Was und wie sollen wir lernen?

26.10.2013
"Deutsche beim Lesen und Rechnen nur Mittelmaß" oder "Sind wir Deutschen dümmer als gedacht?" - So lauteten die Überschriften anlässlich der jüngsten Bildungsstudie "PIAAC", dem "PISA"-Test für Erwachsene.
Geprüft wurden unter anderen die Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten, die Problemlösungskompetenz sowie der Umgang mit dem Computer. Deutschland schnitt enttäuschend durchschnittlich ab. Offensichtlich bleibt also nicht viel von dem Stoff übrig, den wir im Laufe unserer Schulzeit büffeln.

Was und vor allem wie sollen wir also in der Schule lernen?
Was heißt Lernen in Zeiten von Google, YouTube & Co?

"Die audiovisuellen Medien werden das Lernen stark verändern", sagt Prof. Dr. Karsten Wolf. Der Medienpädagoge ist Professor für Didaktische Gestaltung multimedialer Lernumgebungen an der Universität Bremen und beschäftigt sich mit allen Fragen rund um den Einsatz digitaler Medien beim Lernen, vom Kindergarten bis zu den älteren "Golden Learners".

YouTube sei bereits die zweitgrößte Suchmaschine. "YouTube ist schon jetzt eine audiovisuelle Enzyklopädie. Natürlich kann man auch noch in einem herkömmlichen Lexikon nachschlagen, aber mit digitalen Medien ist das viel praktikabler umsetzbar."

Karsten Wolf ist auch einer der Begründer des Portals "draufhaber.tv", einer Online-Videocommunity, in der junge Leute in selbsterstellten Videos ihre Interessen und Talente zeigen, austauschen und voneinander lernen können. "Ich bin ein Verfechter des Lernens durch Erklären. Mich interessiert die Aktivierung von Lernenden, dadurch, dass sie selbst etwas gestalten."

Bei "PIAAC" habe sich gezeigt, dass die erwachsenen Teilnehmer nur unzureichend in der Lage waren, komplexe Probleme zu lösen. Hier müsse man ansetzen, "all die Sachen, die man lernt, als Werkzeuge zu verstehen", zum Beispiel Mathematik, Chemie oder Biologie mit interessanten Fragen aus dem Alltagsleben zu verknüpfen. Die Frage sei doch: "Was brauche ich in meinem späteren Beruf?" Das gehe über die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen hinaus. "Die Frage ist, ob ich die Fakten des Dreißigjährigen Krieges wiedergeben muss. Man kann ganz unterschiedlich ansetzen: ich kann mich der deutschen Literatur nähern, indem ich mir vorstelle, ich wäre Schauspieler oder Autor."

"Unsere Schule ist Lebens- und Erfahrungsraum, Arbeits- und Lernort in einem", sagt Ulrike Kegler. Die Leiterin der Montessori-Oberschule in Potsdam gehört zu den bekanntesten Reformpädagoginnen Deutschlands; ihre Schule gilt als Vorzeige-Einrichtung in Sachen Lernen und wurde 2007 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet. Unter anderem lernen die Schüler jahrgangs- und fächerübergreifend, eines der Fächer heißt "Welterkundung": "Welt erfahren und reflektieren, so könnte man den Sinn allen Lernens und der Schule definieren."

Unsere "allgemeingebildete Industrienation" – so Ulrike Kegler - sei zu einer hochspezialisierten Informationsgesellschaft geworden. Mit eingebüffeltem Wissen über Algebra oder die Geschichte der Wikinger beeindrucke man allerdings heutzutage keinen Chef mehr. Es komme auf andere Qualitäten an, auf die die Schule vorbereiten müsse: eigenverantwortlich Probleme zu erkennen und zu lösen, oder auf die Fähigkeit, Teams zu bilden und in ihnen zu arbeiten.

Was und wie sollen wir lernen?
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Ulrike Kegler und Karsten Wolf. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Über die Montessori-Oberschule Potsdam
Über Prof. Dr. Karsten D. Wolf

Literaturhinweis:
Ulrike Kegler: "In Zukunft lernen wir anders. Wenn die Schule schön wird", Beltz Verlag 2009