Von Kommunisten und Hunden

Von Tobias Wenzel · 04.05.2011
Die Spannung in seinen Kriminalromanen diente ihm nur als Vorwand, um sozialkritisch über sein eigenes Land schreiben zu können, sagt Leonardo Padura. Mit <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="139740" text="&quot;Der Mann, der Hunde liebte&quot;" alternative_text="&quot;Der Mann, der Hunde liebte&quot;" /> hat der Autor einen ernüchternden Abgesang auf die Utopie Kubas vorgelegt.
Ein kleiner Mischlingshund schnüffelt neugierig am Mikrofon im Haus von Leonardo Padura am südlichen Stadtrand Havannas. Der kubanische Autor, ein kräftiger Mann mit kurzen Haaren und grauem Bart, ist gerade in der Küche verschwunden. Zeit für den Gast aus Deutschland, das Wohnzimmer mit den vielen Zeichnungen und Gemälden zu betrachten. Auf einem ist der nackte Torso einer Frau auf einem Teller liegend abgebildet. Gabeln stecken in ihrem Fleisch. Die Frau trägt einen Helm in der Form eines Greifvogelkopfes. Vögel hat Leonardo Padura keine, dafür drei Hunde:

"Natalie und Chori. Und der kleine: Rocky. - Ich habe immer Hunde gehabt. In diesem Haus waren immer Hunde, einer, zwei, manchmal drei."

Hunde ziehen sich wie ein Leitmotiv durch Paduras neuen Roman "Der Mann, der Hunde liebte". Alle drei Hauptfiguren haben Hunde: der Revolutionär Leo Trotzki, sein Mörder, der katalanische Agent Ramón Mercader, auf den der Titel anspielt, und der fiktive kubanische Schriftsteller Iván, der beim kommunistischen Regime in den 70er-Jahren in Ungnade fällt. Als Padura 1989 in Mexiko jenes Haus besuchte, in dem Mercader Trotzki 1940 mit einem Eispickel ermordete, ließ ihn der Mörder nicht mehr los, der seine letzten Lebensjahre unbehelligt mit seinen Windhunden in Kuba verbrachte. Schließlich begann Padura seinen Roman mit einer Frage:

"Wie kann man eine Geschichte für den Leser interessant machen, bei der er schon weiß, wer der Mörder ist, wer das Opfer und wann der Mord geschah? Das war nicht leicht, das Buch so zu strukturieren und so Spannung aufzubauen, dass der Leser bei der Stange bleibt."

Spannung zu erzeugen war dem 1955 in Havanna geborenen Leonardo Padura bisher immer leicht gefallen. Schrieb er doch vor allem Kriminalromane. Aber die, sagt Padura, dienten ihm nur als Vorwand, um sozialkritisch über sein eigenes Land schreiben zu können. Früher, als Journalist, eckte Padura bei der Partei an und wurde mit 28 Jahren wegen sogenannter "ideologischer Probleme" zu einer kommunistischen Jugendzeitung zwangsversetzt. Dabei muss er sich ähnlich gefühlt haben wie Iván, sein Alter Ego im Roman "Der Mann, der Hunde liebte". Der wird nämlich zu einem bedeutungslosen Radiosender versetzt, weil den Parteifunktionären eine seiner Erzählungen ein Dorn im Auge ist. Mit Iván und einer Friedhofsszene lässt Leonardo Padura seinen neuen Roman beginnen. Vor dem verschlossenen Gatter eines winzigen Friedhof in Havannas Viertel El Calvario sitzt Leonardo Padura nun auf einer Steinbank und denkt zurück an seine Kindheit, die er größtenteils in der Umgebung des Friedhofs verbrachte:

"Damals wurde die Autobahn gebaut, die hier im Süden der Stadt verläuft und das Land von Osten nach Westen beziehungsweise umgekehrt durchzieht. Aber es war nur ein unvollendetes Teilstück der Autobahn. In diesem Zustand - also ohne vorbeifahrende Autos - war die Fläche ideal, um darauf Baseball zu spielen. Deshalb sind meine Freunde und ich hier immer am Friedhof vorbeigegangen. Wir hatten Respekt vor dem Friedhof, aber keine Angst."

Angst, uns das Eisentor aufzuschließen, hat der plötzlich aufgetauchte Friedhofswärter. Vielleicht würde das dann ja in den imperialistischen USA veröffentlicht - und dann müsse er dafür die Verantwortung tragen. Spricht's und schließt dann doch das Gatter auf, allerdings nicht, ohne sich in dieser Einöde nach möglichen Spitzeln umzusehen.

"Mysteriensyndrom" nennt Leonardo Padura diese allgegenwärtige Angst der Kubaner, überwacht und verraten zu werden. Auch Iván im Roman "Der Mann, der Hunde liebte" hat eben diese Angst, geht an ihr letztlich zugrunde. Der Kommunismus, dessen Geschichte in Europa und Kuba Padura spannend auf über 700 Seiten nachzeichnet, lässt den Menschen wenig Platz für Menschlichkeit. Im Roman sieht selbst der exilierte Trotzki ein, nicht nur Opfer des Stalinismus gewesen zu sein, sondern auch rücksichtsloser Täter. Und Ramón Mercader verabschiedet sich im Spanischen Bürgerkrieg von Gefühlen wie Liebe und Mitleid. So erschießt Mercaders fanatische Mutter den Hund ihres Sohnes und damit des Mannes, der Hunde liebte, damit er lernt, alles für die kommunistische Sache aufzugeben.

"In meinen Romanen bemühe ich mich darum, dass über Gewalt berichtet wird, sie aber nicht sichtbar ist. Mit einer Ausnahme: meinem Roman 'Der Mann, der Hunde liebte'. Da wird sehr wohl der Mord an Trotzki beschrieben, und zwar minutiös. Aber ich achte ansonsten immer darauf, dass die Gewalt nicht zur Protagonistin meiner Bücher wird. Mich interessiert vielmehr, wie das Individuum, das eine Gewalttat begeht, mit ihr ethisch gesehen umgeht."

Viertausend Exemplare sollen von Leonardo Paduras Roman "Der Mann, der Hunde liebte" in Kuba gedruckt worden sein. Das ist zu wenig, andererseits eine kleine Sensation. Denn der Roman ist der ernüchternde Abgesang auf eine Utopie, an der die Machthaber Kubas noch festhalten, an die die meisten Menschen in Kuba aber schon lange nicht mehr glauben.
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