann auf fünf Meter geht, sind dann noch zwei Meter mehr Zeit zum Fallen und mehr Zeit, die Beine nach vorne wegzuziehen."
"Das heißt, ich müsste mich tendenziell ein bisschen nach vorne beugen?"
"Leicht. Generell müssen die Füße eigentlich schon unterm Körper sein, aber nicht soweit vor dem Körper, weil, sonst verlagert sich ja der Körperschwerpunkt."
Also noch mal aufs Brett, bevor ich auf den Fünfer darf.
Und?
"Ich denke mal, damit können wir auf fünf Meter gehen. Die Haltung war super, gerade, das würden Sie schaffen."
"Früher hat mir zehn Meter auch nichts ausgemacht, wo ich noch selber gesprungen bin, aber jetzt merke ich schon, war jetzt vier Jahre nicht auf zehn Meter oben, das ist dann doch schon ganz schön hoch und ganz schön komisch, da runter zu gucken."
"Also, Angst ist es nicht, ich würde es Respekt nennen. Wir denken ja auch nicht mehr darüber nach, was wir machen. Wir stellen uns nicht hin und denken, oh Gott, oh Gott, jetzt muss ich da an der Kante einen Handstand rückwärts machen. Deswegen, gesunden Respekt, den man, denke ich, auch nicht verlieren sollte, damit man nicht leichtsinnig wird."

Viele spezialisieren sich auf eine bestimmte Höhe

Ich bin beruhigt. Selbst für professionelle Springerinnen ist eine Höhe von zehn Metern keine Selbstverständlichkeit. Nora Subschinski und Maria Kurjo zählen mit ihren Gold-, Silber,- und Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen, Europa- und Weltmeisterschaften zu den erfolgreichsten Springerinnen Deutschlands. Sie treten wie auch Patrick Hausding für den Berliner TSC an.
"Ich bin mit 19 vom Turm mit Sascha Klein im Synchron Vize-Olympiasieger geworden. Man kann schon sehr früh technisch sehr weit sein. Da war ich relativ schnell auf dem technischen Level, dass es gereicht hat dafür, aber vom Brett habe ich seit 2008 bis jetzt noch mal extrem eine Veränderung durchgemacht, auch in der Schwierigkeitsgradentwicklung, in der Qualitätsentwicklung. Vom Turm ging es relativ schnell. Vom Brett braucht man halt körperlich eine längere Entwicklung, weil man einfach die Kraft braucht, und die baut sich nun mal über die Jahre auf. Bei den Männern hat sich extrem noch mal der Schwierigkeitsgrad gesteigert. Immer wieder kam jemand mit einem schwierigen Sprung und alle anderen orientieren sich daran und machen es wieder nach."
So zeigte der Russe Wiktor Minibajew 2013 den bisher schwierigsten Sprung, einen zweieinhalbfachen Salto rückwärts mit dreieinhalb Schrauben gehechtet vom Zehn-Meter Turm.
Manche Springer spezialisieren sich auf die Höhe, bei der ihre Stärken liegen. Bei Nora Subschinski ist es das Drei-Meter Brett, bei Maria Kurjo der Turm. Patrick Hausding ist in allen Disziplinen erfolgreich. Auch beim Synchronspringen.
"Es gibt jetzt auch Mix-Synchron, also, dass ein Mann und eine Frau zusammen springen."
"Das ist noch so frisch, dass wir auch in Deutschland noch gar kein richtiges Qualifikationssystem haben. Also letztes Jahr, Weltmeisterschaften, war das erste Mal, dass auf diesem Weltniveau auch ein Wettkampf stattgefunden hat. Es sieht so aus, dass sich der Wettkampf etabliert, und ich denke, dass wir dann auch im nächsten Jahr spätestens national dann auch Kriterien dafür einführen und auch Wettkämpfe dafür stattfinden."
Tina Punzel bei den Europa-Schwimm-Meisterschaften 2014 in Berlin. 
Tina Punzel bei den Europa-Schwimm-Meisterschaften 2014. © picture alliance / Hannibal Hanschke
Eine weitere Disziplin, die bei den Schwimm-Weltmeisterschaften bereits 2013 in Barcelona eingeführt wurde, ist das Klippenspringen. Während sich bei dieser Extremsportart vor allem junge Männer von Felsen um die 30 Meter in die Tiefe stürzen, sind die Sprünge bei der WM standardisiert. Männer springen von einem Podest aus 27 Metern Höhe, Frauen von 20 Metern.
Doch was heißt springen? Anna Bader steht mit den Zehenspitzen auf der Kante über dem Abgrund des Hafenbeckens von Barcelona, zieht sich langsam in den Handstand, lässt sich nach hinten kippen und hinabfallen. So holt sie 2013 für Deutschland die Bronzemedaille.
"Der Vorteil an solchem Klippenspringen ist, dass man das an sehr spektakulären Orten machen kann. Man baut sich irgendwo auf 27 Meter Höhe in einem Hafen eine Plattform hin und dann kann man da runter springen. Tja, da sind die natürlich rein medial stark im Vorteil. Also, ich war anfangs davon nicht so überzeugt, ich muss aber mittlerweile sagen, dass sich die Qualität dort sehr stark verbessert hat in den Sprüngen, in der Schwierigkeit. Mich würde es nicht wundern, wenn sie 2020, wenn es eine olympische Disziplin wird."
"Mein erster Gedanke ist immer: Ich würde es nicht machen! Und der zweite ist: Ohne das Wasserspringen würde es auch kein Klippenspringen geben, weil die meisten, die beim Klippenspringen mitmachen, sind welche, die beim Wasserspringen nicht so gut waren, aus den unterschiedlichsten Gründen, und die haben ihre Nische halt beim Klippenspringen gefunden."
"Bei der letzten Weltmeisterschaft in Kasan stand ich oben auf der Plattform, wo die Klippenspringer runtergesprungen sind. Ja, das war schon was anderes! Wenn ich gesund gewesen wäre zu dem Zeitpunkt, was ich nicht war, und wenn die Gegebenheiten da gewesen wären, dann hätte ich gesagt, dass ich da runterspringen will. Aber es hat sich eben da nicht angeboten. Man kann da nicht einfach runterspringen. Es muss immer ein Taucherteam vor Ort sein, sonst darf man da nicht runterspringen."

Als Sportsoldaten bei der Bundeswehr

Die drei Olympioniken springen seit 20 Jahren und haben eine beachtliche Karierte hinter sich. Bis zu welchem Alter werden sie ihre aktive Laufbahn fortsetzen? Kondition scheint bei dieser Sportart nicht das entscheidende Kriterium zu sein.
"Es ist richtig, dass wir jetzt keine super Ausdauerfähigkeiten besitzen müssen, aber dadurch, dass wir so früh anfangen, hat man eben auch schon viele Wettkämpfe im Jugendbereich und dann im Erwachsenenbereich."
"Es gibt ein paar die bis 30, vielleicht über 30 gemacht haben, aber das ist auch Oberfeld schon."
"Die körperliche Belastung, die ist schon enorm hoch bei uns, dadurch dass wir wirklich den ganzen Körper brauchen."
"Die Kraft braucht man eigentlich so ein bisschen für alles. Schon für den Absprung, man braucht auch gewisse Schnellkraft, um überhaupt schnell drehen zu können."
"Und irgendwann sagt der Körper, bis hierhin und nicht weiter, und dann reicht’s."
Kurjo, Subschinski und Hausding sind Sportsoldaten bei der Bundeswehr. Sie garantiert Trainingszeiten und ein Gehalt. Anders wäre diese Laufbahn als Wasserspringer nicht zu finanzieren.
"Wer möchte, darf halt nebenbei, aber nur im Teilzeitstudium, sich an der Universität weiterbilden. Ein Studium zu machen, um perspektivisch gesehen für später dann auch was zu haben."

Mit 70 aussehen wie mit 20

"Max, enge Hechte und nicht nach vorne ziehen, sondern ziehe nach unten, ja, der wird sonst zu flach."
Nach dem Trockentraining üben die Kinder ihre Sprünge in der Halle.
"Das sind die Viertklässler. Die fahren nächste Woche zum Wettkampf. Da üben sie gerade die Wettkampfserie dafür. Er macht jetzt einen Anderthalb- Delfinsalto gehechtet. Das ist schon sein Kürsprung. Den Kürsprung hat er sich ausgesucht. Aber der war zu weit. - Joschi, wie in der Schaumstoffgrube, wenn du nach hinten anfällst, wird das nichts! Lass das Gewicht auf dem Ballen und ein bisschen ruhiger anschwingen."
Am gegenüberliegenden Beckenrand trainiert eine junge Frau ganz allein am Ein-Meter Brett. Sie dreht sich elegant in der Luft und stößt kerzengerade wie ein Pfeil ins Wasser. Delia Littmann, meint Trainer Völker, Olympische Spiele, Japan 64. 1964?
"Wir waren ja 64 in Tokio Olympiateilnehmer, Völker, Wofahl und ich. 64, da habe ich dann vor zwei Jahren gemerkt, ach, Mann, das ist ja 50 Jahre her."
Delia Littman hat mit ihren knapp 70 Jahren den durchtrainierten Körper einer 20-Jährigen. Sie schwimmt zweimal in der Woche ihre 1000 Meter und anschließend belohnt sie sich mit ein paar Sprüngen vom Ein- und Drei-Meter-Brett.
"Wir waren an der Sportschule und hatten alle Möglichkeiten. Jetzt ist es natürlich härter, weil die Sprünge schwerer sind. Die haben natürlich auch ganz andere technische Möglichkeiten mit Grube, mit Lounge und Blase. Hatten wir alles nicht."
Blase?

In die Blase fällt es sich weicher

Zur Orientierung für die Springer wird die Wasseroberfläche durch Düsen permanent gekräuselt. Da das Wasser klar ist und man bis auf den Grund sehen kann, brauchen sie diesen optischen Effekt, um die Oberfläche während des Sprungs zu orten.
Aber eine Blase sehe ich nicht.
"Das ist eine Blase, die wird per Knopfdruck ausgelöst, wenn neue Techniken erlernt werden."
Roman Kluge, Sportwissenschaftler vom Olympiastützpunkt.
Das ist dann eine richtige Blase, so einen Meter hoch. Die springen jetzt von Fünfer oder so was, dann weiß man ja nie, kommt der wirklich gut auf, kommt der mit dem Bauch auf, kommt der mit dem Kopf auf? Und diese große Blase, die erleichtert, dass die Wasseroberspannung - das ist dann natürlich viel weicher und dann tut es nicht weh. Aber das macht man nur beim Erlernen von Sprüngen, damit man dem Sportler nicht antut, dass er mit dem Bauch auf die glatte Fläche klatscht.
Roman Kluge unterstützt mit hoch auflösender Videotechnik die Olympiateilnehmer beim Sprungtraining.
"Zusammen mit dem Trainer können wir dem Sportler sehr, sehr früh helfen in der Sofortanalyse, sofort hier am Becken, aber auch im Nachgang mit einem speziellen Auswertprogramm. Und dieses Technikmodell hilft auch, wenn neue Sprünge erlernt werden. Ich kann aus diesen verschiedenen Videoanalysen sehen, bin ich zu langsam angelaufen?
Ich muss ja die Geschwindigkeit, die ich beim Anlauf nehme in die Höhe umsetzen. Und wenn ich dann nicht hoch genug abgesprungen bin, dann werde ich genau wissen, ich werde das alles nicht schaffen, drei Salti, zwei Schrauben. Wenn der, ich sage mal, 1,50 Meter braucht, und er springt nur 1 Meter, dann weiß ich schon aus diesem Technikmodell, ich muss Sprungkraft üben, ich muss gucken, dass ich höher springe."

Glückshormone auf dem Fünf-Meter-Turm

Auch ich will jetzt von weiter oben springen. Nach meinen Trainingssprüngen von ein und drei Metern geht es jetzt auf den Fünfer. Lena und Lotte begleiten mich wie zwei Sekundanten auf den Turm.
"Wie ist das jetzt für dich hier oben?"
"Nicht wirklich anders als wenn ich auf den Dreier stehe, halt nur ein bisschen höher."
"Und was machst du jetzt hier für einen Sprung?"
"Einen ganz normalen Fußsprung vorwärts, gestreckt, um ihnen das einmal zu demonstrieren. So, fünf Meter, der Grund ist in etwa zehn 10 Metern, auf den ich blicke. Jetzt geht’s los!"
"Na, dann viel Glück!"
Ich habe es geschafft! Der Ausstoß von Glückshormonen ist enorm.
Lotte steht noch oben und blickt etwas unentschlossen in die Tiefe.
"Mach einen Fußsprung, Lotti, einen, dann darfst du spielen. Lena kommt Dir noch mal helfen! - Beim Wasserspringen geht’s ja auch ein bisschen um die Ästhetik, und wenn man das versucht, braucht man schon diese kleine Vorbereitung, diese Schritte, um sich dann an fünf Meter ranzutasten. Und das sah jetzt wahrscheinlich auch schon ästhetischer und schöner aus, als wenn sie da einfach reingerannt wären."
Und weil es so schön war, werde ich gleich noch einmal auf den Turm steigen.
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