Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Studienbewerbung
Der Marsch durch die Instanzen

Am Mittwoch laufen an vielen deutschen Hochschulen die Bewerbungsfristen fürs Studium ab. Für die Studienwilligen bedeutet das viel Bürokratie, klagt Eva Kühle aus Saarbrücken, die zurzeit einen Masterplatz sucht. Studienberater Martin Scholz kennt solche Sorgen aus seiner täglichen Arbeit und erklärt im Deutschlandfunk, woran das Bewerbungswesen krankt.

Eva Kühle und Markus Scholz im Gespräch mit Markus Dichmann | 14.07.2015
    Studenten im Hörsaal
    Am 15.7.2015 ist Bewerbungsschluss für Studienplätze an vielen Hochschulen (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Markus Dichmann: Wenn ich in meinem Terminkalender blättere, dann sehe ich, dass wir morgen den 15.7. haben, und ich hoffe, dass sich alle zukünftigen Studierenden diesen Tag da ganz fett und am besten knallrot eingekreist haben. Denn morgen endet an den meisten Hochschulen hierzulande die Bewerbungsfrist für das nächste Wintersemester. Jeder also, der sich für ein Studium in egal was und egal wo bewerben will, sollte jetzt mal dringendst in die Puschen kommen. Richtig ungenießbar wird die Situation aber erst dann, wenn man zwar erfolgreich in die Puschen gekommen ist mit der Bewerbung, aber sofort wieder ausgebremst wird. Denn die Bewerbungsverfahren für ein Studium sind wirklich zum Haareraufen. So sieht das zumindest Eva Kühle, Studentin in Saarbrücken und jetzt bei uns in der Sendung. Stimmt doch so, Frau Kühle, Sie ärgern sich gerade schwarz.
    Eva Kühle: Ja, also, ich bin total frustriert über die ganzen Sachen, die man da machen muss für diese Bewerbung, und deswegen habe ich mich bei Ihnen gemeldet.
    "Man könnte das ja auch ein bisschen einfacher machen"
    : Ganz genau. Sie haben uns eine E-Mail geschrieben, Frau Kühle, mit Ihrem Ärger. Schauen wir uns doch mal an, worüber Sie sich ärgern. Sie versuchen, sich für einen Masterplatz in Klinischer Psychologie zu bewerben. Das wird ja auch seit einer Weile nicht mehr zentral geregelt, das heißt, Sie müssen sich also an jeder Hochschule einzeln bewerben. Aber wo genau liegt das Problem?
    Dichmann: Also erst mal, das sind 24 Hochschulen, an denen ich mich jetzt bewerben kann, und das Problem ist, dass ich bei jeder Hochschule einzeln alle Angaben machen muss, das heißt, mein Name, meine Adresse, was ich studiert habe, wie lange und so weiter, und so weiter. Alles muss ich einzeln eingeben, obwohl eben die Unis genau die gleiche Software benutzen für die Sachen. Aber ich muss es trotzdem bei jeder Uni einzeln angeben. Man könnte das ja auch ein bisschen einfacher machen, denke ich mir.
    Dichmann: Ja. Wie wir das vielleicht einfacher machen könnten, darüber sprechen wir später noch, Frau Kühle. Jetzt möchte ich zunächst noch Martin Scholz in der Sendung begrüßen, und ich denke mal und nehme an, Herr Scholz, dass Sie solche Sorgen kennen. Sie leiten die zentrale Studienberatung der Leibniz-Universität in Hannover und sind außerdem Vorsitzender von GIBeT, der Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen. Zunächst einmal herzlich willkommen, Herr Scholz!
    Martin Scholz: Vielen Dank!
    Dichmann: Stehen denn die Studierenden mit solchen Problemen bei Ihnen Schlange?
    Scholz: Mit solchen spezifischen Problemen eher nicht, sondern es ist das grundsätzliche Problem, wie komme ich an einen Studiengang, und explizit in der Studienberatung eher das Thema, wie komme ich an den richtigen Studiengang. Also eher die Frage danach, wie finde ich meinen richtigen Studiengang, wie entscheide ich mich dafür, also die typische Frage nach Studienentscheidung unter notwendiger Unsicherheit. Das sind eher unsere typischen Probleme. Eine solche Anfrage, wie kann man die Vergabeverfahren optimieren, das ist eher seltener bei uns. Aber ja, Sie haben natürlich recht, was als Thema bei uns auch immer mal wieder ankommt, ist der Gang durch die formalen Instanzen.
    "Ich kann nachvollziehen, dass es sehr kompliziert wirkt"
    Dichmann: Erscheint Ihnen der absurd formal, also bis zu einem Level formalisiert, dass es für die Studenten eigentlich, tja, überkompliziert ist?
    Scholz: Ich kann nachvollziehen, dass es sehr kompliziert wirkt, weil ich als Studieninteressierte, als Studieninteressierter zumeist ja nur ein- bis zwei- oder dreimal in meinem Leben eine solche Situation durchlebe, und dann habe ich immer wieder diese Bewerbungsmasken. Absurd würde ich dazu nicht sagen, denn auf der anderen Seite ist es ja so, dass diese von Hochschule zu Hochschule unterschiedlichen Portale ja auch ihre Chancen mit sich bringen. Das heißt, jede Hochschule bewirbt ihre oder stellt dort ihre eigenen Studiengänge zur Verfügung. Und zusätzliche Kriterien heißen nur, dass man damit auch wieder zusätzliche Chancen generieren kann für einen speziellen Studiengang.
    Dichmann: Frau Kühle, so was Ähnliches haben Sie uns ja im Vorfeld eigentlich auch geschrieben, dass Sie diese dezentrale Lösung eigentlich besser finden als die Lösungen wie zu Zeiten einer ZVS, wo die Studienplätze noch zentral vergeben wurden. Warum eigentlich?
    Kühle: Also ich finde, man kann sich halt bei jeder Uni einzeln profilieren durch Praktika, durch Berufsausbildung, aber vor allem auch durch die Credit Points, die man erreicht hat in bestimmten Bereichen im Bachelor. Das Problem ist für mich eher, es gibt schon so eine Software, zum Beispiel also muss nicht unbedingt diese sein, aber zum Beispiel Uni Assist. Es waren jetzt aber leider nur zwei Unis, die das schon gemacht haben, die die Angaben eben speichert, die Grundangaben, und dann haben die Unis noch mal die Möglichkeit, einzelne Sachen dann speziell zu machen, einzelne Voraussetzungen da einzugeben.
    Dichmann: Herr Scholz, würden Sie sich auch so ein modernes und taugliches Bewerbungssystem vorstellen, also sagen wir dezentral, aber mit, sagen wir, identischen Komponenten an wichtigen Schaltstellen.
    Scholz: Mit einzelnen Modulen sozusagen. Ja, wünschenswert ist sicherlich vieles. Wir haben das ja bereits im Jahr 2011/12 erlebt mit dem sogenannten DOSV, mit dem Dialogorientierten Serviceverfahren. Da haben sich ja zwei große Anbieter auch von Hochschulsoftware mit einem Anbieter aus der Wirtschaft zusammengetan und haben versucht, ein solches System zustande zu bringen. Schlicht und ergreifend ist dieses Vorhaben einfach gescheitert. Es hat eben nicht geklappt, dass man das Ganze für die Bundesrepublik, für die Studiengänge zu einem solchen dialogorientierten Serviceverfahren zusammengefasst hat.
    Dichmann: Jetzt gibt es ja aber inzwischen schon hochschulstart.de, eine Webseite, auf der sich inzwischen 90 von 180 möglichen Studiengängen in Deutschland, also auf die man sich da bewerben kann. Und in drei Jahren soll das Ding dann auch flächendeckend für ganz Deutschland laufen. Finden Sie, das ist ein gutes Modell, ist damit Besserung in Sicht?
    Scholz: Also ich bin sehr gespannt darauf, was in drei Jahren passieren wird. Wir haben in dem bisherigen Verfahren, so auch zuletzt bei den Hochschulen, die mit Psychologie an diesem Verfahren teilgenommen haben, durchaus erlebt, dass es hinsichtlich der Zeitkomponenten nicht so ganz einfach gewesen ist. So sind auch in der Psychologie, dem beliebten Studiengang Psychologie Plätze an bestimmten Hochschulstandorten freigeblieben. Von daher, das scheint kein Allheilmittel zu sein, aber ich bin sehr gespannt, was diese Lösung dann bringen wird.
    Unbesetzte Studienplätze bleiben ein Problem
    Dichmann: Ja, Herr Scholz, jetzt haben Sie nämlich noch ein ganz wichtiges, letztes Problem angesprochen: die unbesetzten Studienplätze. Die entstehen ja dadurch, dass sich an Hochschulen parallel beworben wird von den Studenten. Die Plätze sind dann praktisch besetzt, aber der Student nimmt ja nun mal nur einen der Plätze, die er bekommen hat. Wie kriegt man das denn in den Griff?
    Scholz: Das kriegt man gar nicht in den Griff. Denn wir können das Annahmeverhalten unserer Studienbewerber schlicht und ergreifend nicht steuern. Darauf können wir nicht einwirken. Wir haben überhaupt keine Chance, außer, dass wir uns so attraktiv wie möglich darstellen. Das machen aber alle Hochschulen. Wir versuchen mit vielen Unternehmungen, eben dieses Annahmeverhalten zu befördern, aber wir können es eben schlicht und ergreifend nicht steuern. Und da liegt sicherlich die Crux dann im Detail.
    Dichmann: Frau Kühle, jetzt noch zum Schluss an Sie die Frage: Müssen Sie sich jetzt heute noch an den Schreibtisch setzen, um die Bewerbungsfrist zu erwischen, noch Bewerbungen fertigzumachen? Oder ist das schon alles jetzt unter Dach und Fach?
    Kühle: Also ich habe gestern bis halb eins an den Bewerbungen gesessen, habe wirklich meine letzte dann abgeschickt. Nur, ich warte jetzt noch auf einen Brief von meinem Prüfungsamt, den ich noch brauche für zwei Bewerbungen im Osten. Und mit den Versandkosten - es gibt ja sogar immer noch einige Unis, die darauf bestehen, Zeugnisse, bevor man eine Zulassung hat, im Original, teilweise auch beglaubigte Zeugnisse zu haben. Ich denke mal, bei mir ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich überhaupt irgendwo einen Masterplatz bekomme, deswegen finde ich das eigentlich ein bisschen zu aufwendig dafür, dass man wahrscheinlich keine Zulassung bekommt. Die meisten machen das ja so, dass sie erst nach der Zulassung die Zeugnisse dann im Original vorliegen haben wollen.
    Dichmann: Danke an Eva Kühne, Studentin in Saarbrücken, und an Martin Scholz von der Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen. Wir sprachen über den akuten Bewerbungsstress, denn morgen laufen an vielen deutschen Hochschulen die Bewerbungsfristen fürs Studium ab.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.