Von wegen dicke Saucen und schweres Gemüt! Die verkannte deutsche Lebensart

Moderation: Gisela Steinhauer · 29.12.2012
<em>Deutsche Lebensart</em> - ist das nicht schon ein Widerspruch in sich? Schauen wir nicht eher neidvoll auf das italienische <em>Dolce Vita</em> oder das französische <em>Savoir- vivre</em>? Inwiefern sind wir Deutschen fähig zu Genuss und <em>Laissez-faire</em>?
"Wir haben die Leichtigkeit nicht erfunden, aber wir arbeiten daran",

sagt der Gastronomiekritiker und Kulturhistoriker Erwin Seitz. In seinem neuen Buch "Die Verfeinerung der Deutschen. Eine andere Kulturgeschichte" räumt er mit den landläufigen Verurteilen gegen die genussfreien und gemütsschweren Deutschen gründlich auf und tritt den Beweis an, dass auch wir Deutschen fähig sind zur leichten Lebensart.

Der gebürtiger Franke – gelernter Metzger, leidenschaftlicher Koch, und bekennender Genießer – ist das beste Beispiel dafür. Nach dem Motto "Platz ist in der kleinsten Hütte" lädt er seine Freunde gern zu "Bow-Tie-Parties" in seine Mini-Küche ein. Die Gäste sollen dabei – ganz nach dem britischen Vorbild - schick gestylt auftauchen, die Herren zum Beispiel mit der klassischen Fliege, der "Bow Tie". Dann wird gemeinsam gekocht und getafelt – bei guten Zutaten und gutem Wein.

"Nicht Masse, Klasse!"

- lautet sein Prinzip.

"Es reicht ein Herd, ein Kühlschrank, ein Schneidebrett, dann diese guten Zutaten, also diese gute Vorratskammer mit gutem Salz, guten Gewürzen, guten Ölen, guten Essigen und das frische Gemüse einkaufen."

Das erledigt er leidenschaftlich gern in der Markthalle in Berlin-Kreuzberg oder auf dem Wochenmarkt und gerät ins Schwärmen über die italienische Pasta, die schon Anfang des 19. Jahrhunderts nach Deutschland kam oder über sein Frühstückmüsli mit frischen Datteln:

"Das esse ich jeden Tag, wie die alten Germanen."

Weil er so gern gut isst, begann Erwin Seitz den kulinarischen Wurzeln der Deutschen nachzuforschen:

"Was ist dran, an dem, was Tacitus sagt: 'Nördlich der Alpen wohnen die Barbaren und die Deutschen verstehen nichts vom Essen und vom Trinken und sie sind doch relativ unkultiviert.' Ist dem wirklich so?"

Sein Buch schlägt einen Bogen über zweitausend Jahre Kulturgeschichte: Von der germanischen Vorzeit über die römischen Wurzeln und das keltische Erbe bis in die heutige Großstadtkultur mit den neuen kulinarischen Tempeln. Und es zeigt: Die Zeit der dicken Saucen und des schweren Gemüts sind vorbei!


"Von wegen dicke Saucen und schweres Gemüt! - Die verkannte deutsche Lebensart"
Heute ist Erwin Seitz von 9.05 bis 11.00 Uhr zu Gast bei Gisela Steinhauer.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Literaturhinweis:
- Erwin Seitz: Die Verfeinerung der Deutschen. Eine andere Kulturgeschichte / Insel Verlag Berlin 2011
- Erwin Seitz: Butter, Huhn und Petersilie: Anregungen für eine bessere Küche / Insel Taschenbuch 2011