Vor fünf Jahren: Hitzlspergers Coming-out

„Ich bin froh, dass ich mich damals geäußert habe“

Ex-Fußball-Profi Thomas Hitzlsperger lacht.
Hitzlsperger wirbt für Toleranz und macht auch anderen homosexuellen Sportlern Mut. © imago sportfotodienst
Von Moritz Cassalette · 08.01.2019
Vor fünf Jahren sprach Thomas Hitzlsperger erstmals öffentlich über seine Homosexualität. Bereut hat der Ex-Nationalspieler diesen Schritt nicht - auch wenn sich dadurch im deutschen Profifußball nicht viel geändert zu haben scheint.
Hitzlsperger ist ein zufriedener Mann. Er muss nicht lange überlegen, ob sein mutiger Schritt richtig war oder nicht:
"Ich kann auch sagen, dass das Leben für mich sehr gut weiter gegangen ist und bin froh, dass ich mich damals geäußert habe."
Es sind Türen aufgegangen, sagt Hitzlsperger. Und er würde es gerne noch ein zweites Mal tun - so wie vor fünf Jahren.
Sein Coming-out schaffte es in fast alle deutschen Medien:
"Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat heute ein Zeichen gesetzt."
"Thomas Hitzlperger, der heute in einem Interview mit der Zeit seine eigene Homosexualität öffentlich machte ..."
"Das Fernsehen berichtet, die Zeitungen sind voll, die Menschen reden. Also keine Frage, Hitzlsperger hat für mächtigen Rummel gesorgt."
Sogar die Kanzlerin hat sich damals dazu geäußert:
"Jeder, der die Kraft aufbringt, den Mut hat, sollte wissen, dass er in einem Land lebt, in dem er sich eigentlich nicht davor fürchten sollte."

Niemand folgte Hitzlspergers Beispiel

Doch bis heute ist Thomas Hitzlsperger im deutschen Männer-Fußball allein geblieben mit seinem Coming-out.
Hitzlsperger: "Dass andere Spieler sich nicht geäußert haben, das steht nicht in meiner Macht. Ich glaube trotzdem, dass es viele Fortschritte im Profisport gegeben hat. Es gibt, glaube ich, jetzt eine ganz andere Gesprächsebene, auch wenn wir über sexuelle Vielfalt sprechen. Es ist kein so ein Tabu mehr, wie es vielleicht vor fünf Jahren war."
Viele Bundesligisten und Fangruppen engagieren sich gegen Homophobie. Wie kaum ein anderer Vereinspräsident wirbt Eintracht Frankfurts Peter Fischer seit Jahren für Toleranz. Doch ausgerechnet er sagt im Interview mit der ARD-Radio-Recherche Sport, die Zeit für das Coming-out eines aktiven Fußball-Profis sei noch nicht reif:
"Ich würde heute sagen und dafür muss man sich einfach schämen und dafür schäme ich mich für die Gesellschaft: Wenn jemand zu mir käme, ein junger Sportler mit 24 oder 25 Jahren, so mitten in seiner Karriere und ob ich ihm das raten würde. Und wenn ich dann ganz tief in mich hinein schauen würde, müsste ich im Prinzip auch nein sagen."
Fischer glaubt auch nicht, dass sich das Umfeld für homosexuelle Fußballer in den kommenden fünf bis zehn Jahren ändern wird:
"Das macht mich dann doch schon traurig, wenn ich das selber sage."

Der Ex-Fußballer will anderen Mut machen

Und Thomas Hitzlsperger ärgert sich, wenn er das hört:
"Das ist schade, dass er das sagt. Ich finde das auch bei Fußball-Profis schade, wenn sie sagen, sie hielten das für keine gute Idee. Die sprechen über was, wovon sie keine Ahnung haben, deshalb sollten sie es auch nicht sagen. Ich weiß da jetzt auch mehr und kann nur sagen: Arbeitet nicht immer mit den Ängsten und sagt den Leuten, was alles sein könnte, bitte lasst die Finger davon – nein, das ist genau das Falsche."
Es wird sehr deutlich, dass Thomas Hitzlsperger als Mutmacher vorangehen will, immer wieder betont, dass viele Bedenken vor einem Coming-out unbegründet seien. "Das Problem sind nicht die Zuschauer oder Gegenspieler", sagte er. Oft seien es die Berater:
"Die Erfahrung habe ich auch gemacht, dass mein Umfeld ... Ich wollte an die Öffentlichkeit gehen und die meisten dachten, das geht nicht gut. Da kann ich nur raten: Höre auf die eigene Stimme, die ist stärker und bedeutender als das, was dir Außenstehende raten können."
Ob es irgendwann einen aktiven Bundesliga-Profi geben wird, der sich outet, weiß Hitzlsperger nicht:
"Wir können helfen, Vorurteile abzubauen und für Toleranz zu werben. Das ist das viel Wichtigere."
Aber wenn, bekäme der wohl die gleiche Aufmerksamkeit wie Hitzlsperger vor fünf Jahren.
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