Wachstumskritikerin Angelika Zahrnt

"Auf Bäume zu klettern, ist ein wirkungsvoller Protest"

34:32 Minuten
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Die Wirtschaftswissenschaftlerin Angelika Zahrnt im Gespräch mit Ulrike Timm · 13.09.2018
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Was macht ungebremstes Wirtschaftswachstum mit unserer Umwelt? Angelika Zahrnt, die langjährige Vorsitzende des Umweltverbands BUND, sieht die Verantwortung nicht beim Verbraucher, sondern beim Staat.
Als 1972 das Buch "Die Grenzen des Wachstums" erschien, verschlang die junge Heidelberger Wirtschaftswissenschaftlerin Angelika Zahrnt es geradezu. Von der Studentenbewegung jener Jahre ohnehin mit kritischem Geist ausgestattet, sah sie sich in ihrer Skepsis gegenüber dem Mantra des unbegrenzten Wirtschaftswachstums bestätigt, das damals an den Universitäten gelehrt wurde.
Und Angelika Zahrnt fand ihr Lebensthema: Die Suche nach einer Wirtschaftsweise, die mit unserer Umwelt und den Ressourcen nachhaltig umgeht. Dass im Jahr 2018 noch immer Braunkohle abgebaut wird, was am Beispiel der Wald-Besetzung im Hambacher Forst gerade wieder Schlagzeilen macht, steht dieser Perspektive natürlich diametral entgegen.

Begeisterung für die Natur von Kindesbeinen

Schon als Kind war Zahrnt naturbegeistert: "Ich bin gerne in Bäumen geklettert, ich bin eigentlich auf jeden Hochsitz im Wald geklettert. Aber ich muss sagen, dass ich bei den Besetzungen im Hambacher Forst, die jetzt stattfinden, nicht dabei bin. Aber diese zeigen, dass auf die Bäume klettern schon eine Art wirkungsvollen Protestes ist. Und ich hoffe, dass diejenigen, die da jetzt diesen Protest artikulieren, gegen die Abholzung des Hambacher Forstes Erfolg haben werden."
Nach Ausflügen in Wirtschaft und Verwaltung fand sie in der Verbandsarbeit ihre Heimat. Ökologie und Ökonomie in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen, das erscheint Prof. Angelika Zahrnt bis heute manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen, doch auch im Rentenalter lässt sie nicht locker, denn "ich habe erlebt, dass man etwas verändern kann".

Preise, die die "ökologische Wahrheit" sagen

Dabei setzt sie weniger auf die Überzeugung der Verbraucher – die Verantwortung sieht sie ganz klar beim Staat, zum Beispiel was Billigflüge betrifft: "Ich versuche nicht, möglichst viele Leute davon zu begeistern, nicht zu fliegen, insbesondere, wenn das so spottbillig ist, und man sich als Student oder weniger Verdienender auch anderes nicht leisten kann. Sondern mein Ansatzpunkt ist, dass ich mich dafür einsetze, dass die politischen Rahmenbedingungen andere werden, dass eben der Flug nach Barcelona als Wochenendvergnügen ausfällt, weil er entsprechend teurer ist, entsprechend seiner Umweltbelastung."
Die Infrastrukturen müssten von der Politik so gesteuert werden, dass es den Menschen leichter fällt, ein ökologisch- und sozial-verträgliches Leben zu führen. Allgemein sollten die Preise die "ökologische Wahrheit" sagen: "Damit ich nicht mit mir selber argumentieren muss: Okay, das ist zwar jetzt billiger, aber da ist ja nun die Näherin in Bangladesch…"
Neuerdings versucht Angelika Zahrnt zusammen mit prominenten Gleichgesinnten, der Politik in Sachen Fluchtursachen Beine zu machen - und wird dabei auch mit der Geschichte von Flucht und Vertreibung in ihrer eigenen Familie konfrontiert.

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