Von den Nazis angehimmelt

14.11.2012
Sie war der größte Star der Stummfilmära und die erste deutsche Schauspielerin, die in Hollywood reüssierte. Wegen ihrer zahlreichen Affären - unter anderem mit Charlie Chaplin - war Pola Negri bereits zu Lebzeiten ein Mythos. Sogar Hitler schaute nachts seine Lieblingsszenen aus den Filmen der Pola Negri.
Sie war der größte Star der Stummfilmära und die erste deutsche Schauspielerin, die in Hollywood reüssierte. Als "Queen of Vamp" erzielte sie traumhafte Gagen. Wegen ihrer zahlreichen Affären war Pola Negri bereits zu Lebzeiten ein Mythos.

1897 als Barbara Apolonia Chałupiec in bitterarmen Verhältnissen in Polen geboren, war sie noch ein halbes Kind, als man in ihr die Tänzerin entdeckte. Ernst Lubitsch ebnete ihr den Weg zum Erfolg, nachdem sie sich - nach einer italienischen Dichterin - den Künstlernamen Negri zugelegt hatte.

Ende der 20er-Jahre aber, mit der Einführung des Tonfilms, begann ihr Stern zu sinken. Ihr starker polnischer Akzent wurde vom amerikanischen Publikum nicht angenommen. Um ihr Comeback zu inszenieren, nahm sie 1934 ein Angebot der Ufa an und kehrte nach Deutschland zurück.

Daniela Dröscher stellt dieses Jahr in den Mittelpunkt ihres Romans. Sie begleitet Pola Negri von ihrer wenig glanzvollen Ankunft über die Enttäuschung, statt der Verführerin eine Mutter zu spielen, bis zur Premiere des Films "Mazurka" im Berliner Ufa-Palast.

Hitler, Goebbels, Göring treten auf, allerdings ohne dass ihre Namen genannt würden. Sie firmieren als die "Obrigen", als "Kanzler und Minister". Das nationalsozialistische Berlin wird als vermintes Gelände geschildert, in dem sich die Hollywooddiva trotz frecher Sprüche um der Karriere willen anpasst. Die Affäre mit einem zwanzig Jahre jüngeren Nachwuchsschauspieler hält sie ebenso geheim wie ihren slowakischen Zigeunervater. Widerwillig lässt sie sich als internationales Aushängeschild bei der Gedenkfeier für den polnischen Diktator Pilsudski einsetzen, nachdem man ihr den Abbruch der Filmarbeiten angedroht hatte.
Pola Negri ist in dem Roman eine Frau mit widersprüchlichen Gesichtern, die letztlich alles ihrem Ehrgeiz opfert. Je nach Bedarf wechselt sie die Rollen zwischen der femme fatale, der liebenden Ehefrau, der guten Freundin Marlene Dietrichs oder dem Maskottchen der Nazis. Das erzählt die Autorin mehr oder minder gekonnt im Stil der Kolportage. Tief greift sie in die Trickkiste der gefühlvollen Filmdramen der 20er Jahre. Dabei verwebt sie geschickt Vergangenheit und Gegenwart, Fakten und Fiktion.

In sparsam dosierten Rückblenden lässt sie Negris Kindheit sowie die zahlreiche Liebschaften aufscheinen, das Zusammenleben mit Rodolfo Valentino etwa, an dessen Grab sie eine filmreife Verzweiflungsszene hinlegte oder mit Charlie Chaplin, der ihre theatralischen Ohnmachtsanfälle gern imitierte, statt sie ritterlich in die Arme zu nehmen. Hinter die Kulissen Hollywoods wird ebenso geblickt wie auf den "hohen Salzberg", auf dem Hitler sich nächtens seine Lieblingsszenen aus Negri-Filmen vorführen ließ.

Auch wenn "Pola" nicht an eine andere Figur, die den Pakt mit der Macht probte, an Klaus Manns "Mephisto" heranreicht, auch wenn die Autorin nicht immer der Identifikation mit ihrer Figur widersteht, ist der Roman doch amüsant und aufschlussreich. Denn er entblättert einmal mehr einen Mythos der 30er-Jahre.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Daniela Dröscher: Pola
Berlin Verlag, Berlin 2012
304 Seiten, 19,99 Euro