Vorstufe zur Machtübernahme

Von Otto Langels · 31.07.2007
Auf den von Reichspräsident Paul von Hindenburg erzwungenen Rücktritt der Regierung Franz von Papens im Mai 1932 folgte ein von Aggressivität und Brutalität geprägter Wahlkampf. Die moderaten Sozialdemokraten konnten den politischen Extremen nichts mehr entgegensetzen. Es zeigte sich deutlich: Das deutsche Volk wollte das Ende der Weimarer Demokratie.
"Morgen, am 31. Juli 1932, ist kein gewöhnlicher Wahltag. Morgen fällt eine gewaltige historische Entscheidung. Und zwar ist die Frage ganz klar und einfach gestellt: Knechtschaft oder Freiheit? Der Faschismus oder die Demokratie?"

Der Sozialdemokrat Carl Severing, ehemaliger preußischer Innenminister, am Tag vor den Wahlen zum Deutschen Reichstag.

Die Wahlen waren notwendig geworden, weil Reichspräsident Paul von Hindenburg Ende Mai den Rücktritt der Regierung Brüning erzwungen hatte. Ein kleiner Kreis um Hindenburg hatte sich zum eigentlichen Machtzentrum der Weimarer Republik entwickelt, während das Parlament zusehends an Bedeutung verlor. Das folgende vom Reichspräsidenten eingesetzte Kabinett mit dem Kanzler Franz von Papen betrieb eine autoritäre, offen antiparlamentarische Politik.

Der Wahlkampf vom Sommer 1932 stand im Zeichen einer möglichen Regierungsbeteiligung der NSDAP und war der gewalttätigste, den Deutschland bis dahin erlebt hatte. Allein im Juli kamen 86 Menschen ums Leben, darunter 38 Nationalsozialisten und 30 Kommunisten. Die blutigen Auseinandersetzungen lieferten der Reichsregierung den Vorwand, in einem staatsstreichartigen Manöver das sozialdemokratisch geführte preußische Kabinett abzusetzen. Mit dem sogenannten Preußenschlaggegen das größte und mächtigste Land in Deutschland war die letzte zuverlässige Stütze der Weimarer Republik beseitigt und die SPD als mitbestimmende Kraft der Innenpolitik kalt gestellt. Das Präsidialkabinett Papen ebnete der NSDAP den Weg zur Macht.

Mehr als 30 Parteien beteiligten sich an den Reichstagswahlen, ein Spiegelbild der politischen Gegensätze und partikularen Interessen Anfang der 30er Jahre. Adolf Hitler nutzte die parteipolitische Zersplitterung, um bewusst als Totengräber von Parlamentarismus und Demokratie aufzutreten:

"Die Gegner werfen uns Nationalsozialisten vor, und mir insbesonders, dass wir intolerante, unverträgliche Menschen seien. Die Herren haben ganz recht. Wir sind intolerant. Ich habe mir ein Ziel gestellt, nämlich die 30 Parteien aus Deutschland hinauszufegen."

Hitler grenzte sich im Wahlkampf auch von der Deutschnationalen Volkspartei ab, mit der die NSDAP in der sogenannten Harzburger Front ein Bündnis eingegangen war. Die Partner waren sich in der Ablehnung des Weimarer Systems einig, betonten ansonsten aber ihre Eigenständigkeit, so auch der DNVP-Vorsitzende Alfred Hugenberg:

"Das parlamentarische System hat vollständig versagt. Persönlichkeitswert und Führerverantwortlichkeit, die Grundlagen eines jeden gesunden Staatswesens, müssen die Parlamentsherrschaft ablösen."

Die Parteien der extremen Rechten verachteten die parlamentarische Demokratie. Die Kommunisten nutzten die Wahlen als Gelegenheit, eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft nach dem Vorbild der Sowjetunion zu propagieren. Wilhelm Pieck, Mitglied des Politbüros der KPD:

"Nur die kommunistische Partei ist die einzige Kraft, die den einheitlichen Kampf aller Werktätigen organisiert. Werktätige, wählt nur Kommunisten! Weg mit der Papen-Regierung! Nieder mit dem Hitler-Faschismus!"

Zwischen den radikalen Positionen von rechts und links wurden die demokratischen Parteien aufgerieben. Moderate Stimmen wie der Sozialdemokrat Carl Severing fanden kaum noch Gehör:

"In dieser entscheidungsschweren Stunde wenden wir uns an den denkenden Deutschen. Wir appellieren nicht an die Leidenschaft, sondern an die Vernunft der Wähler. Unsere Werbung zielte stets darauf ab, die Menschen nicht dümmer, sondern klüger zu machen."

Die Reichstagswahl bescherte den Nationalsozialisten ein triumphales Ergebnis. Sie erhielten 37,3 Prozent der Stimmen, ein Zuwachs von fast 20 Prozent gegenüber der vorangegangenen Wahl von 1930. Die Zahl der nationalsozialistischen Mandate stieg von 107 auf 230. Trotz des Erfolgs der NSDAP hielt Reichspräsident Hindenburg am Kabinett Papen fest und lehnte die Bildung einer neuen Regierung unter Führung Hitlers ab. Bereits im November fanden erneut Reichstagswahlen statt. Die NSDAP büßte zwar vier Prozent ihrer Stimmen ein, blieb aber stärkste Partei. Drei Monate später übernahm Adolf Hitler die Macht in Deutschland.


Programmtipp: "Hintergrund Politik", 18.40 - 19.00 Uhr im Deutschlandfunk: "Geschichte aktuell: Der Zerfall einer Demokratie - Vor 75 Jahren: Die NSDAP wird zur stärksten Fraktion im Deutschen Reichstag"
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