Von Pixelkäufen und üblen Drohungen

Von Tobias Wenzel · 15.08.2006
"Second Life" heißt eine neue virtuelle Welt im Internet. Mehr als 400.000 Menschen leben dort mittels ihrer Stellvertreterfiguren aus Pixelpunkten. Und über sieben Millionen Menschen tummeln sich schon in der Pixellandschaft von "World of Warcraft". Und das mit ganz realen Folgen: Die virtuellen Inhalte dieser Spiele wie virtuelles Land oder virtuelles Gold sind Menschen derart wichtig, dass sie reales Geld dafür bezahlen. Andere werden ganz real gewalttätig.
Dirk Höschen: "Ich bin ein kleiner Gnom, der nennt sich 'RubbeldieKatz'. Ich fand diesen Charakter eigentlich ganz witzig, weil diese Figur auch lustig aussieht, mit so einem Bart und einer großen Knollennase."

Dirk Höschen ist in die Rolle des virtuellen Magiers "RubbeldieKatz" geschlüpft: im Online-Computerspiel "World of Warcraft". Wer in solch eine virtuelle Welt eintaucht, wird aber nie ganz die Wirklichkeit hinter sich lassen können. Dirk Höschen unterhält sich über ein Headset mit seinen Mitspielern. So bekommt er nebenbei mit, wie einige Menschen vor lauter Spieleifer ihre realen Pflichten vernachlässigen:

Dirk Höschen: "Es ist schon häufiger vorgekommen, dass Kinder um halb eins mitten in der Nacht immer noch im Hintergrund zu hören waren und dann eine erschreckte Mutter irgendwann so sagte: 'Och, jetzt muss ich meinem Kind erstmal Abendessen machen und es ins Bett bringen.'"

Aber auch im Spiel selbst holt einen die Realität manchmal ein, an der Schnittstelle zur Wirklichkeit. Der Gnom "RubbeldieKatz" alias Dirk Höschen geht zu einem virtuellen Briefkasten in "World of Warcraft". Hier empfängt er Text-Nachrichten und virtuelles Gold. Und das ist so begehrt, dass manch einer reales Geld dafür bietet:

Dirk Höschen: "Es gab eine Zeit, da konnte man 500 Gold für 36, 37 Euro bei Ebay kaufen. Und das kriegte man dann auf sein virtuelles Postfach überwiesen und konnte dann damit auch virtuell einkaufen gehen. Und es gibt in China diese Powerfarmer. Das sind fast kleine Firmen, wo die Leute tagein, tagaus damit beschäftigt sind, die Server hier abzugrasen und besonders rare Items zu ergattern."

In der Online-Welt "Second Life" kann man virtuelles Land verkaufen. Als der Betreiber dieses beliebten Internet-Universums mit dem Programmieren der virtuellen Landstriche in Verzug war, stiegen die Preise der Pixelgrundstücke ins Unermessliche. Manch ein Spieler verdiente damit sehr viel reales Geld.

Was aber, wenn die virtuelle Welt zu einer realen Überwachung im "first life" führt? Beispiel: das Weltraumstrategie-Spiel OGame. Planeten werden besiedelt und mit Raumschiffen angegriffen. Und zwar rund um die Uhr. Wer real schläft, gefährdet seine virtuellen Weltraumflotten. Das Wissen um das Leben der anderen ist der Schlüssel zum erfolgreichen Angriff. Und so spionieren die Spieler das wirkliche Leben ihres Gegners aus: Wann verlässt er seine Wohnung? Wann geht er ins Bett? OGame-Spieler Jake Boneral:

"Wenn es aber darüber hinausgeht und man sagt: 'Wenn du mich noch einmal angreifst, dann zünde ich dir die Hütte an oder zersteche dir die Autoreifen!', dann ist das eine so genannte Real-life-Drohung. Gerüchte besagen, dass es zu Vorkommnissen in den USA gekommen ist, die mit schwerer Körperverletzung, ich meine sogar in einem Fall mit dem Tod eines Studenten geendet haben, aus dieser Ursache heraus."
Das ist natürlich ein Extremfall. Aber eine Frage gilt allgemein: Verlieren Online-Spieler das Augenmaß für die Realität?