Vyacheslav Akhunov

Usbekischer Künstler leistet Widerstand trotz Repressionen

Offizieller Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin (m.l.) bei Präsident Islam Karimov (m.r.) in Tashkent, Usbekistan, am 10.12.2014. Im Vordergrund die usbekische Ehrengarde.
Der russische Präsident beim Staatsbesuch in Usbekistan - dass eine Rückkehr in den Schoß Russlands droht, hält Vyacheslav Akhunov nicht für ausgeschlossen. © picture alliance / dpa / Mikhail Klimentyev / Ria Novosti
Von Werner Bloch · 10.04.2015
Präsident Karimow hat Usbekistan fest im Griff, seine Gegner praktisch ausradiert. Nur der bekannteste Künstler des Landes, Vyacheslav Akhunov, wagt es weiterhin, Kritik zu äußern. Doch er prognostiziert eine düstere Zukunft.
Usbekistan – ein Staat, der sich gern als mittelalterliches Märchenland präsentiert, mit legendären Städten wie Buchara und Samarkand, das Herzstück der alten Seidenstraße. Doch das Konzert, zwischen Koranschulen und Minaretten, ist eine Inszenierung für die Touristen.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Präsident Karimow, inzwischen 77 Jahre alt, hält sein Volk fest im Griff. Die Usbeken sind arm. Wenn die Baumwollernte kommt, schickt der Präsident Millionen zur Zwangsarbeit auf die Felder – für drei Dollar am Tag. Eine Opposition gibt es nicht. Karimow, der alte Sowjetfunktionär, der seit 24 Jahren herrscht, hat seine Gegner praktisch ausradiert.
Einer der ganz wenigen, die es wagen, sich zu äußern, ist der bekannteste Künstler des Landes, Vyacheslav Akhunov.
"Usbekistan ist eine Art Naturschutzgebiet. Seit der Sowjetzeit hat sich hier nichts verändert. Ich habe 2004 ein Zentrum für zeitgenössische Kunst in Taschkent aufgemacht. Aber es wurde nach zwei Jahren geschlossen. Ich hatte mehrere Schüler, aber eines Tages waren sie verschwunden. Eines Abends, als es schon dunkel war, kam eine junge Frau zu mir und weinte. Sie sagte, sie seien alle bedroht worden. Man habe ihr angedroht, ihren Job zu verlieren und niemals mehr Arbeit zu finden."
Der Geheimdienst ist überall, doch Vyacheslav Akhunov lässt nicht locker, und das sieht man ihm schon an. Jeans, Jeanshemd und Jeansjacke – der Mann ist um die 60 und sieht mit seinem weißem Bart und schlohweißes Haar eher wie ein Trucker auf seinem LKW aus als wie ein Künstler. So kommt er zum Interview ins Goethe-Institut von Taschkent.
Akhunov darf in Usbekistan nicht ausstellen, und er darf selbst nicht reisen. Doch er kann seine Kunst ins Ausland schicken, wie zur letzten Venedig-Biennale. Eine große Skulptur, die im Stil der sowjetischen Propaganda auf monumentalen Buchstaben verkündet: "Atme leise" – so als dürfe man den großen Diktator nicht wecken und als dürfe das Volk sich keinen Zentimeter rühren.
Islam wird zum Sammelbecken der Unzufriedenen
Sieht die Zukunft ein besseres Leben vor?
"Die Zukunft ist düster. Entweder die Kolonialisierung durch Russland wiederholt sich, eine Rückkehr zur Sowjetunion – da wird eine Menge von russischer Seite für getan. Oder es wird in den nächsten 20 Jahren permanenten Streit und möglicherweise Kriege in der Region geben, mit Usbekistans Nachbarn Kirgistan, Tadschikistan und Kasachstan. Der Streitpunkt wird vor allem das Wasser sein."
Es gibt aber ein weiteres Alptraumszenario, das schlimmer sein könnte als die anderen – und das hat mit dem Islam zu tun. Denn der Islam ist in Usbekistan zum Sammelbecken der Unzufriedenen geworden. Nicht so sehr die Religion, sondern der Hass auf das Regime findet hier Ausdruck.
"In Usbekistan vertraut niemand niemandem mehr. Und deshalb richten viele den Blick auf die Moschee. Doch die Regierung betreibt eine Politik der Verbote. Der Zutritt zur Moschee gilt als oppositionelle Geste des Widerstands gegen den Präsidenten."
Mit allen Mitteln versucht Karimow, den Islam in seinem Land in Schach zu halten. Imame dürfen nicht von der Kanzel predigen, der Ruf des Muezzin darf von keinem Minarett erklingen. Doch ewig wird sich der Islam nicht unter Kontrolle halten lassen, die Islamisten erhalten täglich mehr Zuspruch.
Und der Westen? Der stützt Karimow, so wie er ihn schon immer gestützt hat. Zu wichtig ist Usbekistan im Zentrum Zentralasiens, zu wichtig seine strategische Lage, denn von hier aus haben Flugzeuge und militärisches Gerät Halt gemacht auf dem Weg nach Afghanistan.
Dafür hat Deutschland übrigens viele Millionen Dollar bezahlt. Usbekische Offiziere werden sogar in Deutschland ausgebildet. Die Menschenrechte muss man dabei irgendwie vergessen haben.
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