Feinstaubbelastung

Zehn Jahre Umweltzone in Berlin

Berufsverkehr in Berlin
Fein-staubige Abgelegenheit: der morgendliche Berufsverkehr in Berlin. © picture alliance/dpa/Foto: Michael Kappeler
Von Anja Nehls  · 16.02.2018
Um die Belastung an Feinstaub in den Innenstädten zu verringern, wurden vor zehn Jahren in Berlin, Hannover und Köln die ersten Umweltzonen eingeführt. Die Stickoxidwerte werden heute immer noch nicht eingehalten. Mittlerweile drohen sogar Fahrverbote.
An der Autobahnabfahrt Halensee, fast schon auf dem Berliner Ku-Damm, steht ein viereckiges Schild mit rotem Kreis auf weißem Grund und der Aufschrift "Umweltzone". Seit zehn Jahren steht dieses Schild dort – und fällt heute kaum noch jemandem auf, sagt Matthias Tang von der Berliner Umweltverwaltung. Denn inzwischen haben nahezu alle Autos die grüne Plakette an der Windschutzscheibe, mit der zum Beispiel sie an dieser Stelle in die Berliner Innenstadt fahren dürfen:
"Wir beobachten, dass außerhalb und innerhalb der Umweltzone die Fahrzeuge eigentlich sich kaum noch unterscheiden."
Laut statistischem Bundesamt haben inzwischen 97 Prozent aller Dieselautos einen Partikelfilter und damit eine grüne Plakette, ebenso alle Benziner mit Katalysator. Vor zehn Jahren wurden in Berlin, Hannover und Köln die ersten Umweltzonen in Deutschland eingeführt – hauptsächlich um die Feinstaubbelastung in den Innenstädten zu reduzieren. Und diese Rechnung sei aufgegangen, freut sich Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe.
"Die Belastung an Feinstaub hat sehr stark nachgelassen und zwar insbesondere an dem Feinstaub, der jetzt nicht aus Blütenpollen oder Saharasand besteht und gesundheitlich unproblematisch ist, sondern der Feinstaub, den man so als Dieselruß aus Verbrennungsvorgängen kennt, der eben eine sehr hohe Toxizität aufweist."

Forderung von der Abschaffung der Umweltzone

Aber der habe laut Zahlen der Berliner Umweltverwaltung nur noch einen Anteil von vier Prozent am gesamten Berliner Feinstaub, so Frank Scholtysek von der Berliner AfD. Die fordert deswegen die Abschaffung der Umweltzone:
"Zwei Drittel aller gemessenen Feinstäube kommen aus ganz Europa und nicht aus Berlin. Und konkret hier aus häuslichen Heizungsanlagen, Kraftwerken, Kleingewerbe, aus Bautätigkeiten, aus Zigarettenrauch und aus dem gesamten Berliner Verkehrssystem. Und hier im Wesentlichen durch Abrieb, verursacht durch Reifen, durch Bremsen, durch sämtliche mechanisch beanspruchten Teile. Und hier erkennen wir, dass damit auch die U-Bahn, die S-Bahn und auch jedes Lastenfahrrad, jeder Tretroller und jedes Elektroauto zum Entstehen von Feinstaub beiträgt."
Unterstützung bekommt die AfD von der Berliner FDP: diese Feinstaubursachen, so Henner Schmidt, könnten nicht durch eine grüne Plakette an den Windschutzscheiben der Autos bekämpft werden, zumal sowieso fast alle Fahrzeuge inzwischen eine haben. Er wünscht sich deshalb andere Maßnahmen:
"Das Erste ist wirklich die Sache, über Pflanzen den Feinstaub zu mindern. Stuttgart experimentiert mit Mooswänden zur Bindung des Feinstaubs. Wir haben immer noch ein Problem mit dem Baustellenstaub in dieser Stadt, wir haben ein Problem mit dem aufgewirbelten Staub auf den Straßen, wo man im Sommer durch Sprengen auch einiges tun kann, um den zu binden. Es gibt viel mehr solchen Maßnahmen, um den Feinstaub zu senken und zwar nicht nur bei den Autos, sondern aus allen Quellen, aus denen der Feinstaub kommt."
Zum Beispiel Baumaschinen. Berlin hat deshalb inzwischen auch hierfür Umweltstandards erlassen. Sie gelten nur für Baustellen der öffentlichen Hand. Einen Rußpartikelfilter müsste es aber für alle Baumaschinen fordert die IG Bau – die Bauherren müssten das einfordern, so Gerhard Cittrich von der IG Bau. Es gehe dabei nicht nur um die Gesundheit der Anwohner, sondern auch um die der Arbeiter.
"Teilweise sind auf dem Bau die Maschinen 20, 25 Jahre alt, da gab es natürlich noch nicht die Technik wie sie jetzt ist. Es geht aber jetzt darum, die Altmaschinen nachzurüsten und da sagen mir die Hersteller, es gibt keinen Markt, weil Baumaschinen ja nicht so viel verkauft werden wie PKW und da kommt noch nicht richtig der Ruck, dass man das auch sehr ernst nimmt."


Eine Nachrüstung kostet 4000 Euro, die Arbeitgeber bekommen sogar einen Zuschuss von 2000 Euro, der werde aber bisher kaum angenommen.
Bundesweit gültige Ausnahmeregelungen für die Umweltzone haben neben Baumaschinen auch Fahrzeuge, die Kranke oder Behinderte transportieren, Feuerwehr, Polizei und teilweise auch Oldtimer.
Das ist ärgerlich, aber inzwischen gar nicht mehr das Hauptproblem, meint die Deutschen Umwelthilfe. Feinstaub habe man inzwischen einigermaßen im Griff. Die viel größere Gefahr sei die Stickoxidbelastung in den Innenstädten. Als vor zehn Jahren die Umweltzone eingeführt wurde, war die Stickoxidbelastung fatalerweise nicht mit einbezogen worden. Am gefährlichsten ist dabei das Stickstoffdioxid. Das ist ein ätzendes Reizgas, das Schleimhäute schädigt, die Augen reizt, zu Entzündungen, Atemnot, Husten, Bronchitis und Lungenödem führen kann. Es ist außerdem verantwortlich für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine verkürzte Lebenserwartung.
Umweltzone in Berlin
Umweltzone in Berlin© imago/Schöning

Grenzwerte werden immer noch nicht eingehalten

Die Belastungswerte in Berlin für Stickoxid, kurz NOX, seien zwar in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gesunken, aber das reicht nicht – die EU Grenzwerte werden immer noch nicht eingehalten, sagt Matthias Tang von der Berliner Umweltverwaltung
"Und ungefähr 50.000 Berlinerinnen und Berliner, die an diesen belasteten Straßen wohnen, sind in ihrer Gesundheit gefährdet. Auch, wie wir ja gelernt haben, in den letzten Jahren, weil ja die Dieselmotoren sehr viel mehr NOX ausstoßen, als in den Prospekten behauptet wird."
Die Deutsche Umwelthilfe hat wegen der Überschreitungen der Stickoxid Grenzwerte Berlin sowie 60 weitere Städte und Gemeinden verklagt. Wenn Deutschland sein Stickoxid-Problem nicht schnell in den Griff bekommt, will auch die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Untätigkeit verklagen. Fahrverbote seien deshalb das die einzige Möglichkeit, meint Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe:
"Warum macht ihr nicht einfach Fahrverbote und gebt damit den Autofahrern und der Industrie einen Grund, die schmutzigen Fahrzeuge nachzurüsten und sauber zu machen, weil dann kann man sie ja von den Fahrverboten befreien. Nur so wird es funktionieren und wird man kurzfristig dann dazu kommen, dass auch die Grenzwerte eingehalten werden können."

Bundesverwaltungsgericht urteilt über Fahrverbote

Berlin will, wenn möglich, Fahrverbote vermeiden. Allerdings entscheidet noch im Februar das Bundesverwaltungsgericht, ob Fahrverbote prinzipiell angeordnet oder angemahnt werden können. Man wolle aber erstmal alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, so Matthias Tang von der Berliner Umweltverwaltung:
"Das ist die Umrüstung der BVG-Busse , das ist jetzt auch die nach und nach umweltfreundliche Beschaffung von Autos im öffentlichen Fuhrpark, von Behörden, Ordnungsämtern, Gartenbauämtern usw. Das sind die Versuche, die im Frühjahr starten werden, den Verkehr stetiger zu gestalten, indem man die Geschwindigkeit reduziert und die Ampeln entsprechend anpasst."
Ob das alles reicht, werden am Ende die Messwerte, die Gerichte und die EU Kommission entscheiden. Dabei hätte man das Problem schon viel früher angehen können, sagt Jürgen Resch. Bereits bei der Einführung der Umweltzone habe die Deutsche Umwelthilfe auf das Problem Stickstoffdioxid hingewiesen und dafür zusätzlich eine blaue Plakette gefordert.
"Wir brauchen eine blaue Plakette, um in Zukunft in den Umweltzonen und auch darüber hinaus, die Fahrzeuge zu identifizieren, die nicht nur im Labor, sondern tatsächlich auch auf der Straße die Grenzwerte einhalten."
Und zwar, was Feinstaub und Stickoxide betrifft. Es gibt derzeit keine rechtliche Grundlage, Fahrzeuge aus Umweltzonen auszuschließen, die hohe Stickoxid-Emissionen verursachen, aber das könnte sich bald ändern.
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