Währungen der Schwellenländer unter Druck

Moderation: Christopher Ricke · 26.08.2013
Die Währungen vieler Schwellenländer sieht der Weltwirtschaftsexperte Thomas Straubhaar in einem "Abwertungswettlauf". Der Präsident des Hamburgischen WeltWirtschaftInstituts (HWWI) erkennt darin einen "Herdentrieb". Auch die europäische Wirtschaft sei noch nicht über den Berg.
Christopher Ricke: Ich spreche jetzt mit Thomas Straubhaar, er ist der Präsident des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), guten Morgen, Professor Straubhaar!

Thomas Straubhaar: Guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Pessimisten befürchten eine neue Krise, eine weltweite Rezession – gehören Sie zu den Pessimisten?

Straubhaar: Nein, dazu gehöre ich nicht, wobei ich nicht verleugnen will, dass das, was wir jetzt erleben, letztlich ein langsamer Schritt auf einem langen Weg zurück zu einer Normalisierung darstellt. Das heißt, was wir erkennen, ist, dass eben auch in den sogenannten Schwellenländern, in den aufstrebenden Volkswirtschaften die Bäume nicht in den Himmel wachsen und dann nach einer Phase unglaublich rascher Dynamik jetzt eine Phase beginnt, bei der eben das Wachstum nicht mehr so schnell vorankommt.

Ricke: Das ist jetzt die Bewegung in den Schwellenländern, schauen wir uns die Bewegung in Europa an. Da feiern wir ja gerade das Ende der Rezession und feiern vor allen Dingen die Konjunkturlokomotive Deutschland. Sind denn diese beiden Bewegungen voneinander unabhängig?

Straubhaar: Nein, das sind sie überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Das zeigt gerade das Beispiel Deutschland, dass eben weder Europa exklusiv für Deutschland wichtig ist, noch die übrige Welt, sondern dass insgesamt Deutschland sehr, sehr stark abhängig ist von dem, was weltweit auf den Märkten passiert, und dass das, was in den aufstrebenden Volkswirtschaften sich abspielt, natürlich sofort Rückwirkungen hat über die hoch verflochtenen Beziehungen. Also Wechselkurse beispielsweise spielen eine ganz wichtige Rolle. Wenn eben eine Währung aufwertet, wie das im Moment ja für den Euro beispielsweise durchaus der Fall ist, oder wie der Herr Wolff beschrieben hat, im Umkehrschluss, dass die Währungen dieser aufstrebenden Volkswirtschaften abwerten, dann verschlechtert das beispielsweise die wettbewerblichen Preisvorteile für Deutschland, und es wird schwieriger, Güter zu verkaufen. Und das bremst dann wieder hierzulande die Wirtschaft.

Ricke: Wettbewerb und Produktion ist ein wichtiger Teil der Realwirtschaft, in der Finanzwirtschaft, über die wir aber auch reden, gibt es ja noch das psychologische Moment: Es gibt die Angst vor Panik, die Angst vor Hysterie, und es gibt momentan das etwas angstvolle Starren auf fallende Kurse in den Wechselländern. Wie groß ist die Gefahr, dass uns da psychologisch ein Querschläger ereilt?

Straubhaar: Sehr groß. Ich denke, vieles, was sich jetzt abspielt, hat etwas mit einem Herdentrieb zu tun. Die Marktbeobachter sehen, dass einzelne Währungen abzuwerten beginnen, dann wollen sie natürlich mit ihren Guthaben, die sie in diesen Währungen haben, möglichst rasch raus, damit sie noch möglichst viel Ertrag von ihren Vermögen kriegen, und dann verkaufen sie auch ihre Werttitel aus diesen Ländern, die abwerten. Und wenn alle verkaufen, dann sinkt der Preis noch einmal, und dann werten diese Länder noch einmal stärker ab, und dann kommt es zu einer sich selbst verstärkenden Prophezeiung. Und das ist etwas, was dieser Herdentrieb ganz klar erkennbar, dass eben überall in den Schwellenländern jetzt gleichermaßen flächendeckend diese Abwertungswettläufe beginnen, was ja auch hilft, diesen Ländern, dann besser zu exportieren und weniger zu importieren – das ist ja wie ein Zoll und hilft in dem Sinne. Aber was dadurch verloren geht, ist, dass jedes Land eigentlich anders ist und dass man nicht die Geschichte Mexikos blindlings auf die Geschichte Brasiliens oder Argentiniens oder umgekehrt übertragen kann.

Ricke: Wenn man so eine Bisonherde auf sich zurennen lässt, kann man die umlenken oder kann man nur zur Seite springen?

Straubhaar: Ich denke nicht, dass man die umlenken kann, ich denke, das wird uns noch eine Weile jetzt beschäftigen, dass eben die Schwellenländer einen Herd der Unsicherheit darstellen werden, dass die Kurse sehr, sehr stark auch schwanken werden, dass viele irgendwo denken, jetzt ist vielleicht die Talsohle erreicht, und dann ihrerseits wieder einzusteigen beginnen. Also was wir sehen, ist auch außerhalb Europas, aber auch innerhalb Europas, dass die Zeiten der Unsicherheit noch lange nicht vorbei sind, dass noch lange sozusagen die Weltkonjunktur an einem sehr dünnen Faden hängt.

Ricke: Dieser dünne Faden ist ja von den Amerikanern gehalten worden durch die Geldpolitik der vergangenen Monate, manche sprechen ja auch von einer Droge des billigen Geldes, von der man abhängig geworden sei. Müssen wir hier mal über Entzug und Genesung sprechen?

Straubhaar: Ja, so ist es ja, und das war ja eigentlich auch der Ursprung der aktuellen Turbulenzen. Herr Wolff hat das ja gut beschrieben, dass im Prinzip alle Welt zu Recht erwartet, dass das, was in Amerika sich die letzten Jahre abgespielt hat, sich nicht in alle Zukunft extrapolieren lässt. Das heißt, Amerika wird die expansive Geldpolitik verknappen müssen, es wird Geld einsammeln müssen. Dieses Geld fehlt dann weltweit, um Dinge kaufen zu können. Das wird sich auf die Kurse ausdrücken, so wie wir das jetzt ja erkennen, und genau das ist sozusagen der erste Zug dieses Entzugs, dass jetzt alle erwarten, es wird so weit kommen, selbst wenn Herr Bernanke ja gesagt hat, vielleicht wird das 2014/15, bis ich beginne – sozusagen die Wellen beginnen sich jetzt schon aufzubauen, die Antizipation findet jetzt schon statt.

Ricke: Ist Europa, ist die Eurozone darauf ausreichend vorbereitet?

Straubhaar: Die Eurozone hat unglaublich viele Probleme unverändert, auch wenn gottlob jetzt die reale Wirtschaft in einigen südeuropäischen Ländern sich zum Besseren zu wenden begonnen hat. Europa ist längst nicht über den Berg, und was wir ja sehen, ist ja etwas aus europäischer Sicht fast schon Perverses in dem Sinne, dass wir jetzt riesige Probleme haben, und trotzdem ist der Euro vergleichsweise im Außenwert stark. Und das bedeutet eben, dass hier, auch gerade für die exportierende Wirtschaft, diese Situation der Unsicherheit und des starken Euro alles andere als erfreulich ist.

Ricke: Thomas Straubhaar, er ist der Präsident des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. Vielen Dank, Professor Straubhaar!

Straubhaar: Gern geschehen!


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