Von der Renaissance bis in die Gegenwart

Von Jörg Wunderlich · 14.12.2012
Kantoreien waren in vergangenen Jahrhunderten Ensembles von Laienmusikern, die sich der damaligen zeitgenössischen Musik widmeten, also neue Motetten, Madrigale und Singspiele einstudierten und diese zur Aufführung brachten. In Berlin-Mitte gibt es einen Kammerchor, der sich auf diese Tradition bezieht.
Dörte Tarnick: "Diese alte Musik und diese neue Musik gehören für mich sehr eng zusammen."

Christian Weller: "Man singt eben so in der Probe, hat seine Gedanken dazu, aber wenn die Leute dann darauf reagieren, eröffnet mir das noch mal eine ganz andere Weite."

Anja Hablitzki: "Wir haben uns jetzt vor allem mit Chorälen beschäftigt, zeitübergreifend von der Renaissance bis in die jetzige Musik und in die verschiedenen Klangfarben. Natürlich ist es auch spannend, wenn wir jedes Mal in einer anderen Kirche sind, mit dem Raum zu arbeiten. Es ist oft so, dass sich die Arrangements vor Ort noch mal verändern."

Klaus-Martin Bresgott: "Angefangen habe ich mit dem Chor, als ich meinen Schulchor vermisst habe und festgestellt habe, dass ich keinen Chor finde, in dem ich das, was ich singen will, singen kann. Deswegen habe ich zu Beginn Freunde um mich geschart.

Ich selbst bin Pfarrerskind, habe also seit ich laufen kann eine Kirche um mich, habe sie immer erfahren als einen Raum, in dem ich sehr viel Stille erlebe und mit dieser Stille auch einen ganz besonderen Klang. Der ist für mich letztendlich mit der reformatorischen Musik, also Johann Walther, Heinrich Schütz, Johann Herrmann Schein verbunden, sodass ich daraus gar nicht anders kommen könnte denn dies wieder zu machen."

Anja Hablitzki: "Singen ist ja nicht nur eine Sache im Kopf, sondern auch eine Trainingsfrage im Körper, und dadurch, dass man regelmäßig und unter Anleitung mit guten Leuten singen kann, entwickelt man natürlich seine eigene Stimme ganz anders weiter."

Klaus-Martin Bresgott: "Ich wähle schon sehr genau aus, wobei ich versuche nicht jemanden vor den Kopf zu stoßen und zu sagen 'Du kannst nicht singen'. Da weiß ich glücklicherweise auch in unserer Umgebung auch viele Chöre, wo ich glaube, dass man gut aufgehoben ist und deswegen nicht ein schlechter Mensch und ein Nichtsänger ist. Aber ich sehe schon zu, dass es für mein Ohr wirklich passt. Wir haben auch immer eine Schnupperlilienzeit im Chor, wo wir gucken, wie wir uns verstehen, weil das in einer kleinen Gruppe sehr wichtig ist."

Dörte Tarnick: "Das gemeinsame Musizieren ist unglaublich wichtig. Man ist ja doch nie allein, sondern man fügt sich irgendwie ein und ist aber trotzdem unglaublich verantwortlich für sich selbst und für die anderen."

Hans Bresgott: "Dass wir miteinander wegfahren, dass wir diese kleinen Autobesetzungen haben, dass man zusammen in den Gemeindehäusern oder Privatquartieren schläft, dass man diese Tage miteinander verbringt und und und, das schweißt ganz schön zusammen. Es ist also tatsächlich wie in einer Band. Man geht zusammen auf Tour, und das macht man fünf, sechs, sieben mal im Jahr, und das Jahr für Jahr und hat die Probenwochenenden, macht CD-Aufnahmen, Weihnachtsfeier, Sommerfest, was so dazukommt. Es ist eine Menge."

Christian Weller: "In der Lilienfelder Cantorei ist doch das menschliche Gefüge sehr eng. Wir lernen uns natürlich auf Fahrten kennen, man weiß schon auch, was bei jedem passiert, was gerade beruflich los ist und was mit den Kindern ist. Insofern ist es eine Menschlichkeit, die sich in der Musik dann wieder erlebbar macht.

Für mich kam im letzten Jahr das Thema Vergessen hoch. Die Stolpersteine, die wir bei uns in Berlin überall auf dem Weg haben, waren für mich ein Anlass zu sagen, die Todesfuge muss bei uns auf die Agenda. Wir haben sie erst als Gedicht gesprochen. Ich hab dann auch geguckt, wo wir eine musikalische Übersetzung finden, die uns adäquat erscheint. Das war bei Felicitas Kuckuck. Insofern war das für uns ein besonders Werk, an dem wir viel zu tun hatten, aber das war es nur wert."

Klaus-Martin Bresgott: "Was die neue Musik angeht, so hat sich das entwickelt aus der Sehnsucht nach den neuen Furchen, die auf dem musikalischen Acker zu ziehen sind, also immer in der Sehnsucht zu stehen, dass meine Zeit einen neuen Klang sucht. So wie ich nach meinen Worten suche und nach meinem Lebenswege, so macht es auch die Musik. Insofern ist dieser Schritt für mich immer ein ganz logischer gewesen."


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
Der Berliner Kammerchor Lilienfelder Cantorei
... und hier die zweite Hälfte© Lilienfelder Cantorei