Vorwurf der Terrorpropaganda

Prozess gegen türkische Akademiker

Eine Delegation von Akademikern und Menschenrechtsaktivisten aus Deutschland demonstriert vor einem Gericht in Istanbul und hält dazu ein Banner hoch, auf dem sie Solidarität mit den Angeklagten fordern..
Eine Delegation von Akademikern und Menschenrechtsaktivisten aus Deutschland demonstriert vor einem Gericht in Istanbul. © Lefteris Pitarakis / AP / dpa
Karin Senz im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 05.12.2017
Mehr als 1000 Wissenschaftler haben Anfang 2016 eine Petition unterschrieben, in der sie Frieden mit den Kurden forderten und die türkischen Sicherheitskräfte kritisierten. Die ersten zehn Wissenschaftler stehen dafür jetzt in Istanbul vor Gericht.
Am Dienstag begannen in Istanbul die ersten einer ganzen Reihe von Prozessen gegen fast 150 Mitglieder des Netzwerks "Akademiker für den Frieden". Den Universitätsmitarbeitern wird vorgeworfen, mit dem Friedensappel Terrorpropaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrieben zu haben, sagte Karin Senz im Deutschlandfunk Kultur, Korrespondentin in Istanbul.
"Ganz konkret hatten sie ja geschrieben, das harte Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in kurdischen Siedlungsgebieten Ende 2015... das haben sie verurteilt als Vernichtungs- und Vertreibungspolitik. Es ging tatsächlich in diesem Brief darum, eine friedliche und demokratische Lösung für den Kurdenkonflikt zu fordern."
Man habe damit die türkische Regierung sehr scharf kritisiert und so habe die türkische Regierung dementsprechend auch scharf darauf reagiert, sagte Karin Senz. Die Regierung habe gesagt, das seien alles falsche Behauptungen und man versuche die Regierung in Misskredit zu bringen und man würde die Menschen gegeneinander aufwiegeln.

Jeder einzelne muss sich vor Gericht verantworten

Am Dienstag hat es in Istanbul die erste Welle von Prozessen gegeben. So steht jeder einzelne Akademiker vor Gericht und bekommt seinen eigenen Prozess, so Senz.
"Das wird im Zehn-Minuten-Takt hier an verschiedenen Gerichten in Istanbul verhandelt. Das soll den Hintergrund haben, so sagen es zumindest die Akademiker, dass sich diese eben nicht zusammenschließen vor Gericht und zusammen da stehen, sondern eben auch einzeln sind."
Bis April sollen sich diese Prozesse hinziehen und vor Gericht stehen Akademiker aus den verschiedensten Bereichen. Unterschrieben hatten damals die Petition Gerichtsmediziner, Historiker, Biologen, alle die damals dachten, sie möchten das Anliegen unterstützen, sagte Karin Senz. Als Folge wurden damals mehrere Hundert Wissenschaftler aus den Universitäten entlassen.
"In der Türkei ist es so, dass viele Dozenten auf dem Uni-Gelände wohnen. Wenn sie den Job verlieren, verlieren sie damit auch ihre Wohnung und teilweise auch ihre Altersvorsorge. Und natürlich können die dann nicht bei der nächsten Universität wieder anheuern in der Türkei. Die stellt im Moment auch einfach keiner ein."

Prozesse von Protesten begleitet

Mit dem Prozess würde auch das Signal gesendet, man solle sich nicht engagieren im Land. Dennoch gibt es auch Protest. Karin Senz hat mit Studenten gesprochen, die die Rückkehr der Dozenten an ihre Universitäten fordern und die auch am Dienstag vor den Gerichten demonstriert haben mit den Parolen: "Gebt uns unsere Dozenten zurück!" und "Hände weg von unseren Dozenten!".
Sicher würden diese Prozesse auch einschüchtern und man würde sich genau überlegen, wo man seine Unterschrift setzt. Die Menschen seien aber auch immer wieder sehr mutig, berichtete Karin Senz.
"Am Samstag war eine Demonstration, wo es genau um diese Akademiker ging, wo man sie unterstützt wollte, eine Solidaritätsaktion. Und da hat man immer wieder gehört, wir haben keine Angst und wir lassen uns nicht einschüchtern, auch wenn wir uns ständig unter Druck fühlen, ständig beobachtet fühlen. Wir stehen zusammen. Eigentlich ist es jetzt die wichtigste Zeit für Journalisten aber auch die wichtigste Zeit für Wissenschaftler zu arbeiten."
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