Von Franco-Freunden kalt gestellt

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 20.02.2011
Weil er die Verbrechen der Franco-Diktatur in Spanien juristisch untersuchen wollte, hingen ihm seine Kollegen ein Verfahren wegen Amtsanmaßung an. Der Richter Baltasar Garzón wurde seines Amtes enthoben und wartet auf den Prozess.
Richter Baltasar Garzón spricht nicht gerne über sich selbst. Manchmal, wie hier in der dritten Person und dann immer im Zusammenhang internationaler Rechtsgrundsätze.

Baltasar Garzón: "Gut, was ist am Ende bei allem herausgekommen? Gegen den Richter, der diese Untersuchung begonnen hat, und heute genauso von ihrem Sinn überzeugt ist, wie am Anfang, gegen diesen Richter hat ein Prozess begonnen, um zu sehen, ob er sich eines Vergehens schuldig gemacht hat. Gut, so ist das Gesetz und das Gesetz ist für alle da und nicht nur für mich."

Der 55-Jährige ist Untersuchungsrichter am Obersten Gerichtshof Spaniens, hat die weißen Haare zurückgekämmt, und trägt eine randlose Brille auf dem immer noch jugendlichen Gesicht. Garzón argumentiert sachlich, ruhig, manchmal blitzen Humor und Sarkasmus auf. Jetzt sitzt er selbst auf der Anklagebank und ist seit Frühjahr 2010 vom Dienst suspendiert. Denn Garzón versuchte die Verbrechen der Franco-Diktatur juristisch zu untersuchen.

Die extreme politische Rechte klagte dagegen und verwies auf das Amnestiegesetz von 1977. Der Oberste spanische Gerichtshof nahm die Klage an und ermittelt gegen den Richterkollegen wegen Rechtsbeugung:

Baltasar Garzón: "Ich habe keinen einzigen Rechtsstandard angewendet, den ich nicht auch in anderen Fällen - wie denen von Argentinien, von Chile, von den Menschenrechtsverletzungen in der Sahara oder in Guantanamo - angewendet hatte, exakt die gleichen Rechtsnormen, die vorher gültig waren."

Im ausverkauften Berliner Renaissancetheater nahm der Untersuchungsrichter das Publikum mit auf eine lange Reise durch die internationale Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen: von Argentinien, Chile und Guatemala, über das ehemalige Jugoslawien und Palästina, bis nach Ruanda und in den Kongo. Dabei ging es ihm um die Durchsetzung internationaler Rechtsgrundsätze: dem Grundsatz, dass Verbrechen gegen Menschen- und Völkerrecht überall verfolgt werden müssen und können. Durch die Justiz vor Ort oder, wenn das durch die politischen Verhältnisse nicht möglich ist, durch die Organe der internationalen Strafverfolgung:

Baltasar Garzón: "Es geht darum diese schweren Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen zu verfolgen und zu bestrafen, denn es geht nicht nur um die wirklichen Leidtragenden dieser Verbrechen, Massenmorde, Verschleppungen, sondern das Opfer ist ebenso die internationale Gemeinschaft. Das heißt die internationale Gemeinschaft ist geschädigt, ganz unabhängig vom Ort des Verbrechens oder von der Nationalität des Verbrechers."

Dieses Interesse der internationalen Gemeinschaft an der Verfolgung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschenrechte gilt, so Garzón, auch, wenn Diktatoren und diktatorischen Regime, den Übergang zur Demokratie nur um den Preis der eigenen Straflosigkeit zuzulassen. Garzóns erste spektakuläre Aktionen richteten sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in Argentinien. Hier hatte die sozialdemokratische Regierung von Raul Alfonsin Anfang der 1980er-Jahre ein Amnestiegesetz für die Verbrechen des Militärs erlassen:

Baltasar Garzón: "Ich erinnere mich dass ich Raul Alfonsin 1994 gefragt habe, warum er ein solches Gesetz gemacht habe. Und er sagte: 'Ich habe diese Gesetze durchgesetzt, weil sie mir die Pistole auf den Bauch gedrückt haben.' Das heißt, der Druck der Militärs war so groß, dass er gehorchen musste und das ist ein Leitmotiv in allen diesen Fällen."

Für eine unabhängige Rechtssprechung seien aber die Institutionen der internationalen Strafverfolgung entscheidend. 109 Staaten haben den Vertrag für den Internationalen Gerichtshof unterschrieben. Für Garzón eine der wichtigsten internationalen Friedensinitiativen seit Ende des Zweiten Weltkrieges:

Baltasar Garzón: "Da ist ein internationales juristisches Organ entstanden, das von den politischen und wirtschaftlichen Tagesinteressen nicht mehr beeinflusst werden kann entstanden und dessen Einfluss steigt, auch wenn wesentliche Staaten ihm noch nicht beigetreten sind, etwa die USA, wie China oder Israel."

Als spanischer Untersuchungsrichter versuchte er immer wieder die Ansprüche des internationalen Rechts durchzusetzen. Die Verhaftung von Chiles Ex-Diktator Pinochet gab vielen Juristen in Lateinamerika den Rückhalt, um selbst die Verbrechen der Diktaturen vor ihren eigenen Gerichten verhandeln zu können, auch wenn die britische Regierung den Ex-Diktator am Ende aus Alters- und Gesundheitsgründen in seine Heimat zurück fahren ließ.

An der Verfolgung der Verbrechen der fast 40-jährigen Franco-Diktatur scheiterte er vorerst. Seit seiner Suspendierung arbeitet er als Berater des Chefanklägers des Internationalen Gerichtshof in Den Haag Luis Moreno Ocampo.