Von den Leiden eines Dichters
Aus dem jugendlichen Meisterwerk "Jakob Lenz" von Wolfgang Rihm macht Regisseur Frank Castorf bei den Wiener Festwochen eine eindringliche Inszenierung. Grandios präsentiert sich in der Kammeroper über den Verfallsprozess eines Dichters vor allem Georg Nigl als Lenz - sowohl stimmlich als auch darstellerisch.
"Kammeroper heißt nicht: Operchen", hatte der 25-jährige Komponist Wolfgang Rihm zu seiner Oper "Jakob Lenz" notiert, und tatsächlich hatte Regisseur Frank Castorf - dreißig Jahre nach der Uraufführung - durchaus einen großformatigen Theaterabend in der Halle G des Wiener Museumsquartiers geboten.
Auf der Bühne von Hartmut Meyer das elfköpfige Klangforum Wien, in der Mitte eine sich schlängelnde Schiene, auf der die Truppe - als Handpuppen des Kaspertheaters verkleidet - verzweifelt zu balancieren versucht. Daneben Müllcontainer, einer mit Wasser gefüllt. Der Dichter Lenz wird sich immer wieder - wie in Büchners Prosa-Dichtung, wie in Rihms Oper - darin "ins Wasser stürzen".
Am Sturm-und-Drang-Dichter J. M. R. Lenz hatte sich der zweiundzwanzigjährige Büchner klar zu machen versucht, wie schöpferische Menschen am Beschreiben des Daseins erkranken, welche schizophrenen, aber dabei sehr kreativen und klarsichtigen Symptome sie dabei zeigen.
Und die eindringliche Musik Wolfgang Rihms verdichtet - durchaus vergleichbar Alban Bergs "Wozzeck" - Büchners Text. Sie führt die unauflöslichen Gegensätze zusammen, an denen Lenz erkrankt, seinen Verfallsprozess. Rihms Musik versinnlicht die "Stimmen", die winselnden, hohlen, scheinbar beruhigenden, die auf ihn eindringen, und sie umkreist vor allem jene "entsetzliche Stimme, die um den ganzen Horizont schreit, und die man gewöhnlich Stille heißt", von der Lenz fürchtet, dass nur er sie höre.
Auch Castorf Inszenierung identifiziert sich nicht mit Lenz, sondern objektiviert ihn theatralisch mit vielen Effekten, sie führt den Erkrankten mit weit aufgerissenen Augen wie einen expressiven Irren in den Grand-Guignol-Spielen vor.
In Georg Nigl hat Castorf dabei einen Lenz, der nicht nur gesanglich mit unerhörter Eindringlichkeit phrasiert, sondern auch darstellerisch immer wieder bis an die Grenzen geht. Wenn er sich in den Wassercontainer stürzt und dort strampelt, folgt ihm auch die Live-Videokamera Castorfs für Großaufnahmen des verzweifelt zuckenden Gesichts.
Rihms Oper hat Castorf durch Passagen aus Büchners Prosa-Dichtung und durch ein Puppenspiel aus Woyzeck, in dem das Märchen vom "arm Kind", das ganz allein auf der Welt ist, vorgeführt wird, unterbrochen. Die Rolle des Sängers übernimmt dann der aus Ulrich Seidl-Filmen bekannte, immer ein wenig unheimlich schmierig agierende Schauspieler Georg Friedrich.
Für Opernpuristen ist durch die "Interruptionen" zwar die Zeitökonomie von Rihms Komposition aufgehoben und ein volkshochschulhafter Zug, wie Castorf selbst befürchtete, ist dabei auch nicht ganz abzuweisen, aber Büchners eindringliche Texte verdienen es - Bildungsgut hin oder her - durchaus, vorgeführt zu werden, zumal der Libretto-Text von Michael Fröhlich, der Rihms Kammeroper zugrunde liegt, oft verkürzend banal wirkt.
Musikalisch hatte Rihms jugendliches Meisterwerk sicherlich die allerbesten Bedingungen: Unter den "Stimmen" auch St. Florianer-Sängerknaben und neben dem grandiosen Georg Nigl der beruhigende Bass des Pfarrers Oberlins von Wolfgang Bankl (der bei Castorf auch zeigen darf, dass er Jazzmusiker war) und der erregte Tenor des Kunstsachverständigen Kaufmann von Volker Vogel.
Vor allem aber das Klangforum Wien konnte eindrucksvoll beweisen, dass Musik des 20. Jahrhunderts doch besser bei einem Spezialorchester aufgehoben ist als im traditionellen Opernorchesterbetrieb.
"Jakob Lenz"
Von Wolgang Rihm
Inszenierung: Frank Castorf
Wiener Festwochen
Auf der Bühne von Hartmut Meyer das elfköpfige Klangforum Wien, in der Mitte eine sich schlängelnde Schiene, auf der die Truppe - als Handpuppen des Kaspertheaters verkleidet - verzweifelt zu balancieren versucht. Daneben Müllcontainer, einer mit Wasser gefüllt. Der Dichter Lenz wird sich immer wieder - wie in Büchners Prosa-Dichtung, wie in Rihms Oper - darin "ins Wasser stürzen".
Am Sturm-und-Drang-Dichter J. M. R. Lenz hatte sich der zweiundzwanzigjährige Büchner klar zu machen versucht, wie schöpferische Menschen am Beschreiben des Daseins erkranken, welche schizophrenen, aber dabei sehr kreativen und klarsichtigen Symptome sie dabei zeigen.
Und die eindringliche Musik Wolfgang Rihms verdichtet - durchaus vergleichbar Alban Bergs "Wozzeck" - Büchners Text. Sie führt die unauflöslichen Gegensätze zusammen, an denen Lenz erkrankt, seinen Verfallsprozess. Rihms Musik versinnlicht die "Stimmen", die winselnden, hohlen, scheinbar beruhigenden, die auf ihn eindringen, und sie umkreist vor allem jene "entsetzliche Stimme, die um den ganzen Horizont schreit, und die man gewöhnlich Stille heißt", von der Lenz fürchtet, dass nur er sie höre.
Auch Castorf Inszenierung identifiziert sich nicht mit Lenz, sondern objektiviert ihn theatralisch mit vielen Effekten, sie führt den Erkrankten mit weit aufgerissenen Augen wie einen expressiven Irren in den Grand-Guignol-Spielen vor.
In Georg Nigl hat Castorf dabei einen Lenz, der nicht nur gesanglich mit unerhörter Eindringlichkeit phrasiert, sondern auch darstellerisch immer wieder bis an die Grenzen geht. Wenn er sich in den Wassercontainer stürzt und dort strampelt, folgt ihm auch die Live-Videokamera Castorfs für Großaufnahmen des verzweifelt zuckenden Gesichts.
Rihms Oper hat Castorf durch Passagen aus Büchners Prosa-Dichtung und durch ein Puppenspiel aus Woyzeck, in dem das Märchen vom "arm Kind", das ganz allein auf der Welt ist, vorgeführt wird, unterbrochen. Die Rolle des Sängers übernimmt dann der aus Ulrich Seidl-Filmen bekannte, immer ein wenig unheimlich schmierig agierende Schauspieler Georg Friedrich.
Für Opernpuristen ist durch die "Interruptionen" zwar die Zeitökonomie von Rihms Komposition aufgehoben und ein volkshochschulhafter Zug, wie Castorf selbst befürchtete, ist dabei auch nicht ganz abzuweisen, aber Büchners eindringliche Texte verdienen es - Bildungsgut hin oder her - durchaus, vorgeführt zu werden, zumal der Libretto-Text von Michael Fröhlich, der Rihms Kammeroper zugrunde liegt, oft verkürzend banal wirkt.
Musikalisch hatte Rihms jugendliches Meisterwerk sicherlich die allerbesten Bedingungen: Unter den "Stimmen" auch St. Florianer-Sängerknaben und neben dem grandiosen Georg Nigl der beruhigende Bass des Pfarrers Oberlins von Wolfgang Bankl (der bei Castorf auch zeigen darf, dass er Jazzmusiker war) und der erregte Tenor des Kunstsachverständigen Kaufmann von Volker Vogel.
Vor allem aber das Klangforum Wien konnte eindrucksvoll beweisen, dass Musik des 20. Jahrhunderts doch besser bei einem Spezialorchester aufgehoben ist als im traditionellen Opernorchesterbetrieb.
"Jakob Lenz"
Von Wolgang Rihm
Inszenierung: Frank Castorf
Wiener Festwochen