Wahlkampf in Bayern

Neue Frauen hat das Land!

Die Spitzenkandidatin der SPD in Bayern, Natasha Kohnen sitzt neben der Spitzenkanidatin der Grünen, Katharina Schulze.
Arbeiten zusammen an einer CSU-Niederlage: Die Spitzenkandidatin der SPD in Bayern, Natasha Kohnen (l.) und die Spitzenkanidatin der Grünen, Katharina Schulze © Sachelle Babbar/ imago
Von Susanne Lettenbauer · 09.10.2018
In Bayern treten die Spitzenkandidatinnen von Grünen und SPD gemeinsam auf. Sie haben zwar unterschiedliche Botschaften und doch ein Ziel: Die Vorherrschaft der CSU beenden.
Die Stimme von Katharina Schulze tost über den Münchner Odeonsplatz. "Hallo München! 14.000 Menschen. Ihr seht ganz wunderbar aus", ruft die Spitzenkandidatin der Grünen. Jubel brandet auf. Fast reißt Schulze dem Moderator das Mikrofon aus der Hand, man kann ihre Rede bis in die letzten Reihen hören.
Korrekte Wortstellung? – Egal, Hauptsache die message kommt an: "Unser Land scheint gespalten zu sein wie schon lange nicht mehr. Deswegen gehen wir auf die Straße, weil wir wollen eine Politik, die Brücken baut und nicht eine Politik, die ständig Brücken abreißt."

Aus der WG-Küche in den Landtag

An diesem frühen Nachmittag kippt Schulzes Stimme nicht ein einziges Mal. Sie ist routiniert, hat schon viele Wahlkämpfe bestritten und begleitet. Im Jahr 2008 unterstützte sie in den USA das Team des damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama. Damals war sie gerade 23 Jahre alt. Zurück in München zog sie in eine WG mit der Vorsitzenden der Münchner Grünen, die sollte sie 2013 ablösen.
Als Schulze im selben Jahr in den bayerischen Landtag gewählt wurde, kam das für viele überraschend. Die junge Politikerin redet viel und schnell und sie meint, was sie sagt. Das habe aber nichts mit einem Welpenstatus zu tun, sagt sie. "Also ich bin jetzt ja auch schon 33 und fühle mich an manchen Tagen überhaupt nicht mehr jung und ich finde, dass Alter nicht die Kategorie sein darf, ob jemand etwas gut oder schlecht macht."

Die Spitzenkandidatinnen der Grünen und SPD auf einer Bühne

An diesem Nachmittag auf der Bühne vor der Feldherrenhalle steht neben Schulze die Spitzenkandidatin der SPD, Natascha Kohnen. Beide werben um die Stimmen der Wähler. Kohnen wirkt an diesem Tag bereits etwas angeschlagen, aber: Es gilt. Sie flüchtet sich kämpferisch in Wahlkampfloskeln: "Hallo liebe Leute, wir sind nicht nur München, wir sind Bayern, Bayern ist bunt, Bayern ist vielfältig, Bayern ist tolerant und Bayern ist in Bewegung."
Gerade kommt die Sozialdemokratin von einem Morgentermin im CSU-dominierten Schwaben, am Tag zuvor stand Hof auf dem Programm, davor Fürth und Nürnberg, die SPD-Hochburgen.
Am Morgen also Augsburg, Kälberhalle. Dort wo CSU-Spitzenkandidat Markus Söder kurz zuvor geredet hat, unerschütterlich, von sich selbst überzeugt wie immer. Was der Söder macht? Ihr doch egal, sagt sie. Jeden Tag mindestens ein Wahlkampftermin in den vergangenen Wochen – Natascha Kohnen kämpft unermüdlich, auch wenn ihre Partei von einstmals 20 Prozent immer weiter absackt auf derzeit 12 Prozent: "Ich bin Jahrgang 1967, wir haben alles geschenkt bekommen, von der Demokratie bis zur europäischen Einheit und wir dachten immer, das ist selbstverständlich, ich habe gedacht, das müssen wir nur noch ausgestalten, die Furche tiefer machen. Von wegen."

"Ich warte nicht auf den Ritter in der schimmernden Rüstung"

Dieser Rechtsruck in Europa, dagegen müsse man angehen, sagen Bayerns Spitzenkandidatinnen unisono. "Ein Motto von mir ist ja: Du kriegst die Welt nicht besser gemeckert, du musst sie besser machen", sagt Katharina Schulze. "Das ist schon der Antrieb von mir, dass ich einfach, wenn ich sehe, dass wo was nicht gut läuft, da braucht man nicht auf den Ritter in der schimmernden Rüstung warten – oder auf die CSU brauchst du dich auch nicht verlassen – das musste schon selber machen."
Erstaunlich diese Energie, die Bayerns jüngste Spitzenkandidatin aller Zeiten da aufbringt – bei der Demo gegen das neue Polizeiaufgabengesetz, gegen den Kreuzerlass, gegen die bayerische Grenzpolizei, gegen den Lehrermangel, den Pflegenotstand und überhaupt gegen die bayerische Politik der Noch-Mehrheitsregierung der CSU. Nicht immer so faktenfest wie ihre SPD-Kollegin Natascha Kohnen, die früher in der Kommunalpolitik die Felder Familienpolitik und Wohnungsbau beackert hat.

Am Rande der Demo kurz ein Social-Media-Video filmen

Katha Schulze, wie sie sich selbstverständlich nennt und in social medias nennen lässt, schert sich nicht um political correctness. Ihr erster Weg als junge Landtagsabgeordnete ging zur Polizei; kumpelhafter Kontakt zu den Beamten. Und das bei den Grünen? "Ich verweigere mich jeglicher Stereotypisierung. Ich finde das ganz furchtbar", sagt Schulze. "Ich glaube, Stereotype gehören aufgebrochen, weil in der heutigen Zeit gibt es nicht nur schwarz und weiß, das allermeiste ist grau und deshalb kann ich ganz prima auf eine Antinazidemo gehen und gleichzeitig für eine bessere Ausstattung der Polizei kämpfen, das ist überhaupt kein Problem, ja, genau."
Kurz die Frisur gerichtet, ein riesiges Lächeln in die Kamera ihres Social-Media-Mitarbeiters und schon ist am Rande der Münchner Demo ein 20-Sekunden-Spot im Kasten, abrufbar auf Twitter, Facebook, auf ihrem eigenen Youtube-Kanal. Transparenter geht nicht.
Über ihre Social-Media-Aktivitäten sagt Schulze: "Der erste Punkt: Ich war schon bei Social Media als ich noch nicht im Landtag war, also für mich gehört das dazu, dass ich mich auch über Social Media informiere, Kontakt halte, genau. Der andere Punkt ist: Als ich in den Landtag gewählt wurde habe ich relativ schnell gemerkt, dass viele Leute gar nicht wissen, was macht die denn da in diesem Parlament und dann habe ich mir gedacht meine Aufgabe ist es, Transparenz zu zeigen und deutlich zu machen, für was ich kämpfe, für was ich eintrete, warum ich mich bei der einen Sache so entschieden habe und bei der anderen so. In der heutigen Zeit reicht es einfach nicht, wenn ich nur eine Pressemitteilung raushaue und hoffe, Gott und die Welt hat sie jetzt gelesen. Das ist halt so nicht mehr, das heißt, Du musst die verschiedenen Kanäle bespielen und da gehört eben Social Media mit dazu, mit ins portfolio um es mal so zu nennen.

Schulzes Botschaft: "Grün Pur"

Nur ganz selten verfällt Bayerns Grünenhoffnung in den typischen Politikersprech, Floskeln sind ihre Sache nicht, das macht sie so ehrlich und überzeugend. Bringt aber auch Spott vor allem in den sozialen Medien ein: Unreif, naiv lauten da die netteren Vorwürfe. Doch damit kann sie gut umgehen, die Daenerys Targaryen Bayerns. Klar sei sie ein absoluter Fan von Game of Thrones. Die "Mutter der Drachen, Sprengerin der Ketten". Passt irgendwie.
Sie will ja Verantwortung übernehmen und nicht, so einer ihrer Sprüche, der gut ankommt, "in Schönheit am Spielfeldrand sterben": "Ich bin ganz klar in den Wahlkampf gezogen mit der message 'Grün pur'. Wir kämpfen für uns, für unsere Themen, wir machen deutlich, dass wir Veränderungen brauchen im Land, wir machen auch deutlich, wie wir das erreichen wollen und dann lassen wir die Wählerinnen und Wähler sprechen. Und natürlich bin ich auch bereit Verantwortung zu übernehmen, ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um in Schönheit am Spielfeldrand zu sterben, sondern natürlich auch um dieses Land zu gestalten."

Wahlkampf in Zeiten sinkender Umfragewerte

Während Bayerns grünes Küken sich die Verantwortung mit ihrer Doppelspitze Ludwig Hartmann teilt, rennt Natascha Kohnen allein durch Bayern, die Jusos helfen zwar, aber ihr Gesicht klebt auf den Plakaten. Und die Umfragewerte sinken, trotz allem. Dazu der Vizeparteivorsitz in Berlin. Als erstes eckte sie dort mit der Vorsitzenden Andrea Nahles an. Die Bayern-SPD habe eben ein eigenes Profil. So sei sie nun mal, erklärt Kohnen etwas atemlos. Sie werde aber nie nach Berlin gehen. Bayern sei ihr Land, dafür kämpfe sie: "Wenn mich jemand nach unserem politischen Programm fragt, was wir wollen für unser Land, dann ist es Zusammenhalt. Wir brauchen Zusammenhalt, wenn wir in die Zukunft gehen wollen und dafür wollen wir sorge. Und ich bin wild entschlossen, glauben sie es mir."
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