Wallraff kritisiert Prozess gegen Menschenrechtler in Türkei

30.07.2013
In Istanbul beginnt morgen der zweite Strafprozess gegen den deutsch-türkischen Menschenrechtler und Schriftsteller Dogan Akhanli. Das Verfahren wegen Raubmordes sei politisch motiviert, meint der Journalist Günter Wallraff, der als Prozessbeobachter vor Ort ist.
Dogan Akhanli, der als Kritiker des Völkermords an den Armeniern bekannt ist, war 2011 vom Vorwurf eines bewaffneten terroristischen Raubüberfalls im Jahr 1989 freigesprochen worden. Im Februar dieses Jahres wurde der Freispruch aufgehoben - weshalb es nun zur Neuverhandlung kommt.

In dem anstehenden Verfahren würden allerdings "keine neuen Beweise oder irgendwelche Zeugen hervorgezaubert", die Akhanli zusätzlich belasten würden, sagt Wallraff. "Seine Unschuld steht einwandfrei fest." Selbst die Kinder der Opfer hätten erklärt, "dass sie ihn nie identifiziert hätten und nie in den Zusammenhang gebracht hätten."

"Versuch, einen politisch aktiven Studenten mundtot zu machen"
Die Vorwürfe gegen Akhanli hält Wallraff für unhaltbar. Der ganze Prozess sei von Beginn an ein Versuch gewesen, "einen unliebsamen, damals politisch aktiven, aber nicht terroristisch aktiven Studenten mundtot zu machen", sagt Wallraff. Dass Akhanli noch heute angefeindet werden, liege an seiner öffentlichen Kritik an dem türkischen Völkermord an den Armeniern. Auch einer zunehmenden Islamisierung in der Türkei, "die hier als Staatsdoktrin verordnet wird", stelle sich Akhanli entgegen.

Wer den Schriftsteller kenne, wisse, dass er "absolut gewaltfrei" handele. Er sei "ein sanfter Mensch, der nie eine Waffe in die Hand nehmen würde, nie jemanden bedroht, im Gegenteil", sagt Wallraff. Seine ganze Arbeit sei "auf Versöhnung" ausgerichtet. "Solche Menschen würden in der Türkei gebraucht, aber das möchte man gerade verhindern."

Wallraff betonte, dass Dogan Akhanli deutscher Staatsbürger sei und "seine Verdienste auch in Deutschland" unter Beweis gestellt habe. "Hier wäre unser Außenminister gefordert, sich für ihn einzusetzen - und zwar auch öffentlich. Und das vermisse ich."
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