Von Arno Orzessek

09.12.2010
Die "SZ" bespricht Hans Traxlers Buch "Ich, Gott und die Welt". In der FAZ reagieren die Autoren von "Das Amt und die Vergangenheit" auf die Kritik an ihrem Buch über das Auswärtige Amt. Und in der "Welt" äußert sich Günter Wallraff zur Freilassung des türkischen Autors Dogan Akhanli.
Am nettesten sind ja immer Überschriften, in denen ein, zwei veränderte Buchstaben alten Sinn in frischen Unsinn verwandeln.

Die Zeitung, die vor Jahren "Schuld und Bühne" kalauerte, nämlich die SÜDDEUTSCHE, setzt in der aktuellen Ausgabe dem Menschen die "Krone der Erschöpfung" auf.

Unter diesem Titel bespricht Franziska Augstein "Ich, Gott und die Welt", das Buch mit neuen Bildergedichten von Hans Traxler.

Bilder können wir hier nicht zeigen, wohl aber Traxlers Ton übertragen - der sich so anhört:

"Am letzten Schöpfungstach
Hat ER den Mann jeschaffen
Jleich nach dem Menschenaffen
Man konnt' det noch erkenn'
Der sah ja aus zum flenn
Ja, und denn?"

Zu Traxlers Antwort später. - Wir bitten nun um Ernsthaftigkeit und kommen auf "Das Amt und die Vergangenheit" zu sprechen.

Die Autoren des Buches - Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann - antworten in selbiger SZ ihren Kritikern ... darunter Rainer Blasius, der im Politik-Ressort der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG für politische Bücher zuständig ist und schon sechs lange Streifen über die Historiker-Kommission geschrieben hat.

Blasius habe "raunende Fragen, beleidigende Unterstellungen und Falschbehauptungen in die Welt gesetzt", beschweren sich die Autoren von "Das Amt". Und sie legen nach:

"Rainer Blasius fungiert [...] als Sprachrohr und Feder jener Ehemaligen des Auswärtigen Amtes, die sich selbst 'die Mumien' nennen. [...] Blasisus Nähe zu den 'Mumien' kommt nicht von ungefähr. Der promovierte Historiker und Autor einer Studie über Ernst von Weizsäcker war seit 1990 im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes tätig. [...] Seinen Abschied [...] nahm Blasisus in der Amtszeit von Joschka Fischer [...]. Er ist gewissermaßen die jüngste 'Mumie'","

bespötteln die "Amt"-Autoren das FAZ-eigene Mumien-Sprachrohr Blasius.

Auch die FAZ veröffentlicht einen Aufsatz über das Auswärtige Amt - nicht jedoch von Blasius, sondern von Christopher R. Browning. Der Historiker hatte bereits 1978 ein Buch über die Beteiligung des Amtes an der Endlösung publiziert - lobt das neue Werk aber umso mehr.

""Wie es erst der Wehrmachtsausstellung in den neunziger Jahren bedurfte, um den Mythos der 'sauberen' Wehrmacht zu zerstören, obwohl zahlreiche wissenschaftliche Studien die Komplizenschaft der Wehrmacht [...] dokumentiert hatten, bedurfte es dieses [...] Kommissionsberichts, um den Mythos zu zerstören, wonach das Auswärtige Amt nicht an den Verbrechen des Dritten Reiches beteiligt [...] gewesen sei."

Brownings Artikel heißt "Das Ende aller Vertuschung" - was weder für das Amt noch die FAZ gelten kann, wenn die Kommissions-Historiker recht haben. Der Streit wird sicher fortgesetzt.

Und so auch das Verfahren gegen Dogan Akhanli, den türkischen Schriftsteller, der nun aus der Haft entlassen wurde. In der Tageszeitung DIE WELT dringt der Aktivist Günter Wallraff, der in Istanbul für Akhanlis Freilassung stritt, auf Klartext gegenüber der Türkei:

"Gerade als Freund der Türkei kann man die Türkei gar nicht genug kritisieren. [...] Da gibt es Säuberungswellen, da werden laizistische Lehrer [...] gegen islamische oder gar islamistische ausgewechselt, und um Erdogan herum gibt es Positionen, die mit dem Iran kokettieren."

Und was - will die DIE WELT von Wallraff wissen - sage er denen, die behaupten, Menschenrechte seien westlicher Kulturimperialismus?

"Die müssen eins vor den Latz geknallt bekommen. Verbal, versteht sich. Ich bin ja Pazifist."

In diesem Punkt können Wallraff und Michael I love you Jackson als Wahlverwandte gelten. Jacksons posthumes Album "Michael" nennt der Berliner TAGESSPIEGEL "Zombie-Pop zwischen allen Stilen", die BERLINER ZEITUNG findet das Werk "musikalisch gar nicht so schlimm".

Zum Flennen - wir erwähnten es eingangs - fand der liebe Gott laut Hans Traxler den frisch jeschaffenen Mann.

"Ja und denn?" hieß die Frage, die offen geblieben war. Franziska Augstein überliefert in der SZ Traxlers - ihrem Geschlecht schmeichelnde - Antwort.

"Denn hat ER dreimal kurz jelacht
Und hat im zweiten Anlauf
Den ersten Mensch jemacht!"