Wahnsinn als Teil des Alltags

22.05.2008
Ein Hochsicherheitsgefängnis bei Las Vegas: Ein Arzt verhört Jane Charlotte, die sich als Mörderin bekennt. Sie erklärt, einer Geheimorganisation anzugehören, die das Böse bekämpfen will. Doch bald stellt sich heraus, dass es die meisten Morde gar nicht gegeben hat. Matt Ruff will in seinem vierten Roman zeigen, wie Wahrnehmung eine Welt hervorbringt.
Dass Kunst und Wahnsinn viel gemeinsam haben und die Grenzen oft fließend sind, ist ein Allgemeinplatz. Wie der amerikanische Schriftsteller Matt Ruff dieses Feld zu seinem künstlerischen Projekt gemacht hat, überrascht allerdings trotzdem. Nicht nur die Konsequenz, mit der er es tut, sondern auch die Art und Weise: mit Phantasie, Ernsthaftigkeit und Humor.

Vor allem aber erstaunt, wie Matt Ruff den Wahnsinn zu einem Mittel der Erkenntnis macht. Ob es die multiple Persönlichkeit der beiden Protagonisten seines letzten Romans "Ich und die anderen" war, oder ob es die paranoide Mörderin seines neuen Romans "Bad Monkeys" ist. Nicht der Schauer des Außergewöhnlichen interessiert Ruff, ihm geht es um das Gegenteil: den Wahnsinn als Teil des Alltags.

Was sich erst einmal merkwürdig anhört, wenn es um "Bad Monkeys" geht. Spielt das Buch doch im psychiatrischen Trakt eines Hochsicherheitsgefängnisses in der Nähe von Las Vegas. Hier verhört ein Arzt Jane Charlotte, eine Frau Mitte Dreißig, die gar nicht leugnet, gemordet zu haben. Im Gegenteil: Sie gehöre, so erklärt sie, einer Geheimorganisation an, die sich zum Ziel gesetzt habe, das Böse in der Welt zu bekämpfen. In dieser sei sie Teil der "Abteilung für die finale Ausschaltung nicht zu rettender Personen" gewesen. Dann erzählt sie die Geschichte ihrer Anwerbung sowie diverser Bestrafungsaktionen. Ein ausführliches Geständnis.

Schon bald stellt sich allerdings heraus, dass es die meisten der gestandenen Morde gar nicht gegeben hat, sondern dass andere Menschen zu Schaden gekommen sind. Und langsam taucht hinter Jane Charlottes Erzählung ein Subtext auf, der eine ganz andere Geschichte erzählt. Diese beginnt mit dem Verschwinden ihres Bruders, der entführt wird, als Jane Charlotte noch ein Teenager ist und eigentlich auf ihn hätte aufpassen sollen.

"Bad Monkeys" ist ein Monologroman. Ab und zu wirft der behandelnde Arzt ein paar Sätze ein, im Grunde spricht aber nur Jane Charlotte - die einen in ihren Bann zu ziehen vermag, vor allem weil sie weiß, dass viele Dinge in ihrer Geschichte nicht zusammenpassen, die aber in dem festen Glauben an ihre Paranoia jeden Widerspruch stehenzulassen und anzuerkennen vermag.

"Bad Monkeys" ist Matt Ruffs vierter Roman. Ganz ähnlich wie Michael Chabon oder Jonathan Lethem ist Ruff einer der jungen amerikanischen Schrifsteller, die zum einen bei den großen Autoren der amerikanischen Hochmoderne wie Thomas Pynchon oder der Science Fiction Literatur wie Philip K. Dick gelernt haben. Der zum anderen aber tief in der amerikanischen Pop-Kultur verankert ist.

Ohne Mystery-Serien und Massenmörderthriller ist ein Buch wie "Bad Monkeys" nicht denkbar - allerdings geht es in diesen Referenzen nicht auf. Denn jenseits von Filmen, Comics und Mythen des Alltags geht es Ruff auch in "Bad Monkeys" um das vornehmste Thema, dem sich ein Schriftsteller widmen kann: zu zeigen, wie die Wahrnehmung eine Welt hervorbringt. Und wie sich auf der anderen Seite in dieser Welt all die Gründe dafür zeigen, dass sich diese Wahrnehmung so sehr verrückt hat.

Rezensiert von Tobias Rapp

Matt Ruff: Bad Monkeys
Aus dem Amerikanischen von Giovanni und Ditte Bandini
Hanser Verlag, München 2008
254 Seiten, 19,80 Euro