Vorliebe für Kanons

Von Martina Seeber · 03.05.2012
Als Conlon Nancarrow international bekannt wurde, häuften sich bald die Anfragen nach spielbaren Werken von Ensembles, Orchestern, aber auch Pianisten. In einigen wenigen Fällen kam der Komponist den Bitten nach.
Im Grunde aber sah der ehemalige Einsiedler die ausschließliche Konzentration auf das mechanische Klavier nicht mehr als Kompromiss. "Ich bin vollständig auf das Player Piano fixiert", antwortete er auf eine entsprechende Anfrage, "ich müsste wieder anfangen zu denken, kann die Hand auch hierhin gelangen; kann sie dorthin gehen?"

Für die US-amerikanische Pianistin Ursula Oppens machte Nancarrow dann aber doch eine der wenigen Ausnahmen. In den beiden Kanons, die Ursula Oppens 1988 in New York zur Uraufführung brachte, kommt ein Prinzip zur Anwendung, das er sehr schätzte. Er überlagert die Kanonmelodie in unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

In "Canon A" stehen die Stimmen im Verhältnis 5:7. Damit sich die Tempoverhältnisse leichter verfolgen lassen, sind die melodischen Elemente betont einfach und fasslich gestaltet. Seine Vorliebe für Kanons erklärte Conlon Nancarrow mit ihrer formalen Schlichtheit. Ein Kanon bringt die Finessen des temporalen Kontrapunkts weit besser zur Geltung als zwei unterschiedliche Stimmen.

Stücke für ein mechanisches Klavier - Conlon Nancarrow: Study Nr. 6 for player piano (arr. Laboratorium 2012)
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