Von Jens Brüning

Die Feuilletons von "FAZ", "Zeit" und "Spiegel" beschäftigen sich mit dem Streit zwischen den Philosophen Axel Honneth und Peter Sloterdijk, in den sich nun auch der Autor Richard David Precht einmischt. Die "FAZ" berichtet zudem über Parallelgesellschaften im Berliner Problem-Kiez Neukölln.
"Alles müsse man selber machen", lasen wir in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Zu finden war dieser bemerkenswerte Satz in einer Glosse des Anonymus namens "finis". Der berichtete davon, wie sich die Konferenz der Feuilletonredakteure einmal darauf geeinigt habe, eine herausragende Figur total niederzumachen. Schließlich habe einer der fünf Ressortleiter sein mächtiges Haupt erhoben und den ultimativen Vorschlag in die Runde geworfen. Darum konnte man bereits am Montag in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG einen Artikel von Werner Vontobel lesen, in dem er dem Philosophen Peter Sloterdijk "ökonomische Kurzschlüsse" vorwarf.

Denn natürlich hatte "finis" glossiert, was jener Aufsatz des Philosophen Axel Honneth bewirkte, der vor Monaten seinem Kollegen Sloterdijk vorgeworfen hatte, einen "Faustschlag" gegen den Sozialstaat geführt zu haben, als der in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG vorgeschlagen hatte, die von ihm so genannten "Zwangssteuern" abzuschaffen. Es folgte seit Juni ein munteres Geben und Nehmen: Mal schrieb der eine in der FAZ, mal replizierten die anderen in der ZEIT, und ab und an gab ein Dritter in irgendeinem anderen Blatt seinen Senf dazu. Das ist es, was man heutzutage unter einer "Debatte" versteht.

In dieser Woche gab es eine Art Zwischenbilanz in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Der Frankfurter Philosoph Martin Seel bezeichnete den jüngsten Zuruf des "Merkur"-Herausgebers Karl Heinz Bohrer als "Kasperletheater für die gebildeten Stände." Auf weite Strecken musste Seel den gepriesenen Essayisten referieren, da ein Nachdruck des im anderen Blatt Gedruckten wohl zu platzraubend war. Und er flocht die übrigen Positionen ebenfalls ein, sodass man gewisse hermeneutische Grundlagen beherrschen musste, um gen Ende nicht die Pointe zu verpassen.

Martin Seel wies in der ZEIT darauf hin, Sloterdijks Kritiker hätten doch bloß argumentiert, dass "das Grundrecht auf soziale und politische Partizipation nicht dem finanziellen Gutdünken der Besser- und Bestverdienenden ausgeliefert werden dürfe". Seel hob hervor, bei der von der Gegenseite angegriffenen Gleichmacherei handele es sich doch nur um die "Gleichheit vor allem der Zugangsbedingungen zu Betätigungsfeldern verschiedenster Art." Es gehe also gar nicht um "Geld versus Gerechtigkeit", sondern um etwas, was früher einmal als "Demokratie" bekannt war. Um es kurz zu machen: Martin Seel warf in der ZEIT dem jüngsten Zwischenrufer in der anscheinend so munter hin und her gehenden Debatte, also Karl Heinz Bohrer, vor:

"Sozialen und politischen Realitätssinn hat, wer sich um gesellschaftliche Realitäten gar nicht erst schert."

Zu solchem Gerauf auf der Walstatt der Publizistik kann das Wochenmagazin DER SPIEGEL nicht schweigen. Im letzten Heft vermutete Peter Sloterdijk hinter den Angriffen auf seine Position das Gejaul von zu kurz Gekommenen, was er im Blatt etwas feiner so ausdrückte:

"Ich lese in den Äußerungen der Frankfurter Professoren vor allem eine große Enttäuschung über sich selbst – dass es ihnen nicht gelungen ist, die publizistische Hegemonie auszuüben, die sie aufgrund ihrer intellektuellen Prätentionen hätten ausüben sollen und wollen."

Und im neuesten Heft, das Abonnenten schon online lesen können, stellt der mit populärwissenschaftlichen Büchern zu philosophischen Themen erfolgreiche Richard David Precht zum Stand der Debatte fest:

"Ihre Pointe liegt nicht im Inhalt, sondern in der Form."

Auch Precht muss viel referieren, weil ja heutzutage kaum noch jemand FAZ, ZEIT und SPIEGEL zugleich auf dem Kaffeetisch liegen hat und hin- und herblättern kann. Precht sieht:

"Zwei geachtete deutsche Philosophen im besten Mannesalter, die sich wechselseitig durchs Examen fallen lassen."

Längst sei das übliche Lagerdenken überflüssig geworden, argumentiert Precht im SPIEGEL und schreibt: "Der neue Riss geht quer durch unsere Psyche, aber er verläuft schon lange nicht mehr zwischen links und rechts." Und abschließend fordert Richard David Precht: "Eine Philosophie, die ihren Sitz wieder im Leben hat und nicht nur in einer Fakultät."

"Sehr gut, sehr gut", hätte da wahrscheinlich ZEIT-Kolumnist "finis" gejubelt, aber er würde es ja erst in der nächsten Ausgabe schreiben können, und dann muss er wahrscheinlich schon den nächsten Prominenten "niedermachen".

Ins wirkliche Leben begab sich Regina Mönch. Sie hatte am Donnerstag in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG einen "Neuköllner Lokaltermin bei den Abgeschriebenen." In ihrem Artikel spielte auch der Migrationsbeauftragte des Berliner Problembezirks eine Rolle. Regina Mönch suchte eine Parallelgesellschaft auf und sah:

"Der Migrationsbeirat des Berliner Stadtbezirks hat jetzt überall vielsprachige Plakate aufhängen lassen, die das deutsche Grundgesetz zitieren und unübersehbar über das Diskriminierungsverbot, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und die Erziehungspflichten von Eltern aufklären."

Man weiß nicht, ob es nützt, denn: "Diese früh Gescheiterten füllen Woche für Woche die Gerichtsflure in Berlin-Moabit, es werden immer mehr, und die überwältigende Mehrheit sind türkische und arabische Jungen." Regina Mönchs Fazit in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG vom Donnerstag:

"Sie haben keine Chance, da herauszukommen, solange man die Eltern schont."

Die gute Nachricht zuletzt: Am Freitag fanden wir in der Tageszeitung DIE WELT einen Aufsatz von Michael Pilz über die Beliebtheit der wild-exotischen Musik aus dem europäischen Osten. Nach 20 Jahren freiem Zugang zu den aufregenden Plätzen der Balkanmusik konnte Pilz jubeln:

"Balkan statt Ballermann, das Leben ist eine Bauernhochzeit."