Vorgespult

Unsere Kino-Tipps für nächste Woche

Von Christian Berndt · 13.08.2016
IIn der kommenden Woche starten drei Filme, die vom Unterschied zwischen Utopie und Realität handeln: die einfallslose Comic-Verfilmung "Suicide Squad", der französische Spielfilm "Alles, was kommt" und der US-Familienfilm "Captain Fantastic".

"Suicide Squad" - einfallslose Comic-Verfilmung

Amerika trauert, denn Superman ist tot. Wer soll sich nun der Bedrohung durch finstere Mächte entgegenstellen? Geheimdienstagentin Waller hat einen verwegenen Plan:
- Ich möchte eine Spezialeinheit der gefährlichsten Menschen auf dem Planeten zusammenstellen. Denn ich glaube, dass sie Gutes tun können.
- Wir reden über die Bösen?
- Ganz genau. Und wenn irgendetwas schief läuft, geben wir ihnen die Schuld.
Die größten Verbrecher der Welt werden mit der Aussicht auf Strafverkürzung vorübergehend freigelassen. Sie sollen in einem Himmelfahrtskommando die drohende Vernichtung der Welt verhindern. Das neueste Werk aus der Reihe der DC-Comic-Verfilmungen, "Suicide Squad", fährt ein schrilles Team von Super-Schurken auf, mit dabei Will Smith als Auftragskiller Deadshot. Im Gegensatz zu den positiven Super-Helden der Konkurrenz von Marvel-Film setzt DC auf Verbrecher und Psychopathen. Eigentlich eine gute Idee, wenn man an düstere Comic-Verfilmungen wie "The Dark Knight" denkt. Aber statt dunkle Charaktere zu entwickeln, inszeniert Regisseur David Ayer seine Antihelden ironisch als schräge Draufgänger. Eher flache Figuren, denen im uninspiriert aneinandergereihten Dauergeknalle sowieso keine Chance zur Entfaltung bleibt. Das einzig wirklich Überraschende an "Suicide Squad" ist die erstaunliche Einfallslosigkeit.

"Alles, was kommt" - dafür gab's den Silbernen Bären

Stärker könnte der Kontrast von diesem Dauerlärm zum französischen Spielfilm "Alles, was kommt" kaum sein. Die Philosophielehrerin Nathalie, gespielt von Isabelle Huppert, ist seit 25 Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Sie liebt ihren Beruf, schreibt Lehrbücher – kurzum – ein zufriedenes Leben. Doch dann verlässt sie ihr Mann wegen einer Jüngeren, und es folgen weitere Schläge: Ihre Mutter stirbt und der Verlag will ihre Buchreihe beenden. Trotzdem fühlt sich Nathalie in gewisser Weise befreit. Sie besucht einen ehemaligen Schüler in seiner Landkommune und genießt das neue Lebensgefühl. Gleichzeitig erlebt sie schmerzhaft die Fremdheit zwischen sich und den Jüngeren:
- Du gehst auf Demonstrationen, unterschreibst Manifeste, und schon hältst Du Dich für eine engagierte Intellektuelle. Du hast ein gutes Gewissen und stellst Deine Lebensart nicht infrage.
– Du meinst, meine bürgerliche Lebensart? Das sind doch überholte Denkstrukturen. Stimmt, ich will keine Revolution anzetteln. Mein Projekt ist viel bescheidener, ich will jungen Menschen selbständiges Denken beibringen.
Mia Hansen-Løve beschreibt in "Alles, was kommt", für den sie auf der Berlinale den Silbernen Bären bekam, Nathalies Zustand zwischen Freiheitsgenuss und Einsamkeit ohne besondere Dramatik. Wie schon in ihrem Film "Eden" über den verblassenden Ruhm eines DJs, fängt die französische Regisseurin auch hier einen schleichenden Veränderungsprozess in präzisen Nuancen ein. Gerade weil die großen tragischen Wendungen fehlen und man Nathalies Konfrontation mit der neuen, ernüchternden Realität sehr alltäglich erlebt, wirkt "Alles, was kommt" auf bewegende Art echt.

Familienfilm "Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück"

Im Gegensatz zu Nathalie haben die Helden des amerikanischen Spielfilms "Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück" sich für ein revolutionäres Leben entschieden. Ben, gespielt von Viggo Mortensen, und Leslie lehnen die kapitalistische Gesellschaft ab, deshalb leben sie mit ihren sechs Kindern in der amerikanischen Wildnis. Dort jagen sie wie bei "Herr der Fliegen" im Lendenschurz. Aber am Lagerfeuer wird studiert:
Vesp, wie kommst Du voran?
– Ich bin fertig mit Kapitel 12, "The World on a String."
– Gut, dann gib uns morgen eine kurze Einführung in die M-Theorie und diskutieSuper-Schurken, re mit Bo und Rell über Witten und Derek.
Die Kinder sind geistig und körperlich auf Topniveau. Doch das Idyll ist vorbei, als die Mutter stirbt. Die Familie fährt zur Trauerfeier bei den Schwiegereltern, und die fordern nun das Sorgerecht für die Kinder. Und auch zwischen Ben und seinem flügge werdenden Sohn Bo brechen Konflikte aus:
- (Brüllt) Ich weiß gar nichts! Ich bin ein Freak, deinetwegen. Du hast aus uns Freaks gemacht. Ich weiß doch alles nur aus den scheiß Büchern, aber sonst habe ich keine Ahnung, von rein gar nichts.
Regisseur und Autor Matt Ross inszeniert "Captain Fantastic" spannungsvoll und mit anteilnehmendem Blick, ohne die Welt dieser hippiehaften Wildnis-Familie ins Exotische zu ziehen. Der Film wirft interessante Fragen über die Möglichkeit von Utopien auf, aber leider neigt Ross im Verlauf des Films immer stärker zur Idealisierung der Familie, die sich am Schluss fast zu einer Art Mischung aus Urwald-Waltons und Kelly Family entwickelt. Im Bemühen, seine Helden ernst zu nehmen, übertreibt es Ross mit der Suche nach einer versöhnlichen Auflösung.