Waldkunstpfad in Darmstadt

Kunst Open Air genießen in Coronazeiten

04:28 Minuten
Holzhäuser hängen am Rande des Waldkunstpfads in den Bäumen.
Auf dem Waldkunstpfad bei der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt kann man auch in Zeiten von Corona noch frische Luft schnappen. © Ludger Fittkau
Von Ludger Fittkau · 22.03.2020
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Wer sich angesichts der Einschränkungen wegen des Coronavirus nach Kunst und frischer Luft sehnt, wird in Darmstadt fündig: An der Künstlerkolonie Mathildenhöhe und dem Waldkunstpfad in der Nähe trifft man derzeit vereinzelt Menschen – und verfallene Skulpturen.
Künstlerkolonie Mathildenhöhe, am Ostrand von Darmstadt – noch bevor in Süddeutschland die ersten Ausgangssperren verhängt wurden. Hier ist die südhessische Stadt bald zu Ende, die ersten sanften Ausläufer des Odenwaldes sind fast schon mit den Händen zu greifen. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstand hier eine Jugendstil-Künstlerkolonie, die womöglich in diesem Sommer zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wird. Zumindest hatte die Kulturorganisation der UNO vor der Virus-Pandemie geplant, im August über den Antrag aus Deutschland zu entscheiden.

Menschen im Freien möchten unerkannt bleiben

Warum sich Menschen hier auch in Zeiten von Corona aufhalten? "Für mich ist es tatsächlich, einfach eine schöne Mittagspause hier zu verbringen. Dass ist mit einer der schönsten Orte in Darmstadt", sagt eine Darmstädter Bürgerin, die ihren Namen nicht nennen will.
Auf einer Bank neben der Russischen Kapelle, die einst für die mit den Darmstädter Adeligen verwandte Zaren-Familie gebaut wurde, sitzen ein Mann und eine Frau. Auch dieses Paar möchte ungenannt bleiben – ist das schon Scham, wenn man es liebt, in Corona-Zeiten draußen zu sein? Der Mann lebt in Heidelberg, die Frau ist vor einem halben Jahr aus dem Iran nach Deutschland gekommen.
Beide genießen die Atmosphäre der Künstlerkolonie – aber fragen mich auch sehr schnell, ob ich auch über Corona berichte. Ihre Familie in Teheran sei gesund, niemand habe das Virus, doch viele Nachbarn seien betroffen, betont die Frau: "Es ist ganz gefährlich, für alle Leute im Iran, und sie müssen zu Hause bleiben."
Der Mann sagt: "Übers Internet sieht man Bilder aus den Krankenhäusern. Es gibt wirklich Aufrufe von Ärzten und von Krankenschwestern, die in Tränen und in Panik die Leute aufrufen, nicht rauszugehen." In zwei Wochen stehe das persische Neujahr bevor. Das bedeute: "Traditionell 13 Tage Familienfeste, Austausch, enges Zusammenkommen – vorher auf die Märkte rennen, all diese Dinge, die man jetzt nicht haben möchte." Es sei sehr schwer zu handhaben dort und leider gebe es schon sehr viele Opfer.
Die weltweite Corona-Krise ist das Thema, wo sich Menschen vereinzelt noch begegnen.

Fliegenpilz-Skulptur zum Drauflegen

Wer Kunst und richtige Einsamkeit sucht, muss tiefer in den Wald hinein wandern. Auch in Zeiten von Ausgangsperren wird hier wohl körperliche Bewegung noch erlaubt sein, wenn man Abstand hält. Ein paar Kilometer südlich der Künstlerkolonie Mathildenhöhe gibt es seit knapp zwei Jahrzehnten den sogenannten Waldkunstpfad. Entstanden ist er durch Kunst-Biennalen in diesem hügeligen Waldstück am Rande Darmstadts unter Beteiligung internationaler Künstlerinnen und Künstler. Die Skulpturen und Installationen sind meist aus Hölzern und Steinen, die die Forstverwaltung zur Verfügung gestellt hat.
Bild einer hölzernen U-Boot-Skulptur, die aus dem Waldboden ragt.
An manchen Stellen des Pfades ist keine Kunst mehr zu sehen, nur noch Schilder.© Ludger Fittkau
Ich schaue mir nochmal die rund 30 Kunstwerke an, die überdauert haben und zum Teil inzwischen von Brombeeren überwuchert sind: Ein Holzhaus hängt unzugänglich in der Luft zwischen zwei Bäumen, um einen Baumstumpf herum ist aus Holz ein überdimensionaler Fliegenpilz entstanden. Der Pilz-Hut steckt aber umgedreht im Waldboden, so dass man sich gut auf dem Pilz austrecken kann.

Corona hat auch den Waldkunstpfad eingeholt

An manchen Stellen gibt es nur noch Schilder – aber keine Kunst mehr zu sehen. Zum Beispiel ein Schild, das auf das Kunstwerk "Standortbestimmung", Wald-U-Boot 2004, hinweist. Das war eines der spektakulärsten Objekte auf dem Waldkunstpfad: Ein ziemlich großes hölzernes U-Boot, das aus dem Waldboden quasi emporstieg wie aus dem Meer. Und die Ironie dieses U-Bootes – etwa fünf Meter lang und der U-Boot-Turm zwei Meter hoch – kommt deswegen zustande, weil im Hintergrund eine alte amerikanische Kaserne stand. Die wird gerade abgerissen, aber sie war noch lange in Betrieb bis etwa 2002/2003. Und dieses Wald-U-Boot von Roger Rigorth kommt hier direkt vor der Kaserne aus dem Waldboden. Eine recht ironische Kommentierung der US-Präsenz und des Militärischen hier im Wald. Es war ein sehr spektakuläres Objekt, das auch sehr beliebt war.
Es soll deswegen nun wohl auch wieder aufgebaut werden. Auch auf dem Waldkunstpfad sind noch an mehreren Stellen Menschen unterwegs: Eltern mit Kinderwagen, Hundehalter, Jogger oder Mountainbikerinnen. Doch es gibt menschenleere Abschnitte.
Am Beginn des Pfades steht eine Infotafel mit Presseartikeln über vergangene Kunstkationen im Wald. Darunter ist auch eine Pressemitteilung aus dem März 2020: "Der Waldkunstpfad sagt einen Filmabend ab. Wegen der Corona-Pandemie wird der Rückblick auf den internationalen Waldkunstpfad 2018 verschoben." Die Corona-Pandemie hat auch den Waldkunstpfad bereits eingeholt.
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