W wie Walhall und Wahnfried

    Von Gerald Felber · 13.05.2013
    Der Buchstabe W ist mit den imaginären wie realen Immobilien in Wagners Leben belegt: Die Götterburg Walhall und der Familiensitz Haus Wahnfried am Rande des Bayreuther Hofgartens.
    Auch wenn man den Wagner nun so gar nicht mag – das ist vielleicht doch eine von den Stellen, wo nur absolute Klassik-Muffel ganz kalt bleiben: wenn sich aus dem harfenumrauschten Regenbogen-Gesprüh des "Rheingold"-Finales die Umrisse der Götterburg samt dem ihr zugeeigneten Leitmotiv herausschälen. Wie sie heißt, erzählt Wotan uns, seinem grantigen Hausmütterchen Fricka sowie diversen Götterkollegen wenige Takte später: Walhall. Damit sind wir schon bei der Hälfte unseres "W" – und die andere heißt Wahnfried, was sich nicht nur wegen des famosen Wagnerschen Stabreimes anbietet, sondern auch, weil es hier wie dort um Unterkünfte geht, die sozusagen eine finale Bleibe darstellen sollten: in dem einen Falle für die Göttergesellschaft, im anderen für Richard, seine Cosima und die Kinderlein höchstselbst.

    Auf der Bühne sind die Wagnerschen Architekturen ja meist großmächtig und gewaltig: Paläste, Kathedralen, trutzige Burgen. Selbst hielt er es da eine Nummer kleiner, wenn auch nicht wirklich bescheiden. Mit heutigen Begriffen würde man Wahnfried als eine sehr repräsentative Stadtvilla bezeichnen – die nun paradoxer Weise samt dem anliegenden Grab des Meisters just im laufenden Jubiläumsjahr eine wenig ansehnliche Baustelle ist. Um aber zwischen all den in den vergangenen Monaten in schrotkugelartiger Dichte und ja durchaus zurecht benannten Problemfeldern Wagners auch einmal etwas Positives zu sagen: immerhin hat er seine Bleibe nicht auf den Hügeln drumherum gesucht, sondern unten, zwischen Bürgerstadt und Hofgarten. Dass er bei allem persönlichem Hang zum Luxus auch eine Ader fürs gutbürgerlich-Biedermeierliche hatte, beweisen ja nicht zuletzt die beiden einzigen Szenerien, wo er sich auch auf der Bühne dahin begibt – im "Fliegenden Holländer" und dann wieder in den "Meistersingern", wo auf den nüchternen Brettern einer Schusterstube eines der schönsten Ensembles der Musiktheatergeschichte erblüht:


    Jaja, auch ein gutbürgerliches Etablissement zu anständigen Mietpreisen hat einiges für sich, aber persönlich fand es Wagner dann doch angemessener, sein kunstmissionarisches Leben stilgerecht in einem venezianischen Renaissance-Palazzo auszuhauchen. Geträumt hat er immer nur vom Größten und hätte sicher auch gern, wenn es ohne Gestehungskosten gegangen wäre, Wahnfried gegen eine Art Walhall getauscht. So lässt er nun im "Rheingold" die Götter einziehen, die dann freilich – das haben sie nun davon – gar nicht glücklich werden da oben; und das, obwohl sie offenbar nicht mal Möbelwagen brauchen, dafür aber die wohl prächtigste Umzugsmusik bekommen, die je komponiert worden ist.