Wahlen USA

"Hier sind alle sehr euphorisch"

Gavin Newsom, demokratischer Kandidat für das Amt des Gouverneurs in Kalifornien, bei seiner Wahlparty.
Gavin Newsom, demokratischer Kandidat für das Amt des Gouverneurs in Kalifornien, bei seiner Wahlparty. © imago / Paul Kitagaki Jr.
Stefan Stuckmann im Gespräch mit Ute Welty · 07.11.2018
Comedy-Autor Stefan Stuckmann ist zur Zeit Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles und hat eine Wahlparty der Demokraten besucht. Dort sei eine starke Euphorie zu spüren, gleichzeitig aber eine gewisse Nachdenklichkeit, wie man die "blaue Welle" weitertragen könne.
Ute Welty: Comedy im Deutschen Fernsehen, das ist verbunden mit dem Namen Stefan Stuckmann, Autor für "Switch reloaded", "Ladykracher", "heute-Show". Und derzeit ist Stefan Stuckmann in den USA als Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles. Die Künstlerresidenz ist Ort von internationalen Begegnungen, und sie will die Erinnerung wachhalten an diejenigen, die vor dem Nazi-Regime fliehen mussten.
Ich erreiche Stefan Stuckmann auf einer Wahlparty der Demokraten in LA. Guten Morgen beziehungsweise guten Abend!
Stefan Stuckmann: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Welty: Wie wird denn diese Wahl bewertet auf dieser Wahlparty?

Wie geht's jetzt weiter?

Stuckmann: Hier sind ehrlich gesagt alle sehr euphorisch, was damit zu tun hat, dass hier so die Heimatstadt der Demokraten ist und es einfach ein grundsätzlich sehr demokratisch geprägter Bezirk ist und alle eigentlich genau das bekommen haben, was sie erwartet haben.
Man merkt es an den Rändern der Party, wo dann die Nachrichten laufen und wo man dann auch mal so ein bisschen mehr Ruhe hat, um zu sprechen, wo sie alle trotzdem so ein bisschen nachdenklich sind, weil sich jetzt jeder fragt, war das jetzt diese "Blaue Welle", auf die alle gehofft haben, oder war das jetzt irgendwie nur so ein mittleres Ding, mit dem man nicht richtig zufrieden sein kann.
Wenn man dann länger mit Leuten spricht, ist das eigentlich genau das Thema, das alle dann umtreibt, also jetzt nicht aufzuhören und sich zu freuen, sondern tatsächlich schon perspektivisch auf 2020 zu gucken.
Welty: Da ist schon eine Menge Wasser im Wein, nicht? Die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen, aber der Senat bleibt republikanisch.

In Kalifornien traten zwei Demokraten gegeneinander an

Stuckmann: Genau, ja. Wobei, so wie ich das hier mitgekriegt habe, hat da eigentlich jeder mit gerechnet. Das war ja auch so was, was die Vorhersagen in den letzten Tagen ergeben haben, bestand, glaube ich, eine Chance von eins zu vier oder eins zu fünf. Von den Leuten, mit denen ich hier gesprochen habe, hat sich, glaube ich, keiner wirklich Hoffnungen gemacht, dass der Senat umkippt.
Was hier auch interessant ist, das war mir auch nicht bewusst: Das kalifornische Wahlrecht hat so eine Besonderheit, dass es tatsächlich in manchem Jahr dazu kommen kann, dass bei den Senatswahlen gar keine Republikaner auf dem Zettel stehen. Und das war tatsächlich in diesem Jahr so, dass zwei Demokraten gegeneinander angetreten sind. Ein junger Herausforderer, das ist Kevin de Léon, der ist hier aus LA-County, das ist – ich bin zufällig auf seiner Heimatwahlparty gelandet.
Kevin de León, demokratischer Herausforderer der Demokratin Dianne Weinstein für ein US-Senatorenposten, bei einer Wahlkampfveranstaltung in  Los Angeles.
Kevin de León, demokratischer Herausforderer der Demokratin Dianne Weinstein für ein US-Senatorenposten, bei einer Wahlkampfveranstaltung in Los Angeles.© dpa / picture alliance / Marcio Jose Sanchez
Der ist der Herausforderer von Dianne Feinstein, die, glaube ich, seit 26 Jahren im Senat sitzt. Das ist ganz interessant, weil hier sehr viele Hispanics sind, die total auf seiner Seite sind, das ist sein Heimatwahlkreis. Und hier kann man so im Kleinen beobachten, das, was eigentlich auch Trump so angetrieben hat, so "wir gegen das Establishment", was man hier im Kleinen quasi innerhalb der demokratischen Party beobachten kann, und was so mit vielen Leuten hier, mit denen ich rede, auch so ein Motor sein soll aus deren Sicht für 2020, um quasi die demokratische Partei von innen zu erneuern. Das ist eine ganz interessante Energie, die man hier wahrnehmen kann, die man, glaube ich, anderswo nicht so feststellt.
Welty: Welches Bild von Amerika vermittelt sich über diese Wahl bei Ihnen?

Stolze "I voted"-Sticker

Stuckmann: Es ist ja immer interessant, wenn man aus Deutschland in die USA schaut, dann redet man immer über niedrige Wahlbeteiligung und Leute, die sich nicht richtig kümmern. Das stelle ich im Alltag auch sehr stark fest. Aber jetzt, wenn man heute herumläuft, dann hat man den Eindruck – das liegt wahrscheinlich auch an dieser Wahl jetzt, an den Midterms gegen Trump –, heute hat man den Eindruck, es ist das genaue Gegenteil.
Ich hab heute schon so viele Leute gesehen, die diesen kleinen Sticker, den man kriegt, wenn man wählen geht, "I Voted", so stolz vor sich her tragen, und das ist richtig so, man wird teilweise … Hier auf dieser Wahlparty wurde ich manchmal schon komisch angeguckt, weil ich natürlich nicht diesen Sticker hab und bei mir nicht drauf steht, dass ich Deutscher bin und nicht wählen darf.
Sobald man dieses Gebiet betritt, wo diese Wahlparty ist, ist einfach so eine starke Euphorie zu spüren, eine Energie – tatsächlich auch eine Energie, die ich in Deutschland, glaube ich, noch nie auf irgendeiner Wahlparty gesehen habe.
Welty: Was nehmen Sie als Comedy-Autor mit von dieser Energie? Was nehmen Sie wieder mit nach Deutschland?

Politische Comedy spielt eine große Rolle in dne USA

Stuckmann: Das ist eine gute Frage. Was hier grundsätzlich interessant ist: Hier spielt politische Comedy eine viel größere Rolle als in Deutschland. Und ich glaube, das liegt daran, dass man in Deutschland so eine in meinen Augen immer relativ unsinnige Unterscheidung macht zwischen Comedy und Kabarett, die eigentlich formal keinen richtigen Sinn macht.
Inzwischen ist Kabarett immer Sammelbecken für Politisches und hat aber aus sich heraus nie so eine richtige, jugendliche Erneuerung geschafft. Und Comedy ist sehr stark vom Privatfernsehen geprägt. Eigentlich macht kein anderes Land dieser Welt diese Unterscheidung und die Amerikaner schon gar nicht.
Und hier ist es einfach so, alles, was lustig ist oder alles, was Comedy ist, ist ein wahnsinnig breites Spektrum, wirklich von sehr banal bis hochintellektuell. Und dadurch, dass man sich nicht quasi in zwei Kästen bewegt wie in Deutschland, sondern in einem großen Spektrum, ist es, glaube ich, für Leute leichter auch, sich in die politische Komödie zu bewegen.
In Deutschland ist es tatsächlich auch so ein Henne-Ei-Problem. Dadurch, dass man bestimmte Bühnen hat, ist man immer entweder Kabarettist oder man ist Komiker, und es gibt irgendwie wenig Raum dazwischen oder gar keinen Raum dazwischen. Und das ist hier ganz anders.
Und ich denke schon länger drüber nach, wie man so was in Deutschland aufbrechen könnte. Weil es tatsächlich hier eine sehr starke komödiantische Energie, eine politisch-komödiantische Energie gibt, die ich in Deutschland nicht so finde.
Welty: Als Comedy-Laie hat man oft den Eindruck, dass es schwer ist, die Wirklichkeit zu toppen, die ein Donald Trump kreiert. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Stuckmann: Mein Trick ist immer, nicht zu versuchen, die Wirklichkeit nachzuerzählen, sondern die Essenz zu suchen, also wirklich rauszufinden, worum geht es bei Trump? Was bei meinem Schreiben auch eine große Rolle spielt, ist immer so der Niedergang des Patriarchats. Diese ganzen alten Männer, die sich so zum letzten Mal aufbäumen gegen all diese jungen Leute, gegen die jungen Immigranten, die jungen Frauen, die jetzt so von unten nachrücken.
Ich glaube, wenn man so an diese Themen herangeht, dann ist es viel leichter, das zu erzählen. Dann hat man nicht so sehr das Problem, dass man immer das Gefühl hat, man müsste die Wirklichkeit toppen, was man ja ohnehin nicht kann.
Welty: Stefan Stuckmann war das. Zurzeit ist der Comedy-Autor in Los Angeles , und er hat sich mitten in der Nacht Zeit genommen für "Studio 9". Dafür herzlichen Dank!
Stuckmann: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Todd Huizinga war zwei Jahrzehnte US-Diplomat in Europa und ist überzeugter Trump-Wähler. Die Ergebnisse der Zwischenwahlen überraschen ihn nicht, es sei normal, dass zwei Jahre nach Wahl eines Präsidenten dessen Partei an Stimmen verliert. Dass die Demokraten jetzt mehr Macht haben, könne zu mehr Debatten führen, "in einem gesunden Sinne".
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