Vorbild Fußballprofis

Tätowierungen als Kick fürs Selbstbewusstsein

04:47 Minuten
Jérôme Boateng mit freiem Oberkörper und Rückentattoos am Spielfeld
Bayern-Profi Jérôme Boateng schwört auf die Kraft von Tattoos und ist Kunde in einem Studio in Berlin-Spandau. © imago images
Von Jonas Lüth  · 01.03.2020
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Viele Fußballprofis schmücken sich mit Tattoos, im Tennis dagegen ist die Körperbemalung seltener. Ein Studio in Berlin-Spandau hat zahlreiche prominente Sportler als Kunden – und beobachtet inzwischen einen Trend zu kleineren Motiven.
"Heute bist du schöner und cooler, wenn du nicht tätowiert bist, weil jeder Tattoos hat", sagt Kevin-Prince Boateng, der derzeit bei Beşiktaş Istanbul unter Vertrag steht. Der volltätowierte Fußballer mit Berliner Wurzeln bereut inzwischen seine Tattoos.
Sein Bruder, Weltmeister und Bayern-Profi Jérôme Boateng, geht dagegen weiterhin fleißig ins Studio "Love is Pain" nach Berlin-Spandau. Dort tätowiert Tim Derobertis mit seinem Team auch bekannte Sportlerinnen und Sportler.
Die Mitarbeiter des Tattoo-Studios "Love is Pain" in Berlin-Spandau. Sie tätowieren auch bekannte Sportlerinnen
Die Mitarbeiter des Tattoo-Studios "Love is Pain" in Berlin-Spandau. Sie tätowieren auch bekannte Sportlerinnen © Jonas Lüth
"Fußball ist in aller Munde hier in Deutschland, deswegen sind die Fußballer auch von Kopf bis Fuß tätowiert. Danach kommt Basketball, da ist es ein bisschen weniger", sagt Derobertis.
"Eine Sportart wie Tennis, die halt in Deutschland nicht ganz so populär ist, da hat man auch tatsächlich weniger Tattoos und die Tennisspieler, die wir tätowiert haben, die haben auch wirklich nur kleine Sachen und nicht so die ganzen Arme zugehackt. Also, insofern muss ich sagen: umso populärer die Sportart ist, umso populärer ist auch der Drang zu Tattoos."
Im geschäftigen Spandauer Studio fällt immer wieder der Begriff der Stärke. Denn es kostet Kraft, sieben Stunden lang Tinte unter die Haut gestochen zu bekommen. Dazu kommt die Bedeutung der Motive, so Derobertis.
"Gerade wenn wir bei Kraft und Stärke sind, ist der Löwe ein ganz gutes Beispiel, viele lassen sich Löwen tätowieren, weil sie einfach nach außen hin Stärke zeigen wollen."

Als Modeaccessoire salonfähig

Einst brachten Seefahrer die Tätowierkunst von der Südsee nach Europa. Lange blieb das Tattoo ein Merkmal von Gefängnisinsassen und anderen harten Hunden, verschrien als ein Symbol der sogenannten Unterschicht. Im Fußball machte der Engländer David Beckham Anfang der 2000er-Jahre die Tätowierung als Modeaccessoire salonfähig. Kevin-Prince Boateng meint, die Tattoos seien eine Art Schutzmauer, ohne die wir uns nackt fühlten.
"Also, kann ich mir schon ganz gut vorstellen tatsächlich, weil für mich zum Beispiel Tätowierungen schon auch mein Selbstbewusstsein ein bisschen anheben, jetzt nicht in 'ich bin hochnäsig' oder sowas, aber man fühlt sich schon ein bisschen besser", sagt Vici Bischof, die zum Team von 'Love is Pain' gehört.
Die Leute hätten einen anderen Blick auf sie, wenn sie sähen, dass sie tätowiert ist. "Ich bin dann nicht mehr ein braves, nettes Mädchen, sondern vielleicht in die andere Schiene. Was halt natürlich nicht stimmt, weil nur weil man Tätowierungen hat, heißt das ja nicht, dass man genau in dieser Schublade steckt."

Tennisspieler ohne Tattoos

Tattoos machen Leute. Sie dienen der Stärkung der eigenen Persönlichkeit, dem Ausdruck der Liebe zum eigenen Körper oder der Kunst als solcher. Mittlerweile sind sie fester Bestandteil der Popkultur. Vor allem im Fußball, ob nun Profi oder Amateur. Ein anderer Mitarbeiter, Dennis Walter, erzählt:
"Bei uns beim Fußball in der Mannschaft, da sind, glaube ich, 80 Prozent der Leute tätowiert. Dann wiederum hab ich auch Tennis gespielt jahrelang und da war nicht einer tätowiert. Beim Fußball ist das ganz normal, also wenn du keins hast, dann bist du schon fast out."
Als Alleinstellungsmerkmal hat die Tätowierung im Fußball wohl ausgedient: Cristiano Ronaldo beispielsweise hat keine. Offiziell, weil Blutspenden unmittelbar nach Tätowierungen nicht erlaubt sind. Eine Besonderheit ist er dadurch unter den extravaganten Superstars allemal.

Kleine Motive angesagt

Der Trend geht von großflächigen Motiven zu kleinen, vereinzelten, wie man an den Tattoos der US-amerikanischen Fußballerin Megan Rapinoe beobachten kann. Diesen Eindruck bestätigt auch Tim:
"Was ich festgestellt habe, ist, dass die Tattoo-Motive immer mehr ins Minimalistische gehen. Also früher war es total in, den ganzen Arm voll zu haben mit Wolken, mit betenden Händen, mit Sprüchen und noch was. Aber die ganzen Leute, die sich jetzt neu tätowieren lassen – also Zielgruppe bei uns ist so 18 bis 25 Jahre – die lassen sich alle nur noch so kleine Sticker überall hin tätowieren."
Die Tätowierkunst ist stetig im Wandel und Profifußballer haben maßgeblich zu ihrer Normalisierung und Akzeptanz beigetragen: klassen-, geschlechts- und altersübergreifend. Cool ist nun nicht mehr, ob man tätowiert ist, sondern vielmehr wie.
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