Vor der Wahl in Russland

Eine deutsche Wahlbeobachterin im Fokus der Medien

Homepage der Wahlbeobachterplattform EPDE
Die Wahlbeobachterplattform EPDE gilt in Russland mittlerweile als "unerwünschte Organisation". © Screenshot EPDE
Von Thomas Franke · 01.05.2018
Der russische Fernsehsender NTW gibt sich investigativ. Wie dort gearbeitet wird, bekam eine deutsche Wahlbeobachterin in Berlin zu spüren. Sie sei abgehört und heimlich gefilmt worden, berichtet die Leiterin der Wahlbeobachterplattform EPDE, die in Russland als "unerwünschte" Organisation eingestuft wurde.
Die Sendereihe heisst Tsch P Rassledowanija - Ausserordentliche Ereignisse - Enthüllungen. Heute: "Eine fremde Stimme."
Rasante Schnitte. Köpfe, heimlich gefilmte Treffen, verfremdete Stimmen, Hände, die Dollarnoten in einen Briefumschlag stecken.
Die Sendung im kremlnahen russlandweiten Fernsehsender NTW gibt sich investigativ. Diesmal geht es um Wahlbeobachtung. Opfer der Pseudo-Reporter: die russische Wahlbeobachterorganisation Golos.
Golos heißt Stimme, daher auch der Titel des Films, Fremde Stimme. Er unterstellt, die Organisation werde aus dem Ausland gelenkt. Die Wahlbeobachter sind Lieblingsfeinde der russischen Regierung. Golos wurde 2013 als erste Organisation in das Register ausländischer Agenten eingetragen.
Der kurz vor der Präsidentenwahl im März ausgestrahlte Film stellt sie erneut als käufliche Handlanger des Westens dar.

Ein Interviewer mit falscher Identität

Mit am Pranger: die Deutsche Stefanie Schiffer. Sie leitet die internationale Wahlbeobachterplattform EPDE, European Platform for Democratic Elections, mit Sitz in Berlin.
"Ich habe einen Telefonanruf bekommen. Da hieß es, der Vorsitzende der ukrainischen Parlaments möchte sich mit Ihnen über die Wahlen unterhalten. Und dann habe ich mich mit dem Herrn unterhalten und dann hat sich herausgestellt, das war nicht der Vorsitzende des ukrainischen Parlaments."
Sondern ein Anrufer im Dienste von NTW. Er stellte Schiffer Fragen, ihre Antworten wurden sinnentstellend zusammengeschnitten. Im Film sagt der Mann über die Deutsche:
"Wieder so eine Figur mit schmutzigen Händen, die versucht, mittels ihrer kleinen Marionetten unser Land nach Kräften mit Dreck zu beschmeißen."
Der Film behauptet, die EPDE bereite eine heimliche Kampagne vor, die Wahlen in Russland um jeden Preis in schlechtes Licht zu rücken, und die EPDE bezahle Golos dafür. Tatsächlich ist Golos aber nur Teil eines europäischen Netzwerks von Wahlbeobachtern, das sich unter dem Titel EPDE austauscht. Offensichtlich ist unabhängige Wahlbeobachtung in Russland unerwünscht. Die letzten Wahlen waren bereits im Vorfeld massiv manipuliert worden.
Filme wie der auf NTW sind ein wesentliches Instrument der Regierung in Russland, um landesweit die Bevölkerung gegen missliebige Personen und Organisationen aufzuhetzen.

Sie wurde abgehört und heimlich gefilmt

Im Fall Schiffers war der fingierte Anruf aus Kiew nicht alles.
"Da wurden Zitate von mir, die ich in Telefonaten geführt hatte, sinnentstellt wiedergegeben. Die Telefonate wurden abgehört. Außerdem wurde ich mit verdeckter Kamera bei Begegnungen mit Partnern in Russland gefilmt."
Alles wirkt sehr koordiniert. Vier Tage vor der Ausstrahlung des halbstündigen Films hatten die russischen Behörden die Wahlbeobachterplattform zur unerwünschten Organisation erklärt. Mit heftigen Konsequenzen.
"Die zentrale Auswirkung ist eigentlich, dass unsere russische Partnerorganisation auf der Plattform, die Wahlbeobachtungsorganisation Golos, dass die jetzt an der Zusammenarbeit mit uns gehindert ist, dass die Menschen, die mit uns arbeiten, russische Staatsbürger, dass die strafrechtlich verfolgt werden für die Zusammenarbeit. Dadurch soll die russische Zivilgesellschaft weiter isoliert werden und die unabhängigen Wahlbeobachter sollen in ihrer Arbeit eingeschränkt und eingeschüchtert werden."
Mit Sorge beobachtet Schiffer, dass diese Diffamierungen in Deutschland Unterstützer finden.
"In dem Moment, wo wir und unsere russischen Partner diesen Einschüchterungen und Diffamierungen unterliegen, beobachten wir, dass der Kreml in Deutschland mit Politikern der extremen Rechten und der extremen Linken kooperiert, die dem russischen Regime dabei behilflich sind, gefälschte Wahlen in der russischen Föderation zu legitimieren. Und die, auch das gehört zum Bild, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim international gut heißen. Gegen einen dieser, politisch motiviertem Wahlbeobachter, also Fakeobserver des Kreml, gegen den russlanddeutschen Stadtverordneten der Linken Andreas Maurer aus Quakenbrück, läuft in diesen Tagen ein Gerichtsverfahren wegen Wahlfälschungen in Osnabrück."
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