Von Speyer nach Berlin

Von Jürgen König |
Nicht nur kurios, sondern wie eine Farce mutet der Umstand an, dass ein Nachfolger für Hans Ottomeyer am Tag von dessen Verabschiedung benannt wird. Während sich jedes Stadttheater im Bedarfsfall schon zwei Jahre im Voraus nach einem neuen Intendanten umsieht, geschah Vergleichbares beim DHM, beim Deutschen Historischen Museum nicht – wo doch seit zehn Jahren bekannt ist, ab wann ein neuer Direktor gebraucht wird.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann schob die Sache zunächst offenbar auf die lange Bank, dann, Ende 2008, wurde das DHM eine Stiftung – und auch Bernd Neumann, sonst ein Fuchs im Umgang mit Gremien, blieb hier offenkundig wirkungslos. Oberstes Gremium der Stiftung, das auch den Präsidenten wählt, ist das Kuratorium, das besteht aus je fünf Vertretern des Bundestages, der Bundesregierung und der Bundesländer. Darüber hinaus gibt es einen wissenschaftlichen Beirat.

Die Bundestagswahlen vom Herbst 2009 brachten veränderte politische Verhältnisse, auch eine neue Regierung mit sich: Also mussten sich das Kuratorium und der wissenschaftliche Beirat neu konstituieren - das dauerte. Erst zehn Monate nach der Wahl, im Juli 2010, trat das neue Kuratorium zum ersten Mal zusammen, der wissenschaftliche Beirat folgte im September. Um eine öffentliche Kandidatendiskussion zu verhindern, schrieb man die Stelle nicht öffentlich aus, sondern berief eine Findungskommission, geleitet von Ingeborg Berggren-Merkel, die ist Ministerialdirektorin bei Kulturstaatsminister Neumann und führt auch den Vorsitz im Kuratorium der Stiftung Deutsches Historisches Museum.

Diese Findungskommission bestand wiederum aus je zwei Vertretern von Bundestag und Bundesregierung, zwei Vertretern der Länder, zwei Vertretern des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung. Dieser Beirat wurde aufgefordert, Kandidaten vorzuschlagen, über diese Vorschläge beriet die Findungskommission im Dezember, lud fünf Kandidaten zum Vorstellungsgespräch im Januar, dieses führten zu keinem Ergebnis, nebenbei: sehr viele Persönlichkeiten der Szene scheinen sich nicht um den Posten gerissen zu haben. Egal: weitere Vorschläge des Beirats wurden eingeholt, neue Kandidaten geladen – letzte Woche dann - o Wunder – stieg so etwas wie Weißer Rauch auf über der Findungskommission: denn heute Mittag wurde ein Nachfolger Hans Ottomeyers benannt.

Es lohnt, diese Geschichte ausführlich zu erzählen, um einen Eindruck zu bekommen von den Niederungen der Kulturpolitik im föderalen Staat. In dem bei herausgehobenen Institutionen viele mitreden müssen und auch wollen, was zur Folge hat, dass erstmal nichts passiert, sondern der Eindruck absoluter Hilflosigkeit sich breitmacht. Die öffentliche Diskussion über die Kandidaten sollte vermieden werden - und wurde ja auch vermieden, mit der unangenehmen Folge, dass jeder Nachfolger Ottomeyers jetzt – zunächst jedenfalls - als Notlösung angesehen wird, als Kompromisskandidat, der gewählt wird, nur damit endlich jemand gewählt wird.

Das wiederum hat keiner der Kandidaten verdient, auch der 44 Jahre alte Historiker mit dem Spezialgebiet Vor- und Frühgeschichte, Alexander Koch, nicht, der während der letzten sechs Jahre die Stiftung Historisches Museum der Pfalz in Speyer leitete - und mit jährlich etwa 400.000 Besuchern zu einem der meist besuchten kulturhistorischen Museen in Deutschland gemacht hat, mit unkonventionellen Konzepten und publikumsnah, mit Ausstellungen wie "Amazonen", "Idole", "Hexen – Mythos und Wirklichkeit", "Die Wikinger", "Samurai" oder auch "Afghanistan – Bilder aus einer anderen Welt". Ein erfahrener Ausstellungsmacher; als Ideengeber für aktuelle Debatten zur Zeitgeschichte trat er bislang nicht hervor. Mit den Regularien und Gepflogenheiten einer "Stiftung" kennt Alexander Koch sich aus. Ob er, bei seinem Abschied, auch sagen wird, was Hans Ottomeyer jetzt bekannte? Die Idee, eine Kultureinrichtung als Stiftung aufzuziehen, sagte er, habe "der Teufel gesät".


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Ottomeyer: Deutsches Historisches Museum hat Maßstäbe gesetzt - Scheidender Museumschef plädiert für freien Eintritt
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