Was ich Dir noch sagen wollte (7)

"Deine Inspiration ist bis heute da"

Eine Zimmerwand als Abstract Painting mit passend gestrichenem Fahrrad
Edith war eine Freundin, die wahnsinnig inspirierend wirkte: "Dein Erfindertum, wie du Wände gestrichen hast, wie du gebastelt hast, wie du gemalt hast." © Trust "Tru" Katsande / Unsplash
Von Anna · 06.01.2018
Der Altersunterschied zwischen den beiden Frauen war groß, 17 Jahre. Aber Edith war für die Heranwachsende ein Glücksfall, denn von ihr gingen Liebe und Kreativität aus: "Danke für die Erfahrungen, die du mir geschenkt hast."
Liebe Edith, am 2. Dezember wärst du 46 geworden. Aber Deinen letzten Geburtstag haben wir vor acht Jahren gefeiert. Du fehlst mir einfach, weil ich dir supergern von meinem Leben erzählen würde, und ich denke immer an dich. Vor allem, weil es so viele Dinge gibt, die ich so gerne mit dir teilen wollen würde. Zwischen uns war immer ein großer Altersunterschied, 17 Jahre. Damals war ich auch noch ein ganz anderer Mensch, als ich jetzt bin. Das würde ich dir gerne alles erzählen, aber das geht leider nicht. Aber ich glaub', das Wichtigste ist einfach, dass ich weiß, dass ich dich liebʼ und dass du mich liebst und dass ich deinen Sohn lieb', der immer noch da ist. Und ich denke immer sehr viel an dich.
Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich zurückdenke an die Zeit, die wir zusammen hatten. Auch damals, wie du in München studiert hast. Ich bin gekommen. Was du mir alles gezeigt hast! Und auch diese Liebe, die du immer hattest und diese ganze Kreativität, die von dir ausgegangen ist, ist bis heute wahnsinnig inspirierend für mich. Dein Erfindertum, wie du Wände gestrichen hast, wie du gebastelt hast, wie du gemalt hast. Deine ganze Inspiration ist bis heute noch da und auch bei deinem Kind.

Aus unserer Serie "Was ich Dir noch sagen wollte". Hier alle Folgen im Überblick

Ich würd' mich gerne mit dir austauschen über unsere Familie, über unsere Kindheit auch und über unsere Eltern. Und auch gern so ein paar Konflikte, die wir hatten, aus dem Weg schaffen. Das wäre total schön. Ich hab's damals nicht so verstanden, wie du so sauer warst auf meine Mutter, weil sie wie immer ihr typisches Verhalten hatte, dass sie einen ignoriert, wenn man nicht macht, was man will. Du warst so wütend und hast sie geschubst. Damals hab' ich mir gedacht: Wieso schubst du sie überhaupt? Aber mittlerweile kann ich auch die Wut, die du damals hattest ... Die Wut habe ich damals nicht verstanden, weil sie so extrem auf mich gewirkt hat. Aber jetzt sehe ich das anders.
Damals habe ich auch deinen Sohn ins Bett gebracht, und wir haben noch gespielt, und es ist ʼne Stunde später geworden. Du warst sauer und bist hochgekommen und hast gebrüllt, wieso er immer noch nicht im Bett ist. Und da war ich auch sauer auf dich, weil ich mich viel um ihn gekümmert hab' einfach. Deine Wut war für mich einfach nur einseitig und verständnislos. Man hatte einfach einen schönen Abschluss vom Tag, und das hast du so ein bisschen kaputt gemacht durch die Reaktion, die du auch hattest. Ich hab's einfach nicht verstanden damals, und da würd' ich gern mit dir drüber reden.

Ich spüre immer noch Deine Anwesenheit

Und ich würd' dir gern erzählen, was ich alles erlebt hab'. Wie mein Studium gelaufen ist, wie ich meinen Freund getroffen hab', mit dem ich jetzt zusammen bin. Ich würd' dir auch gern erzählen von deinem Hund, der jetzt sieben geworden ist, und damals noch ein Welpe war, als du ihn noch für ein halbes Jahr hattest. Den Hund haben jetzt unsere Eltern und der Hund ist sehr verzogen. Aber ich glaub', das weißt du auch … schläft natürlich auf der Couch und im Bett. So wie du es nicht wolltest. Und er geht auch in die Küche, so wie du es nicht wolltest. Und wenn er Hunger hat, dann bellt er so lang, bis man ihm irgendwas gibt. Also er hat auch unsere Eltern gut konditioniert.
Dem Kili geht's auch gut. Er hat jetzt seine schlimme pubertäre Phase überstanden und wird wieder normal. Er war auch auf meinem 30. Geburtstag und es war sehr schön, dass er da war, es war sehr lustig.
Wenn wir uns heute über die gleichen Themen streiten würden, dann würde ich es, glaube ich, anders sehen, weil ich damals noch gar nicht die Lebenserfahrung hatte, die ich jetzt hab'. Aber ich wäre auch ein guter Kontrahent bei Deinen Argumenten, also so leicht hättest du es nicht. Ich habʼ das Gefühl, dass du manchmal noch da bist, und ich spüre immer noch deine Anwesenheit, ich denke sehr viel an dich. Und das macht dich, glaube ich, auch in meinem Leben lebendig. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder − vielleicht nicht. Aber danke für die Erfahrungen, die du mir geschenkt hast, und für die schönen Erlebnisse, die wir zusammen hatten.

"Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich leb' in euch und geh' durch eure Träume" (Michelangelo)

In dieser Serie sprechen Menschen zu Verstorbenen. Zu ihren Eltern, Geschwistern, Kindern oder Freunden. Sie sagen ihnen die Dinge, die sie ihnen zu Lebzeiten nicht sagen konnten − aus den verschiedensten Gründen.

Die Autorin Margot Litten sprach zunächst Menschen auf Friedhöfen an. Doch schon bald meldeten sich die ersten Hörer, die selbst sehr bewegende Geschichten zu erzählen hatten. Es sind zu einem großen Teil ihre Botschaften, die in dieser Serie zu hören sind.

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