Von Klaus Pokatzky

Die "Taz" sorgt sich um die Flut von Gratiszeitungen in unseren Briefkästen. Die "SZ" philosophiert über Staatsschulden - und erinnert an das deutsch-türkische Gastarbeiterabkommen vor 50 Jahren.
"Was sollen wir berichten?" Das fragt die Tageszeitung TAZ regelmäßig ihre Leser. Und heute ist Albert Reinhardt aus Stralsund dran, der sich beklagt über "die vielen Freizeitungen und Publikationen, die den Briefkasten verstopfen und die trotz Abbestellen wieder kommen." Das kennen wir alle. "Was kann ich gegen Werbung in meinem Briefkasten tun?", lautet also die Frage in unser aller Namen. "Manchmal kann es passieren, dass der 'Keine Werbung'-Hinweis im Zustellwahn abgerissen wird", lautet die Antwort. "Dann liegt zwar eine Sachbeschädigung vor, meist wird sie jedoch im Prozessfalle nicht weiter verfolgt." So böse kann eben Kapitalismus sein – ein Raubtier, das sogar den "Keine Werbung"-Aufkleber vom Briefkasten beißt. Im Zustellwahn eben von bedrucktem Müll.

"Es darf keinen Zweifel an der Gültigkeit des Gelds geben." Das lesen wir in der Süddeutschen Zeitung. "Es trifft ja nicht zu, dass hohe Schulden einen Staat lähmen", schreibt hier nicht Dagobert Duck, der Chef des größten Geldspeichers des Universums, sondern Thomas Steinfeld, der Chef des Feuilletons der Süddeutschen. "Die Leistungsfähigkeit und damit die Macht eines Staats bemisst sich auch daran, wie viel Schulden er auf sich ziehen kann, ohne darüber in die Knie zu gehen." So einfach kann Kapitalismus sein. "Alles kommt deswegen darauf an, die Schulden bedienen zu können – nicht darauf, sie zurückzuzahlen (und wenn sie zurückgezahlt werden, dann nur, um neue aufzunehmen). Daran aber muss man glauben."

Dagobert Duck würde uns auf diesen Glauben keinen Taler leihen, sondern ihn lieber auf seine Glatze prasseln lassen. "Die Schulden sind der Staat, weil seine Leistungsfähigkeit von seiner Zahlungsfähigkeit abhängt, und seine Souveränität beweist sich darin, dass er diese Zahlungsfähigkeit durchsetzen kann." Genau, würde da Neffe Donald Duck, der arme Schlucker, sagen: Der Staat bin ich – durch meine Steuern.

"Sollen Reiche mehr Steuern zahlen?" Das fragt die TAZ – nachdem ja einige deutsche Millionäre und Milliardäre erklärt hatten, sie hätten nichts gegen höhere Abgaben für Reiche. "Ja" zur Reichensteuer sagen nun in der TAZ der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und die Generalsekretärin der SPD und eine reiche Erbin und ein Psychologe. "Nein" sagen der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, der Präsident des Bundes der Steuerzahler und der Vorsitzende der Jungen Liberalen. Lasse Becker heißt der und sagt: "Vielmehr brauchen wir Anreize, durch die Reiche freiwillig mehr geben. Mit Stiftungen könnten und sollten sie etwa für bessere Aufstiegschancen in der Bildung sorgen – statt mit Steuererhöhungsdiskussionen Abwanderungsgedanken anzuheizen." Ab nach Entenhausen vielleicht.

"Am Sirkeci-Bahnhof in Istanbul erhielt jeder Ausreisende die Broschüre 'Wie geht man als Gastarbeiter nach Deutschland?'" Das erfahren wir wiederum aus der Süddeutschen, die daran erinnert, dass am 31. Oktober das deutsch-türkische Gastarbeiterabkommen 50 Jahre alt wird. Und was stand in der Broschüre am Bahnhof in Istanbul? "Arbeitet fleißig, wach und umsichtig und lernt schnell dazu. Haltet euch strikt an die Betriebsordnung. Kommt und geht pünktlich. Lasst euch nie krankschreiben, außer wenn es gar nicht anders geht." Das schreibt Elisabeth Kiderlen und schlägt zum 50. Geburtstag "eine landesweite Geschichtswerkstatt" vor: "Westdeutsche, Ostdeutsche und Türken könnten in Schulen, Büchereien und bei Nachbarschaftstreffs, in Altersheimen, Kirchen und Moscheen, kurz: in öffentlichen Räumen aller Art ihre persönlichen Erfahrungen miteinander austauschen."

Vergessen wir die TAZ und unliebsame Werbung im Hausflur nicht: "Dürfen Firmen stapelweise Umsonstzeitungen und Flyer im Hausflur abstellen?", ist eine weitere wichtige Frage. Im Prinzip schon, lautet die Antwort. "Nach einer Bundesgerichtshofsentscheidung lässt sich aber gerichtlich erzwingen, dass der Werber den Müll beseitigen oder für die Entsorgung zahlen muss."
So sauber kann eben Kapitalismus sein.