Waffenexport

Nur noch ein normaler Staat

Von Falk Steiner, Hauptstadtstudio · 27.08.2014
Die Bundesregierung könnte ohne Einbindung des Bundestags über die Waffenlieferungen in den Irak abstimmen. Das wäre ein von der Kanzlerin nicht gewohnter, schlechter Stil - und ein deutlicher Fehler.
Am Sonntag soll sie nun fallen, die Entscheidung, ob die Bundesrepublik Waffen in den Nordirak liefert. Dann wollen sich die Kanzlerin, der Außenminister, die Verteidigungsministerin und der Entwicklungszusammenarbeitsminister treffen und werden aller Voraussicht nach beschließen, was sich in den vergangenen Wochen anbahnte: Die Kurden sollen für den Kampf gegen die Terroristengruppierung "Islamischer Staat" auch von Deutschland mit Waffen unterstützt werden.
Am Montag dann tritt die Kanzlerin vor das Plenum des Bundestages und erläutert dort ihre Beweggründe. Das Parlament wird uneins sein, und das nicht einfach entlang der Parteizugehörigkeit, wie es sonst so oft der Fall ist. Es handelt sich um eine überaus notwendige Debatte.
Parlamentsmehrheit ist historische Konstante
Denn es geht nicht um eine Einzelfallentscheidung, um die Ausnahme von der Regel, dass die Bundesrepublik keine Waffen in ein Krisengebiet liefert. Sondern es geht um die deutsche Außenpolitik und die Frage, ob dazu auch militärisches Engagement gehört, ob man − und so muss man den Nordirak sehen − Stellvertreterkriege führen lässt, um nicht bald darauf in die Verlegenheit zu geraten, eigene Truppen einsetzen zu müssen.
Es gehört zu den großen historischen Konstanten der Bundesrepublik, dass außenpolitische Grundsatzentscheidungen mit breiter Mehrheit im Parlament getragen werden, dass nicht eine Regierungsmehrheit − egal wie groß − kurzerhand die Bundesrepublik in außenpolitische Abenteuer stürzt. Mit diesem Prinzip wird nun gebrochen, wenn die Entscheidung am Tag davor gefällt und gegenüber dem Bundestag nur begründet wird. Eine Rechtfertigung, warum die Debatte im Parlament nicht erst abgewartet werden könne, die blieb die Bundesregierung heute schuldig.
Deutschland hat eine Parlamentsarmee
Das aber ist mehr als nur ein von der Kanzlerin nicht gewohnter, schlechter Stil. Es ist ein deutlicher Fehler, denn die internationale Berechenbarkeit der Bundesrepublik − oft auch international als Zögerlichkeit kritisiert −, sie hängt auch von eben diesem spezifisch deutschen Konstrukt ab. Deutschland hat eine Parlamentsarmee; wann immer deutsche Soldaten im Ausland in den Einsatz geschickt werden, ist die Zustimmung des Bundestages notwendig. Wäre es nicht konsequent, trotzdem es bislang formal nicht notwendig ist, auch dann die Parlamentarier zu beteiligen, wenn statt deutscher Soldaten doch nur deutsche Waffen in einem kriegerischen Konflikt zum Einsatz kommen sollen? Oder sollen solche Entscheidungen wirklich ausschließlich dem Regierungshandeln unterliegen?
Die deutsche Außenpolitik befindet sich in einem Umbruchprozess, seitdem sie das Korsett des Kalten Krieges hinter sich gelassen hat. Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Afghanistan, auch die Nichtteilnahme am Irak-Krieg: All das wurde intensiv und oft, oft nachdenklich, selten leichtfertig im Bundestag behandelt. Selbst wenn die Entscheidung in der Sache gerechtfertigt sein mag: Dass die Kanzlerin den nächsten Schritt auf dem Weg zu einer neuen, aktiven deutschen Außenpolitik ohne den Bundestag gehen will, lässt die Bundesrepublik zu einem überaus normalen Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft werden. Einem Staat, der dadurch so normal wird, dass man sich fragen muss, ob er das wirklich sein sollte und sein will.
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