Von Tobias Wenzel

02.09.2012
Ein "Kampforchester" spielt Protestkonzerte, eine Staatskapelle spielt mit Thielemann und Spanien spielt verrückt wegen der schlechtesten Restaurierung aller Zeiten.
Die Polizei schreckt davor zurück, wertvolle Instrumente zu zerstören. Das jedenfalls behauptet Gerd Büntzly im Interview mit Nancy Waldmann von der TAZ. Gerd Büntzly und die zugleich interviewte Barbara Rodi sind Mitglieder des Orchesters "Lebenslaute". Und das nutzt die Musik zu politischen Protestaktionen. Die Mitglieder spielen auf Truppenübungsplätzen, vor Atommülllagern und an diesem Montag vor dem Werk des baden-württembergischen Waffenherstellers Heckler & Koch. Der hat nämlich Waffen an Embargo-Staaten verkauft. Die Musiker, von denen die meisten Laien sind, treten in Orchester- und Chorkleidung auf. So soll das für klassische Musik affine Bürgertum politisiert werden. Mit einem "Friedensoratorium" von Wolfgang Pasquay und dem "Alexanderfest" von Händel. Vor jedem Protestkonzert besprechen die Musiker, wer von ihnen das Risiko eingehen möchte, festgenommen zu werden. Bei den besonders heiklen Konzerten hat Barbara Rodi ihre "Kampfbratsche" dabei, wie sie erzählt. Die gute, wertvolle Bratsche, die sie auch besitzt, lässt sie dann lieber zu Hause.

Wie klingt wohl Bruckners Siebte mit Kampfinstrumenten? Christian Thielemann hat bei seinem Antrittskonzert in der Dresdner Semperoper auf das Experiment verzichtet und stattdessen mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden den Feuilletons zufolge einen gelungenen Einstand gegeben. "Ein Deckelchen passt gar wundersam aufs Töpfchen", schreibt Manuel Brug in der WELT über das Zusammenspiel von Orchester und Dirigent. Der scheine "mit sich selbst im Reinen, ruhiger, souveräner, ausgeglichener" zu sein. Zwar hat Eleonore Büning von der FAZ "das große Ganze" gefehlt, "die Stringenz des Aufbaus, die Entfaltung eines logischen Zusammenhangs". Aber sie bezeichnet den gehörten Adagiosatz aus der Siebten Bruckners als "perfekt", ist geradezu berauscht von der Einheitlichkeit des Klangs der Streicher, Holz- und Blechbläser. "Es gibt neben der Staatskapelle nur noch wenige Spitzenorchester, bei denen die Magie solcher Klangverwandlungen zu hören ist", schreibt die FAZ-Kritikerin. "Und es gibt tatsächlich unter den jüngeren Dirigenten keinen mehr, außer Christian Thielemann, der die Fähigkeiten, das Ohr und den Willen mitbrächte, dies wieder neu zum Aufblühen zu bringen." Eine gelungene Hochzeit von Dirigent und Orchester sei das gewesen. Hier entstehe "ein neues Mekka der Musikfreunde". Hart ins Gericht geht Eleonore Büning allerdings mit der Sopranistin Renée Fleming, die im Vorprogramm fünf Lieder von Hugo Wolf interpretierte: "Da der Diva das nahtlos fließende Legato ihres Schöngesangs stets wichtiger ist als das, was sie singt (und Legatomusiker Thielemann, der sich ihr immer wieder innig zuneigte, sieht das wohl ebenso), ist kein Wort zu verstehen." Dem Kritikerkollegen Brug von der WELT war "nicht klar", ob Fleming "die japanische Übersetzung oder das deutsche Original" verwendete.

Das Original eines Jesus-Freskos in einer Kirche in Borja bei Saragossa soll gerettet werden. Eine 81-jährige Spanierin hatte es zu restaurieren versucht. Nun sieht Jesus wie ein Monchhichi aus. Das alles ist schon einige Tage bekannt. Paul Ingendaay, Kulturkorrespondent der FAZ in Madrid, berichtet jetzt allerdings über neue Entwicklungen. Die wohl schlechteste Restaurierung aller Zeiten sei mittlerweile nicht mehr nur im Internet Kult. T-Shirts mit dem Äffchen-Jesus finden reißenden Absatz, eine Madrider Bäckerei verkauft Crêpes, auf die zuvor mit Marmelade oder Schokolade der verunstaltete Jesus gespritzt wurde. Die professionellen Restauratoren, die an den Tatort geschickt worden sind, sorgen sich deshalb jetzt nicht mehr nur um das zugemalte Jesus-Fresko. In den Worten von Paul Ingendaay: "Sie wollen die Farbschichten der beiden Werke behutsam voneinander trennen, um das Original wiederherzustellen und zugleich das Äffchen der Rentnerin zu retten."