Was mir heilig ist

"Architektur soll sich der Gemeinschaft zuwenden"

Neanderthal Museum
Der Architekt Arno Brandlhuber hat das Neanderthal Museum in der Nähe von Mettmann/NRW mitentworfen. © imago/Kraft
Von Arno Brandlhuber · 26.12.2017
Er gehört nicht zu den Architekten, die dauernd mit großen Projekten Furore machen. Arno Brandlhuber baut wenig, aber was er baut, ist stets ein Statement − zur Stadtentwicklung, zur Wohnungskrise oder zur ökologischen Nachhaltigkeit. Wir haben ihn gefragt, was ihm heilig ist.
"Die Frage, was mir heilig ist, fängt schon ganz schwierig an, in so einer profanisierten Lebensumwelt, aber es gibt einen einfachen Zugang: Ich war Ministrant in einem relativ kleinen Ort, Dettingen in Nordbayern, und mir ist erst später klar geworden, warum ich wahrscheinlich Architekt geworden bin, weil es war die erste expressionistische Kirche, so wird sie genannt, expressionistische Kirche von Dominicus Böhm, einem irrsinnig tollen Kirchenbaumeister, ist von 1922/23, und ich glaub, die Prägung hat tatsächlich dazu geführt, dass ich Architekt geworden bin.
Als Ministrant kniet man relativ viel und lässt den Blick schweifen. Was mir ganz klar in Erinnerung ist: Es gab eine Decke, die war aus ungehobelten Holzbrettern gebaut, und zwar nicht das Holz flach verwendet, sondern so immer im 45-Grad-Winkel waren die angebracht, damit die auch gleichzeitig eine Tragwirkung erzeugen. Das habe ich versucht auch nachzubauen, und das Nachbauen dieser Decke war so mein erster Zugang zur Architektur, ohne dass ich das begriffen hätte.
Und insofern ist mir heilig, um dieses Wort in dem Zusammenhang zu benutzen, zu versuchen, Gebäude zu machen, die möglichst danach streben, auch nur halb so gut zu werden wie dieser Dominicus-Böhm-Bau."
Der Architekt Arno Brandlhuber
Der Architekt Arno Brandlhuber © Deutschlandradio / Torben Waleczek

Passion und Hingabe eines Baumeisters

"Ich glaube, dass er sich sehr stark mit religiösen Settings auseinandergesetzt hat, also tatsächlich aus dem Inneren der Liturgie heraus, bis dahin wie Altare ausgerichtet sind, zu welcher Form von Öffentlichkeit, dass man den Pfarrer nicht mehr vom Rücken sieht, sondern dass er sich der Gemeinschaft zuwendet. Und im besten Fall, aber das hat für mich auch Jahre gebraucht, glaube ich, dass Architektur sich eben nicht auf sich selbst bezieht, also auch als Architekt der Gemeinschaft, den Nutzern, nicht den Rücken zuzukehren, sondern sich mit Fragen auseinanderzusetzen: In welcher Gemeinschaft wollen wir eigentlich leben? Und was kann in diesem Zusammenhang Architektur dazu beitragen?
Im Nachgang ist jetzt auch klar, warum er da Beton verwendet hat, warum das lokaler Buntsandstein war, dass die ganze Kirchengemeinde mitgemauert hat, dass es so ein kollektiver Prozess war, und die Einsetzung der Mittel extrem kostengünstig erfolgt ist.
Ein zweiter Punkt, der bei Dominicus Böhm zu unglaublich ist, dass er so passioniert war. Fast schon irrwitzig hingegeben an seine Art, Architektur zu machen. Ich glaube, das wird die schwierigste Aufgabe.
Ich würde auf jeden Fall gerne mal eine katholische Kirche bauen. Es wäre ein allzu großes Vergnügen!"
(Online-Collage: Marietta Schwarz)
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