Was sonst noch hilft

11.07.2008
Um national und international auf sich aufmerksam zu machen, setzen Großstädte mittlerweile auf teuere Werbekampagnen. In Hamburg wird Plattdeutsch gepflegt, Stuttgart betont seine Kinderfreundlichkeit und Berlin stellt die Menschen in den Mittelpunkt der Werbeaktion.
Werbung in Hamburg
Von Knut Benzner

Wie, erst einmal eine grundsätzliche Frage, wie heißt Hamburg auf platt?

"Hamborch"

Noch einmal, bitte:

"Hamborch"

Schriebe sich O.R.C.H. am Ende.

"Nein, ... mit G am Ende, aber man spricht das mit einem weichen ch. Hamborch."

Rolf-Dieter Klooß, 62, Rechtsanwalt, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, SPD. Gebürtiger Flensburger, seit 40 Jahren in Hamburg.

"In Hamburg werden ganz verschiedene Arten von platt gesprochen, in ... Finkwarder..."

... Finkenwerder ...

"... da schnacken sie anders als in Moorburg, was nur ´n paar Kilometer entfernt liegt, oder in Altengamme, Oldgamm oder Niedengamm, da wird das auch wieder anders gesprochen, oder in Curslack."

Dennoch ein paar übergreifende Beispiele. Für die Schilder:

"Ochsenwerder – Ossenwarder. Tarpenbek ist auch hüsch: Topenbarg. ... Wilsdorf – Wilsdörp. Wohldorf – Wohldörp. ... Rotherbaum – Rothenboom. Dat hört sich ganz gut an: Rothenboom. Achterdeich – Achterdiek. Allermöhe – Allermoi. ... Eppendörp."

Eppendorf.
Klooß war einer der Redner der auf platt gehaltenen Bürgerschafts-Debatte, im Februar des Jahres schon, und darüber hinaus in seltener Eintracht der Parteien. Die Rede hörte sich in seinem Fall dann so an:

"Jo, ick hev min Red haln über die plattdütschen Schiller, die Schiller op platt ..."

... mit "Schiller" sind natürlich die "Schilder" gemeint – und nicht der bekannte Dichter ...

"...und dann heb ich wat gesecht über die Schiller vonne Stadtteile, Stadtteile as Bardörp – Bergedorf – oder Altona, dat kann man nich´ übersetten."

Bei allen Stadtteilen geht es nämlich eben nicht.

"Dat givt dat ouch."

"Da wollte man aus St.Pauli ´Sünt Paul` machen, Sünt Paul ist, wenn man die beiden Einzelworte nimmt, von der plattdeutschen Sprache her nachvollziehbar, aber ich ich hab´ damals schon gesagt, St.Pauli blievt St.Pauli, nicht nur, weil der Schlager so heißt. Es ist so."

Ortswechsel. Heinrich Meyer, 67, Außenhandelskaufmann.

"Ick bün ´n echten Vierlanner, im Browisch to Welt komm un wohn nu aupm Spieker."

Wohnt in Kirchwerder, Ortsteil Zollenspieker, direkt an der Elbe, Vier- und Marschlande. Exporteur von deutschen Nahrungs- und Genussmitteln. Meyer ist Vorsitzender des "Plattdeutschen Rates" – eine Organisation, die all das in Hamburg koordinieren will, was mit plattdütsch zu tun hat.
Die Idee der Schilder hatte dieser Rat, seit 2003 aktiv.
Der Spieker ist nicht der Deich.

"Zollenspieker."

Zollen ist verzollen. Spieken ist Gucken. Eine alte Zollstation.

"Heit op richtig platt Tollenspieker, ober da secht ooch keiner Tollenspieker, det heit: Ick wohn aupn Spieker."

Was heißt auf platt "Vielen Dank"?

"Besten Dank."

Und verabschieden tut man sich mit ...

"Tschüss. Oder, oder man sacht in plattdütschen denn och ´kiek ma wedder in`, ... aber eigentlich sagt man Tschüss, wie in Hamburch üblich."

Bis es endlich soweit ist mit den Schillern op platt, wird noch eine Weile dauern.
Denn der vom Senat angenommene Antrag muss in die sieben Hamburger Bezirke. Rolf-Dieter Klooß, der Bürgerschaftsabgeordnete der SPD noch einmal:

"Das wird noch ´ne Weile dauern, ... bis das in ... den Fraktionen der Bezirke, Bezirksversammlungen besprochen ist, ... wird es also mindestens ´n halbes, vielleicht ´n dreiviertel Jahr dauern. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass wir ab Ende 2008, Anfang 2009 schon die ersten Schilder haben."

30 bis 50 sollen es dann sein.
Wer sie herstellt, ist noch nicht raus.

"Das ist noch nicht raus, ... und es ist auch nicht raus, wer sie bezahlt."


Werbung für Berlin
Von Jens Rosbach

Ein hübsches Mädchen mit langen Haaren und braunen Augen vor seiner Schule. Es grinst. Kamera läuft.

Imagefilm: "Ich habe ein Verfahren entwickelt, womit man die Schadstoffbelastung an unseren Schulen messen kann. Damit habe ich den Bundespreis Biologie von 'Jugend forscht' nach Berlin geholt."

Schnitt: Ein zugewanderter Kiosk-Besitzer, der von der Berliner Kundschaft schwärmt. Eine Berliner Unternehmerin, die stolz von ihren Exporten berichtet. Ein Berliner Museumschef, der die kulturelle Vielfalt an der Spree beschwört. Schließlich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, ganz ernst, im schwarzen Anzug.

Wowereit: "Du veränderst Berlin! Sei Botschafter für Berlin! Be Berlin! Sei Berlin! Be Berlin! /Be Berlin! Be Berlin! ..."

So das Video zu Berlins neuer Imagekampagne. Produziert im Auftrag der Berlin Partner GmbH, der Marketing-Gesellschaft der Stadt. Pressesprecher Christoph Lang erklärt, dass der PR-Auftritt die Menschen in den Mittelpunkt rücke: Die arme Stadt habe einfach kein anderes Kapital zu bieten.

"Berlin ist ne besondere Stadt, aber sie hat keine besondere Lage, es gibt hier keine Bodenschätze, es gibt hier keinen Hafen – ja was macht Berlin eigentlich aus? Seit es Berlin gibt, machen die Menschen, die nach Berlin kommen, um hier ihr Glück zu versuchen, die Stadt aus."

Die "Glücksritter" sollen mitwerben - als Botschafter der Stadt. So wurden die Berliner aufgefordert, sich kurze Dreiklang-Slogans auszudenken. 2000 Menschen beteiligten sich am Wettbewerb. In der vergangenen Woche wurde der Siegerspruch präsentiert. Er lautet: "Sei einzigartig, sei vielfältig, sei Berlin". Der Spruch, der nun am Roten Rathaus hängt, war allerdings nicht der witzigste.

"Zum Beispiel was leider nicht ganz aufgegangen ist: Sei Europa, sei Meister, sei Berlin. Oder ein Spruch, der mir auch gut gefallen hat, war Sei Wissensdurst, sei Currywurst, sei Berlin."

Die Berliner sollten auch persönliche Geschichten einreichen, die mit der Stadt zu tun haben. Die Resonanz war von unterschiedlicher Qualität: Eine Lehrerin präsentierte ein privates Silvester-Video, ein Chinese einen Text über ein Sozialprojekt, und ein Bio-Supermarkt Werbung in eigener Sache. Die Image-Experten finden das toll.

"Es hat uns selbst überrascht, wie positiv die Berliner ihre Stadt sehen. Bis dahin galt immer der Spruch: Das höchste Lob des Berliners lautet: Da kannste nicht meckern. Berliner waren immer bekannt dafür, dass sie gerne gemeckert und gemault haben. da haben wir ne positive Enttäuschung erlebt – und jetzt wollen wir diese Begeisterung auch nach außen tragen."

Sei träge, sei langweilig, sei Berlin – schimpft dagegen Philip Eggersglüß. Der Geschäftsführer der Ideenagentur Highlifes findet die Image-Kampagne der Stadt ziemlich schlecht – vor allem den Internetauftritt von Be Berlin.

"Man geht auf die Seite von einer der sozusagen 'heißesten' Metropolen weltweit momentan und bekommt da ne Kleinstadtatmosphäre letztendlich auf dieser Seite. Die Kommunikation ist altbackenmäßig und sehr konservativ, genau das, was die Stadt Berlin eigentlich nicht verkörpern möchte."

Die Webseite sei grundsätzlich gut und werde zudem ständig nachgebessert, entgegnen die Verantwortlichen. Kritiker Eggersglüß betrachtet die Kampagne allerdings auch mit besonders skeptischem Blick. Der 27-Jährige hat nämlich zusammen mit fünf weiteren PR-Leuten und Künstlern Klage gegen die Stadt eingereicht. Sie sind überzeugt, dass die Image-Aktion fremde Werbe-Einfälle benutzt.

"Es ist einfach schade, dass die Ideen einfach so dreist geklaut werden und dieses geistige Eigentum nicht den Wert bekommt, den es letztendlich haben soll."

Der Hintergrund: Bei der öffentlichen Ausschreibung der Kampagne im vergangenen Jahr hatten mehrere Agenturen den Slogan Be Berlin eingereicht. Doch nicht alle wurden mit einem Preisgeld bedacht. Andere Künstler hatten zudem den Sei-Berlin-Dreiklang vorgeschlagen – allerdings auf Englisch – und gingen ebenfalls leer aus. Nun wird prozessiert.

"Wir wollen einfach mit dieser Sache ein Zeichen setzen, um zu zeigen: Man kann dagegen vorgehen, man soll dagegen vorgehen und man muss dagegen vorgehen."

Die Berliner Landesregierung weist die Vorwürfe zurück: Viele Kreative hätten nur unvollständige Unterlagen eingereicht – und die habe man nicht berücksichtigen können. Richard Meng, Sprecher des Berliner Senats:

"Also es ist jedem unbenommen, Klage einzureichen. Aber die haben keine Chance, weil das ist alles okay gewesen."

Die Kläger empören sich zudem über einen Image-Berater der Stadt, der die Ausschreibung mit vorbereitet hat. Der Berater sitzt im Aufsichtsrat einer Firma, die nach der Ausschreibung einen Kampagnen-Auftrag bekommen hat. Die Kritiker sprechen von Vetternwirtschaft, die Landesregierung von einer reinen Sach-Entscheidung. Nun landet die gesamte Vergabepraxis vor dem Kadi.

"Es ist ne Klage eingegangen jetzt und die wird vor Gericht geprüft werden. Und alles Weitere ist ne Frage der Juristen."

Die Stadt gibt sich gelassen. Ab dem nächsten Jahr will sie die neue Kampagne nach außen tragen, in andere deutsche Städte und ins Ausland. Christoph Lang von der offiziellen Berlin Partner-Marketinggesellschaft schmückt sich sogar – ganz werbeclever - mit dem anstehenden Gerichtsprozess.

"Das zeugt davon, dass diese Kampagne sehr großes Interesse weckt und alle mitmachen wollen. Wenn es also schon so ist, dass man sich einklagen möchte in diese Kampagne – das kann man ja auch als Kompliment sehen. Denn bei jedem öffentlichen Auftrag gibt es auch immer unterlegene Bieter, die dann das Verfahren anzweifeln. In den allermeisten Fällen ist das gegenstandslos – und so wird das auch bei der Vergabe von Be Berlin sein."


Stuttgart ist kinderfreundlich
Von Uschi Götz

"Als ich das Licht der Welt erblickte, war die spannende Frage: Wohin ich hin geboren worden? Schließlich hätte ich ja auch mitten in der Wüste, im Dschungel oder sonst wo laden können. Aber bin ich nicht. Ich bin in Stuttgart geboren."

Am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Für alle die noch zweifeln, wirklich richtig zu sein, gibt es einen aufwendig produzierten Werbefilm der Stadt Stuttgart. Kinder und Jugendliche erklären potentiellen Neu- Stuttgartern den Reiz ihrer Stadt. Der Stadt; die bereits 2010 den Titel kinderfreundlichste Stadt Deutschlands tragen möchte:

"Jipih ich bin der König von Stuttgart."

Noch vor wenigen Jahren war Stuttgart Wüste, Betreuungswüste – rund 3000 Ganztagesplätze fehlten. Doch nach seiner Wiederwahl ging CDU Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ans Werk. Er holte sich eine Kinderbeauftragte ins Rathaus: Roswitha Wenzl, einst Kulturjournalistin und selbst Mutter von drei Kindern, koordiniert seit ein paar Jahren die familienpolitische Offensive der Stadt:

"Wir haben in den alten Bundesländern, haben wir Tatsächlich im Vergleich zu den neuen Bundesländern. In den letzten Jahren erheblichen Nachholbedarf gehabt. Wir haben aber auch unglaubliches getan, dann in den letzten Jahren."

Die Frau ist ihr Geld wert. Jüngst kam eine Studie des Schweizer Forschungsinstituts Prognos zu dem Ergebnis, die Landeshauptstadt habe in punkto Kinderfreundlichkeit aufgeholt. Mittlerweile stehen tatsächlich mehr Krippenplätze zur Verfügung, aber noch immer sind es viel zu wenige:

"Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Notwendigkeit für viele ihre Kinder wenigstens stundenweise. Auch im ganz kleinen Alter in eine qualifizierte Betreuung zu geben. Das Bedürfnis ist einfach sehr groß und ich möchte behaupten, es ist in den letzten Jahren noch massiv gewachsen."

Wer künftig an Stuttgart denkt, denkt nicht mehr reflexartig an schnelle Autos, an schaffa und Häuslebauen, sondern an Kinderlachen und unbegrenzte Spielmöglichkeiten, jenseits von spießigen Kehrwochen:

"Stuttgart ist eine Sportstadt, auch für uns Kinder. Im Sommer wird auf dieses Parkdeck Sand geschüttet. Das ist dann wie in den Ferien am Strand, auch für unsere Eltern."

Doch Schein und Wirklichkeit klaffen bisweilen weit auseinander.

Testkind Magdalena sieht ihre Geburtsstadt Stuttgart nicht ganz so verklärt:

"Ja, aber das ist mehr für Erwachsene. Na ja das ist halt nur so ein bisschen Strand, also ein bisschen Sand da hingeschmissen und dann ist da noch so eine Bar, da gibt es Cocktails, na ja, toll ist es nicht. Am richtigen Strand ist es besser, viel besser."

Also mehr Schein als Sein? Nein sagt der Hohenheimer Marketing - Markus Voeth:
"Ich glaube, dass nur Slogans und Werbekampagnen ankommen, die auch eine gewisse Substanz haben. Und wenn Stuttgart nicht mit Fakten belegen könnte, dass sie tatsächlich im Bereich der Kinderfreundlichkeit sich zumindest nicht verstecken müssen. Im Gegenteil, an vielen Stellen sich sogar deutschlandweit zur absoluten Spitzengruppe gehören, dann wäre ein solcher Slogan. Auf jeden Fall unglaubwürdig und würde auch der Politik, oder sonst noch irgendeinem abgenommen."

Im "Familienatlas 2007", der die Lebensbedingungen von Land- und Stadtkreisen vergleicht ist Stuttgart gemeinsam mit Dresden, Freiburg im Breisgau, Lübeck, München und Münster als "aufstrebende Region" genannt. Na also. Doch jetzt kommt die eigentliche Hürde und die liegt im Wesen der Schwaben begründet:

"Bevor man nach außen hin glaubwürdig kinderfreundlichste Region oder kinderfreundlichste Stadt sein kann, müssen die Menschen hier vor Ort selber dies erst einmal glauben und das ist eben ein typisch baden- württembergisches, typisch schwäbisches Problem, vielleicht, dass man zu wenig an die eigenen Stärken glaubt. Das wiederum führt dazu, dass man sie auch nicht glaubwürdig nach außen hin beleben
Kann und das kommt außerhalb Baden- Württembergs eben genau so an, dass die Menschen ihre Stärken in dem Feld Kinderfreundlichkeit
gar nicht bewusst nach außen tragen und deshalb wird das in Deutschland auch nicht so wahrgenommen."

Doch die Stuttgarter Kinder sind dabei, es allen zu sagen.

"In Stuttgart wird es uns nicht langweilig … Wir können hier viel unternehmen."

Weil die Schwaben gerne bruddeln, also nörgeln, gibt es natürlich auch im Ländle Kinder, die das alles ganz anders sehen.

"Ja, aber da gibt s jetzt nicht so viele Kinderangebote. Also da gibt es Geschäfte, aber da gibt es auch Kindergeschäfte, aber kein Spielplatz oder so auf der Königsstraße zum Beispiel."

Magdalena hat ein konkretes Anliegen:

"Also, was ich hier schlecht finde, so die Freizeitparks sind immer außerhalb. Es sollte auch mal ein paar Freizeitparks in der Stadt geben."

Ganz klar - ein Fall für die Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart Roswitha Wenzl:

"Ich kann sehr wohl die Bedürfnisse aufnehmen und entsprechend weitergeben, weitergeben nicht dass ich sage, melden sie sich da oder da, sondern, in dem ich durch meine Funktion auch Druck machen kann. Das nutze ich natürlich auch zuweilen aus, weil ich ja auch im Grunde in einer Öffentlichkeit gefragt werde danach und ich werde auch danach gemessen, welche Wirkung erzielt es denn, wenn man sich an eine Kinderbeauftragte wendet. Wird dadurch die Ampel kürzer gestellt? Ist der Fußgängerüberweg verändert worden? Haben wir mehr Sicherheit in der Stadt?"

Laut dem Familienatlas ist noch Potsdam die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands. Wirklich objektiv lässt sich das sicher nicht feststellen. Dennoch findet Marketing Experte Voeth von der Uni Hohenheim entsprechende Slogans einer Stadt nicht verwerflich:

"Wenn es die Zielgruppe eigentlich auch wünscht, dass sie darauf aufmerksam gemacht wird, was hier eigentlich Lebensqualität ist und warum man hier hin ziehen sollte, halte ich es für ethisch nicht nur unbedenklich sondern auch wünschenswert, weil man den Zielgruppen hilft, eine Entscheidung, die nicht leicht ist, nämlich wo man eigentlich in Deutschland leben möchte oder auch international leben möchte, vereinfacht."