Dienstag, 16. April 2024

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Bildungspolitik
Bildungsrepublik wird von den Ländern gestaltet

Diese Woche wurden die Bildungsmilliarden verteilt: Eine Milliarde geht in Kitas und Krippen, die restlichen fünf in den Bereich Wissenschaft, Schule und Hochschule. Für Sylvia Löhrmann, Schulministerin des Landes NRW, habe das Geld aber nicht die Dimension, die Bildung ausmache, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Länder schulterten den größten Teil, aus Überzeugung.

30.05.2014
    NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann im Landtag.
    NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Kate Maleike: Sechs Milliarden von der Bundesregierung, die in dieser Legislaturperiode zusätzlich in Bildung und Wissenschaft fließen sollen, die waren ein wichtiges Thema in dieser Woche, denn lange hatten sie ja nur als Ankündigung sozusagen im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot gestanden. Nun ist entschieden: Eine Milliarde geht in Kitas und Krippen, die restlichen fünf in den Bereich Wissenschaft, Schule und Hochschule. Und es wurde auch entschieden, dass der Bund ab nächstem Jahr das BAföG ganz allein schultert. Die Länder sind raus und werden, so sagt es Bundesfinanzminister Schäuble, mit 1,17 Milliarden Euro entlastet. Allerdings sollen sie dieses Geld nicht einsparen, sondern wieder in den Bildungsbereich stecken. Sylvia Löhrmann ist am Telefon, die Schulministerin des Landes NRW und amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Guten Tag, Frau Löhrmann!
    Sylvia Löhrmann: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Wie sicher sind Sie sich, dass die Länder das Geld tatsächlich wieder in die Bildung investieren und nicht doch in die Sanierung von Straßen und Brücken?
    Mein Etat besteht aus 15 Milliarden
    Löhrmann: Das Geld fließt ja zunächst erfreulicherweise direkt an die BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger sowohl in Schule, also die älteren Schülerinnen und Schüler als auch die Studierenden. Insofern ist die Sorge ja völlig unbegründet. Und die Summe, die frei wird, die lässt sich ja vergleichsweise gering aus im Verhältnis zu den Etats. Also, wir haben mal überschlagen, im Bereich des Schulministeriums hier bei uns macht das etwa 70 Millionen aus, und mein Etat besteht aus 15 Milliarden. Und wir als Regierung hier in Nordrhein-Westfalen, wir setzen unsere Investitionen in Bildung natürlich offensiv fort, in Kitas, in Schule, in Hochschule und auch in Weiterbildung. Wir wollen es erst mal sehen, das Geld, es muss ja erst mal ins Gesetzblatt kommen.
    Maleike: Heißt definitiv, Sie sagen, das Bildungspaket, das neue, ist eher so ein kleiner Kleckerbetrag?
    Die Länder schultern den Riesenbatzen
    Löhrmann: Es ist angesichts der Vergleichssummen, die ich ja gerade auch genannt habe, ist es natürlich, ist es willkommen, aber es ist nicht die Dimension, die Bildung ausmacht, und da schultern die Länder den Riesenbatzen, den schultern wir ja auch aus Überzeugung. Und wir müssten ja im Grunde über die Verfassungskonstruktion reden, weil Bildung heute viel mehr ist als Schule oder als die Kita selbst. Bildung ist heute Sozialpolitik, Bildung ist Wirtschaftspolitik und Integrationspolitik. Und da bleibt der Bund mit den sechs Milliarden - wie gesagt, wir freuen uns darüber - aber bleibt natürlich weit etwa hinter den Summen, die für die Rente ausgegeben haben, zurück. Oder die jetzt in die Pflege fließen, das ist auch richtig, aber die Bildungsrepublik Deutschland, die wird im Wesentlichen von den Ländern gestaltet.
    Maleike: Wenn Sie die Verfassungssituation ansprechen, dann muss man ja sagen, ist zumindest, was den Wissenschaftsbereich angeht, eine Auflockerung des Kooperationsverbots ja auch nicht entschieden, aber zumindest mal anvisiert. Im Schulbereich soll das nicht der Fall sein. Sie würden sich das da wünschen?
    Sozialpolitischer Dímension von Bildung wieder gerecht werden
    Löhrmann: Ich würde mir das da wünschen, auch unsere Regierung würde sich das wünschen, weil wir zum Beispiel für den Ganztagsausbau eben gerne wieder ein Ganztagsprogramm hätten, wie Rot-Grün das in der Bundesregierung mal aufgelegt hatte. Damit greift der Bund überhaupt nicht in die Schulstrukturen oder die Schulgesetze ein, würde aber auch wieder der sozialpolitischen Dimension von Bildung gerecht werden. Oder aber wir würden uns wünschen, dass das Bildungs- und Teilhabepaket mit den Schulsozialarbeitern wieder fortgesetzt würde und nicht auslaufen würde auf Bundesebene. Da ist noch eine Menge zu tun, und da ist auch noch eine Menge zu sprechen, weil sich ja bisher nur die große Koalition geeinigt hat und die Länder ja jetzt erst einbezogen werden sollen in die Frage, was ist mit dem Kooperationsverbot? Ich würde es mir auch für den Schulbereich gelockert wünschen, weil der Bund hier auch in der Verantwortung bei den sozialen Fragen ist.
    Maleike: Sehen Sie denn da noch ein Türchen?
    Löhrmann: Eine Verfassungsänderung braucht Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Bisher waren die für keine der Varianten gegeben. Jetzt unternimmt der Bund einen neuen Vorstoß, und dann muss gesprochen werden, und dann werden wir schauen, was drin ist und was nicht drin ist.
    Maleike: Frau Löhrmann, wie werden Sie denn die freiwerdenden Bafög-Gelder in Nordrhein-Westfalen einsetzen?
    Riesenmammutaufgabe ist die Inklusion
    Löhrmann: Wir werden ja jetzt erst mal abwarten, wann die im Bundesgesetzblatt steht, und dann werden wir das als Regierung hier in Nordrhein-Westfalen natürlich besprechen, weil wir sowieso bestimmte Ausbauziele haben, und weil wir natürlich auch immer wieder schauen müssen, wo droht, dass etwas eingespart werden muss auf Länderseite, und das wollen wir natürlich nach Kräften vermeiden, und das werden wir in der Regierung vernünftig erörtern.
    Maleike: Eine Riesenmammutaufgabe ist ja die Inklusion als gesellschaftliches Ziel, so wird es ja von allen immer genannt. Sie hatten in Ihrer Eigenschaft als Kultusministerpräsidentin in diesem Jahr auch die Bitte an den Bund gewendet, bei der Inklusion zu helfen, da vielleicht auch eben noch Gelder locker zu machen. Da scheint jetzt gar nichts zu kommen, oder?
    Löhrmann: Da ist zumindest bisher nichts formuliert auf Bundesebene, und das ist in der Tat eine wichtige Baustelle, und zwar ist es besonders spannend an der Frage, wo hat der Bund gesetzlich ja Auflagen gemacht und Vorgaben gemacht, nämlich bei den sogenannten Integrationshelfer, auf die die Kinder in der Förderschule und in der allgemeinen Schule einen Anspruch haben, wenn sie besonders begleitet werden müssen. Das steht im Sozialgesetzbuch, das steht gar nicht in den Schulgesetzen der Länder. Und hier würde ich mir eigentlich wünschen, dass die Formel, wer bestellt, bezahlt, nämlich der Bund hat die Musik bestellt, dann sollte er sie auch bezahlen. Und das gehört aus meiner Sicht auf die Tagesordnung, wenn wir jetzt über Verfassungsänderungen sprechen, ob der Bund hier nicht auch in die Verantwortung geht.
    Maleike: Die Einschätzung von Sylvia Löhrmann, der Schulministerin aus Nordrhein-Westfalen, zu den Geldern, die die Bundesregierung zusätzlich in den Bereich Wissenschaft und Bildung stecken will. Und es wird weiter gesprochen. Danke für das Gespräch an dieser Stelle, Frau Löhrmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.