Vor 30 Jahren

Privatbankier Iwan Herstatt wird verurteilt

Von Hartmut Goege · 16.02.2014
Iwan David Herstatt wurde 1984 für einen besonders schweren Fall von Bankrott und Untreue verurteilt. Im damals größten deutschen Bankenskandal seit der Weltwirtschaftskrise sollte er für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Strafkammer machte Herstatt hauptverantwortlich für den Konkurs seiner Kölner Privatbank.
"Ich hatte mir einen Freispruch erhofft, aber das ist eben nicht so gelaufen. Sie werden in die Revision gehen? Selbstverständlich!"
Iwan David Herstatts erste Reaktion auf seine Verurteilung durch das Landgericht Köln. Im damals größten deutschen Bankenskandal seit der Weltwirtschaftskrise 1931 sollte er viereinhalb Jahre Gefängnis für einen besonders schweren Fall von Bankrott und Untreue erhalten. Die Strafkammer machte Herstatt am 16. Februar 1984 hauptverantwortlich für den Konkurs seiner Kölner Privatbank. Zehn Jahre zuvor, 1974, war sein Geldinstitut vom Bundesaufsichtsamt geschlossen worden. Der Grund: Herstatts Devisen-Spekulanten sollten 480 Millionen Mark verzockt haben. Für Köln damals ein Schock. Tagelang harrten verzweifelte Kunden vor dem Bankgebäude aus:
"Ich bin Kaufmann, 40 Jahre. Und das ist mein bitter erspartes Geld aus den letzten 20 Jahren. Ich bin hier, weil ich in der nächsten Woche 42.000 Mark für das neuerbaute Haus zahlen muss."
Noch bis 14 Tage vor der Schließung wollte der Bankier von all dem nichts gewusst haben:
"Mir selbst als Leiter war bis zum 10. Juni von Verlusten nichts bekannt. Aber es ist also scheinbar doch so gewesen, dass die Devisenabteilung mehr Geschäfte gemacht hat als sie der Geschäftsleitung gegenüber zugegeben hat."
"Ich habe auf allen Gebieten Beziehungen gesammelt"
Das aber nahmen ihm die Richter nicht ab, denn sie konnten ihm nachweisen, schon 1973 die Bilanz um 100 Millionen gefälscht zu haben. Den Schwarzen Peter schob Herstatt an seinen Chefdevisenhändler Dany Dattel weiter. Doch der wehrte sich:
"Er hat die Verantwortung zu tragen, das war seine Bank, das war seine Geschäftspolitik, und dazu hat er zu stehen."
"Geldanlegen darf kein Glücksspiel sein" lautete der Slogan, mit dem die 1955 gegründete Herstatt-Bank als zweitgrößte deutsche Privatbank warb. Man bot etwas mehr fürs Festgeld, nahm etwas weniger für Kredite und verstand sich auf persönlichen Service. Das lockte Kunden, ob einfache Bürger, Karnevalsvereine oder das Kölner Erzbistum. Um alles kümmerte sich der Chef, ein kölsches Urgestein, persönlich.
"Na ja, wenn die Lawine mal läuft, dann läuft sie ja erfreulicherweise. Ich bin ja in 52 Vereinen gewesen, davon in zwölf Vereinen Schatzmeister. Und habe also nun auf allen Gebieten Beziehungen gesammelt und das natürlich immer mit der Akquisition eines Kontos verbunden."
Am Ende fehlten 1,2 Milliarden
Das Bankhaus lebte weniger von den mageren Zinsmargen als vielmehr von den Gewinnen des Devisenhandels. 1971 war das System der festen Wechselkurse gegen ein flexibles ersetzt worden: Der spekulative internationale Devisenhandel war geboren. Dieses Spiel wurde bei Herstatt von den Einlagen der rund 25.000 Kunden finanziert. Und Dany Dattel hatte eine besonders glückliche Hand. Er und seine Mitarbeiter - Herstatt nannte sie "seine Goldjungs" - fuhren enorme Gewinne ein, weil sie auf einen steigenden Dollar gewettet hatten. Irgendwann aber begann die Lawine in die falsche Richtung zu laufen. Dattel und sein Team saßen auf einem Riesenberg Dollar fest, der ständig an Wert verlor. Eine Todsünde in der Branche. Den Vorwurf des Glücksspiels aber wies Dattel zurück:
"Das ist kein Spielcasino. Sie können nicht immer auf die Wohltaten dieses Systems zurückgreifen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Mechanismen dieses Systems ignorieren oder gar verteufeln."
Erst 1983 erfassten Experten der Bundesbank das ganze Ausmaß: Am Ende fehlten 1,2 Milliarden. Peanuts natürlich gegen die amerikanische Lehman-Brothers-Insolvenz, die ab 2008 zu einem globalen Finanz-Kollaps von 15 Billionen Dollar Vermögensverlusten führte. Für die Kunden der Herstatt-Bank lief die Pleite dank eines Sicherungsfonds des Hauptaktionärs Hans Gerling noch glimpflich ab. Kleinanleger erhielten ihre vollen Einlagen zurück, große Gläubiger bis zu 75 Prozent.
Herstatts Anwalt erreichte die Aufhebung des Urteils. Ab 1987 wurde erneut verhandelt. Ein medizinisches Gutachten bestätigte Herstatt das sogenannte Pickwick-Syndrom, eine Krankheit, bei der der Patient ständig einzuschlafen droht. Im Gericht musste ein Arzt in der Nähe sitzen, um ihn notfalls wieder aufzuwecken. Nur noch zwei Jahre auf Bewährung lautete das neue Urteil. Herstatt allerdings war bis zu seinem Tod 1995 von seiner Unschuld überzeugt.
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