Vor Bremer Baumwollkonferenz

"In einer fairen Welt gibt es keine T-Shirts für drei Euro"

Blick in eine Textilfabrik in Indonesien
Hunderte Näherinnen in einer Schicht: Blick in eine Textilfabrik in Indonesien © dpa / picture alliance / Guido Meisenheimer
Moderation: Korbinian Frenzel · 19.03.2014
Hinter einem Kleidungs-Schnäppchen könnte Ausbeutung stecken. Gütesiegel sollen hier Klarheit schaffen. Nach Einschätzung der Konsumforscherin Sabine Ferenschild, lügen aber oft auch Labels. Es fehlten Standards.
Korbinian Frenzel: Wenn ein T-Shirt drei Euro kostet, ein neues T-Shirt, dann ist das möglicherweise erst mal nur ein Schnäppchen. Möglicherweise steckt dahinter aber auch schlicht und einfach eine schlimme Ausbeutungsgeschichte. Wir alle sind da sensibler geworden, seitdem Horrorgeschichten von unmenschlichen Arbeitsbedingungen in vielen asiatischen Ländern bekannt geworden sind, wir Verbraucher, aber auch große Textilketten. Das zumindest ist das Versprechen. Ob es eingelöst wird, wie die Arbeitsbedingungen in den betroffenen Ländern wirklich aussehen, darüber spreche ich jetzt mit Sabine Ferenschild vom Südwind Institut. Guten Morgen!
Sabine Ferenschild: Guten Morgen!
Frenzel: In Bremen trifft sich ab heute alles, was Rang und Namen hat in der internationalen Baumwoll-Produktion, zur Bremer Baumwoll-Konferenz. Da könnte man sich ja feiern, wenn die Dinge so wären, wie sie sein sollten. Aber Sie machen, gemeinsam mit vielen NGO’s zusammen, so eine Art Gegengipfel. Warum?
Ferenschild: Zumindest eine Gegenaktion, um nämlich darauf aufmerksam zu machen, dass bei dieser internationalen Baumwoll-Konferenz, bei der ja wichtige Akteure und Akteurinnen im globalen Baumwoll-Handel vertreten sind, ein ganz zentrales Thema oder vielleicht sogar zwei zentrale Themen ausgeklammert sind. Das eine sind die Arbeitsbedingungen im globalen Baumwollanbau und der Baumwollverarbeitung und das andere sind die ökologischen Probleme, mit denen die Baumwollbauern und Bäuerinnen konfrontiert sind. Das spielt aber auf der Konferenz kaum eine Rolle.
Frenzel: Dann fangen wir mal an mit dem ersten Problem: mit den Arbeitsbedingungen, die Sie genannt haben. Daraus schließe ich, dass sich die Dinge noch nicht wirklich verbessert haben, trotz der Skandale?
Ferenschild: Nein, das kann man nicht sagen, denn die Skandale, die bei uns eigentlich an die Öffentlichkeit gedrungen sind, die betrafen ja primär das Ende der textilen Kette, nämlich die Probleme in der Konfektionierung. Ich erinnere nur an den Zusammenbruch des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesh vor einem Jahr mit über 1100 Toten. Die Aufmerksamkeit im Baumwollanbau ist meistens gerichtet auf ein großes Ausmaß an Kinderarbeit, das dort systematisch eingesetzt wird, vor allem in Ländern wie Usbekistan, aber auch in China. Kinder, die unter zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen systematisch in der Baumwollernte eingesetzt werden und dadurch ja nicht nur die Schule verpassen, sondern auch Schaden nehmen an ihrer Gesundheit. Das sind Themen, die von der Baumwoll-Konferenz überhaupt nicht thematisiert werden.
Frenzel: Was müsste da passieren Ihrer Meinung nach?
Ferenschild: Wichtig wäre, glaube ich, dass der Preis, den die Bauern für ihre Baumwolle erhalten, deutlich höher sein müsste, damit sie in der Lage sind, mit der Arbeit von Erwachsenen die Arbeit auf den Feldern zu leisten und die Kinder in der Schule lassen können.
Frenzel: Jetzt haben wir über die Arbeitsbedingungen gesprochen. Sie haben die Umweltbedingungen angesprochen. Was liegt da im argen? Was sind da die Hauptprobleme?
Ferenschild: Der Baumwollanbau ist sehr chemikalienintensiv. Ein großer Teil der weltweit in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide wird im Baumwollanbau eingesetzt. Der Teil kontrolliert biologisch angebauter Baumwolle ist immer noch viel, viel zu gering. Er liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich, und da muss einfach viel mehr getan werden. Da sehe ich wirklich eine große Verantwortung der großen Firmen, die mit Baumwolle handeln, aber auch der Bekleidungshändler. Ich halte die Politik, auf mehr nachhaltige Baumwolle zu setzen, eigentlich für Augenwischerei, weil darunter eigentlich ein moderaterer Pestizid- und Chemikalieneinsatz verstanden wird, aber keine konsequente Umstellung auf ökologische Baumwolle.
Man sollte genauer hinschauen
Frenzel: Das heißt, wenn Ketten wie H&M um Beispiel grüne Label anbieten, dann sollte man dem nicht voll und ganz vertrauen?
Ferenschild: Nein, sondern dann sollte man noch mal genauer hinschauen: Meinen die wirklich kontrolliert biologisch angebaute Baumwolle, also ohne einen hohen Chemikalieneinsatz, oder meinen sie nachhaltige Baumwolle, also eine, ich würde mal sagen, eher abgeschwächte Version. Wichtig ist, dabei noch zu betrachten – und auch darauf wollen wir mit unserer Aktion hinweisen -, dass ja mittlerweile ungefähr drei Viertel der weltweit geernteten Baumwollmenge aus gentechnisch veränderter Baumwolle besteht, und nur im kontrolliert ökologisch angebauten Bereich kann man sicher sein, dass man da Gentechnikfreiheit hat, weil die ökologische Baumwolle komplett separat verarbeitet wird.
Frenzel: Sie müssen jetzt keinen Namen nennen, aber gibt es denn große Ketten, die all diese Wünsche, diese Forderungen, die Sie da aufstellen, erfüllen?
Ferenschild: Nicht komplette Ketten, aber es gibt einige glaubwürdige Initiativen, die zeigen, dass man da vorangehen kann, und dazu gehört das Siegel des Internationalen Verbandes Naturtextil, der Global Organic Textil Standard. Das ist schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der auf der ökologischen Ebene meines Erachtens sehr glaubwürdig ist. Im sozialen Bereich überprüfen sie auch Standards, das wäre noch ausbaufähig.
Frenzel: Wenn die Welt so fair wäre, wie sie sein sollte, gibt es dann noch T-Shirts für drei Euro?
Ferenschild: Nein, das denke ich nicht. Das ist weder ein nachhaltiger zukunftsfähiger Preis, noch drücken sich darin vernünftige Bedingungen aus. Ich glaube, der Weg muss in Richtung mehr Qualität, mehr Ökologie und mehr Sozialstandards gehen.
Frenzel: Und das ist dann die Verantwortung für uns als Verbraucher. – Sabine Ferenschild vom Südwind Institut, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Ferenschild: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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