Wahlkampf im Braunkohlerevier

Energiewende freut die Lausitzer nicht

07:37 Minuten
Ein Schaufelradbagger steht im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Dahinter steigt Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Schwarze Pumpe.
Braunkohletagebau der LEAG und das Kraftwerk Schwarze Pumpe: Viele Menschen, die hier arbeiten, sind gegen den Kohleausstieg. © picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
Von Vanja Budde · 22.08.2019
Audio herunterladen
In der Lausitz herrscht Frust. Viele sind gegen den Kohleausstieg, trotz Klimakrise – zu abhängig ist die Region noch von der Braunkohleindustrie. Umweltministerin Svenja Schulze hat es schwer, die Menschen hier von ihrer Politik zu überzeugen.
Dieser Termin auf ihrer Sommerreise durch die Lausitz wird für SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze wenig erbaulich: Am Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe erwarten sie Hunderte Mitarbeiter des Betreibers LEAG. Sie stehen am Straßenrand und drehen der Ministerin den Rücken zu.
Betriebsratsvorsitzender Uwe Teubner hat einen Redezettel und ein Megafon mitgebracht: "Wir erwarten von Dir als Bundesministerin und von der Bundesregierung: Wort halten!"
Die Kumpel fürchten um die soziale Flankierung des Kohleausstiegs: Zwar sollen als Beihilfe für den Strukturwandel Steuermittel in Höhe von 40 Milliarden Euro in die Reviere fließen, knapp die Hälfte davon in die Lausitz. Doch die Bundesregierung hat den Kompromiss der Kohlekommission noch nicht in ein Gesetz gegossen.
"Im Moment sind das alles Ankündigungen, wir haben nichts", sagt Teubner.
"Das Wirtschaftsministerium ist unterwegs, um Vereinbarungen abzuschließen, dass die Kraftwerke abgeschaltet werden. Und wir haben noch kein Gesetz, keine Absicherung, das läuft alles parallel. Die große Sorge ist, dass wir wieder hinten runterfallen, wäre nicht das erste Mal. Und daher kommt die Unsicherheit in der Belegschaft."
Umweltministerin Schulze wird vor dem Braunkohle-Kraftwerk "Schwarze Pumpe" von Demonstranten mit einem Plakat "Wenn die Kohle geht, sterben alle Dörfer" empfangen.
Auf ihrer Sommerreise durch Brandenburg wird Umweltministerin Svenja Schulze vor dem Kraftwerk Schwarze Pumpe eher frostig empfangen. © picture alliance/Soeren Stache/dpa
Nach der Wende ist hier ein Dutzend DDR-Tagebaue teils über Nacht dicht gemacht worden, Zehntausende verloren ihre Existenz. Die Menschen haben Angst, dass sich das nun wiederholt.

Versprechen gegen Existenzängste

Svenja Schulze greift sich das Megafon, versichert den Demonstranten, dass in Berlin daran gearbeitet werde, den Kompromiss der Kohlekommission umzusetzen:
"Ich stehe als Umweltministerin dafür, dass wir aus der Kohle aussteigen, weil wir auch für die nächsten Generationen hier noch was übrigbehalten müssen und unsere Umwelt verträgt einfach nicht mehr CO2. Ich stehe aber auch dazu, dass dieser Kompromiss, den wir gefunden haben, umgesetzt wird. Weil, das ist vollkommen klar: Es soll hier auch zukünftig gute Arbeitsplätze geben, Arbeitsplätze mit gewerkschaftlicher Absicherung, und Arbeitsplätze, die gut bezahlt sind. Dafür setzen wir uns ein und da hat die Bundesregierung versprochen, unter die Arme zu greifen und der Region hier auch langfristig zu helfen."
Kann Schulze mit dieser Ansprache die Demonstranten überzeugen? "Na ja – mehr oder weniger…", sagt eine Frau.

Junge Lausitzer und die Braunkohle

Unter den Demonstranten sind auch Auszubildende. Sie haben trotz der Klimapolitik beim Braunkohlebetreiber angeheuert. 40 Milliarden für einen Ausstieg, der ein paar Jahre früher kommt, als ohnehin geplant: Ein Deal, den SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke in Berlin ausgehandelt hat. Fast verzweifelt beschwört Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach, ebenfalls SPD, die jungen Leute: Sie mögen doch bitte den Strukturwandel als riesengroße Chance begreifen.
Aber auch junge Lausitzer sehen das anders. Mark Burghardt zum Beispiel, 19 Jahre alt, er lernt bei der LEAG IT-Systemelektroniker, ist mit der Ausbildung fast fertig und würde gerne weiter in der Braunkohleindustrie arbeiten:
"Und wenn die Kohle raus ist, dann fehlen halt Zigtausende Jobs, die gut bezahlt werden. Mindestlohn reicht einfach nicht mehr, also unter 12 Euro Stundenlohn ist einfach viel zu wenig. Das kann man alles gar nicht mehr so richtig bezahlen. Und 40 Milliarden hört sich am Anfang erst mal viel an, aber die ganze Lausitz oder jetzt auch das Ruhrgebiet, das reicht mit 40 Milliarden nicht mehr auszugleichen. Da fehlen einfach die Jobs, die guten Berufe, große Firmen auf jeden Fall, die ja in die Lausitz überhaupt gar nicht reinkommen wollen, weil es einfach keine Autobahnanbindung gibt, keinen Flughafen, sonst was. Die Infrastruktur fehlt halt einfach komplett."

Klimakrise? "CO2 ist eine Lüge!"

Ein paar Meter entfernt steht Lothar Hopka, Vorsitzender eines örtlichen Heimatvereins, mit Kollegen, seinem kleinen Enkel und einem schwarz-rot-goldenen Band um den Hut. Als die Umweltministerin an ihm vorbei geht, ergreift Hopka die Gelegenheit: "Wir sind nicht einverstanden mit Ihrer Politik! Die CO2-Politik, die Sie einführen wollen, die CO2-Steuer."
"Die CO2-Lüge", sagt jemand.
"Das macht Deutschland fertig", so Hopka weiter. "Das bringt Deutschland an den Rand des Existenzminimums."
Svenja Schulze, Ministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, und Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (rechts, beide SPD) werden vor dem Braunkohle-Kraftwerk "Schwarze Pumpe" von Helmar Rendez (links), Vorstandsvorsitzender der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG), und von Demonstranten in orangenen Westen mit der Aufschrift "Black out Lausitz Nicht auf unseren Rücken" empfangen.
Die Demonstranten zeigen Umweltministerin Svenja Schulze mit ihren Westen, dass sie mit dem Kohlekompromiss nicht einverstanden sind. © picture alliance/Soeren Stache/dpa
Die Umweltministerin versucht gegen zu halten, dringt aber nicht durch. Hopka ist sich sicher: Die Klimakrise gibt es nicht, alles eine Erfindung von Lobbyisten. Er ruft:
"Wir leben alle von der Kohle, unsere Kinder, unsere Enkel haben bisher, unsere Omas, Opas von der Kohle gelebt und wir sollen jetzt hier aussteigen aus der Kohle! Wir halten das für völlig übertrieben und falsch.
Mein Enkel hat Angst, dass sein Vater, seine Mutter hier die Arbeit verlieren. Die sind 40 Jahre, die machen sich Sorgen, haben ein Haus gebaut. Und dass wir hier die Kohle zumachen, einen Schatz, der in der Erde liegt, den sollen wir liegen lassen! Das macht kein anderes Land. Die ganze Welt lacht über Deutschland und über Ihre Politik."
"CO2 ist eine Lüge! Das ist wissenschaftlich bewiesen!" ruft jemand anderes. Schulze gibt auf und geht.

Stimmen für die AfD

Auch die AfD leugnet die Klimakrise, ist hier in der Lausitz damit erfolgreich, vereinigt in Umfragen ein Drittel der Stimmen auf sich. Lothar Hopka überrascht das nicht:
"Ich bedauere es, dass AfD gewählt wird in dem Maße, aber ich kann es verstehen. Ich verstehe die Menschen, dass sie einfach sauer sind, dass sie einfach ihre Arbeit hier verlieren, dass sie Angst haben müssen vor der Zukunft."
"Weil nur Halbwahrheiten verbreitet werden und die SPD nannte sich früher mal eine Arbeiterpartei. Diese Arbeiterpartei gibt’s schon lange nicht mehr."

Grundsteinlegung der "Big Battery"

Eigentlich ist die Bundesumweltministerin ins Kraftwerk Schwarze Pumpe gekommen, um bei einem weiteren Schritt in Richtung Zukunft der Energieversorgung dabei zu sein: Ausgerechnet der Betreiber LEAG baut hier einen riesigen Batteriespeicher, der neben Strom aus Braunkohle auch Energie aus Erneuerbaren vorhalten soll.
"In Anlehnung an einen berühmten Satz, der vor fast exakt 50 Jahren von dem Mond aus um die Welt ging, möchte ich Sie hier zur Grundsteinlegung unseres Batteriespeichers Big Battery mit den Worten begrüßen: ‚Ein kleiner Schritt für die Energiewende, aber ein großer Sprung für die LEAG‘", sagt Vorstandsvorsitzender Helmar Rendez.
Im Sommer kommenden Jahres soll der 50 Megawatt-Batteriespeicher im Industriepark Schwarze Pumpe in Betrieb gehen. Die LEAG investiert 25 Millionen Euro, sagt Rendez.
"Es ist ein großes Investment. Es gibt noch nicht so viele Erfahrungen mit Speichern dieser Größenordnung und vor allen Dingen, was die Einbindung in das Netz, in ein Kraftwerk an diesem Standort betrifft. Insofern ist das für uns natürlich auch ein bisschen Neuland. Aber wir sind zum Schluss zu der Überzeugung gekommen, dass es ein richtiger Schritt in die Zukunft ist. Und wir nehmen bewusst dieses Risiko auch in Kauf."
Das Land Brandenburg fördert das Speicherprojekt mit vier Millionen Euro. Die "Big Battery" stehe beispielhaft für die chancenreiche Zukunft der Lausitz, meint Bundesumweltministerin Svenja Schulze.
Mehr zum Thema