Von Arno Orzessek
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nimmt Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg gegen die Kritik von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in Schutz. Die kanadische Globalisierungsgegnerin Naomi Klein berichtet in der "Frankfurter Rundschau" von einem neuen Trend: Belegschaften gefährdeter Betriebe besetzen Produktionsstätten und Managerbüros. Und in der "Süddeutschen Zeitung" ist zu lesen, dass die britische BBC sparen muss.
Es ist augenblicklich angesagt, auf den Fürsorgestaat und besonders die umverteilerischen Sozialdemokraten einzuprügeln, zumal sie nach der Europawahl – kläglich bellend, am Boden liegend – Schlägen schwer ausweichen können.
Peter Sloterdijks philosophisch ausholende Intervention gegen den linken Eigentumsbegriff, der Privateigentum angeblich mit Diebstahl gleichsetzt, war unter der Woche ein besonders ausgefuchster Gebrauch des Prügels gegen Rot.
Auch wir wollen uns hier der herrschenden Mode unter den Besserverdienenden beugen und aus dem frisch gedruckten Anti-Steinmeier-Pamphlet in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zitieren.
Bekanntlich hatte der SPD-Kanzlerkandidat dem Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg vorgeworfen, mit der Inkaufnahme der Insolvenz von Arcandor den Amtseid zu vernachlässigen – denn der Eid verlange ja, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
FAZ-Autor Thomas Strobl kann es nicht fassen:
[Dieses Vorgehen] "zeugt von Illoyalität gegenüber den verantwortlichen Regierungskollegen und menschlich schlechtem Stil. Steinmeier ist damit unwählbar geworden: Wer anfängt nachzutreten, nur weil es nicht nach seinen populistischen Interessen geht, der sollte nicht Bundeskanzler werden."
Wunderbar liest es sich, wie Thomas Strobl den Moralischen markiert ... als vernehme er den bisweilen beißenden politischen Ton zum ersten Mal.
Hören wir auch noch, was der FAZ-Autor über den Bundeswirtschaftsminister schreibt:
"Zu Guttenberg hat durchaus Format! Bewahrt sich […] so etwas wie einen kühlen, ordnungspolitischen Kopf. Ja, gegenüber Freund und Feind in Sachen Opel und Arcandor sogar politisches Rückgrat! Gibt’s denn so was?"
Zwei Dinge fallen auf:
Verglichen mit Peter Sloterdijks Einlassung ist der Strobl-Artikel in der FAZ eine verblüffend platte Wahlempfehlung für die Union. Als Wutausbruch aber – als solcher firmiert der Artikel – ist er bloß eine rhetorische Kinderei.
Außerdem: Als im vergangenen Herbst die Banker zu Kreuze kriechen mussten, hat Sloterdijk unterstrichen, dass jeder Staat seinem Wesen nach sozialistisch sei, so wie der Markt per se kapitalistisch. Das hatte sich damals ganz schön staatsfreundlich angehört.
Im globalen Maßstab bleibt die Linke indessen vernehmbar – und die FRANKFURTER RUNDSCHAU überträgt verlässlich deren Stimme. Auch diejenige Naomis Kleins. Unter dem Titel "Feuert die Bosse!" schreibt die kanadische Globalisierungsgegnerin über einen weltweiten Trend: Belegschaften gefährdeter Betriebe besetzen Produktionsstätten und Managerbüros.
Besonders pikant der Fall des amerikanischen Herrenausstatters Hartmarx, der den schicken Dunkelblauen genäht hat, den Barack Obama in der Wahlnacht trug. Hartmarx ist pleite. Wells Fargo, die größte Gläubigerbank, rückt kein Geld mehr heraus, obwohl sie selbst laut FR 25 Milliarden Dollar vom staatlichen Rettungspaket beansprucht hat. Die Hartmarx-Angestellten halten nun die Fabrik besetzt.
"Barack Obama [bemerkt Naomi Klein] hat die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, die Wirtschaft von unten wiederaufzubauen. Ob er es damit ernst meint, wird man daran sehen können, wo er seinen nächsten Anzug kauft."
Wir bleiben beim Geld – und zwar dem der Britischen Rundfunkanstalt BBC, die einst dem hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Vorbild diente.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet Wolfgang Koydl, dass die BBC auf öffentlichen und politischen Druck hin sparen müsse.
"Den größten Zorn […] hat das üppigst ausstaffierte Honorarpaket von Jonathan Ross auf sich gezogen [so Koydl]: 5,6 Millionen Pfund im Jahr soll die BBC für die Rundfunk- und Fernsehshows eines Mannes zahlen, der die scharfe Zunge eines Günter Jauch mit der Eitelkeit eines Thomas Gottschalk und dem vulgären Ton eines Dieter Bohlen zu vereinbaren versteht."
Harald Schmidt würde jetzt vielleicht sagen: Wenn der oder das BBC-Ross so gut ist wie Jauch, Gottschalk und Bohlen zusammen, sind 5,6 Millionen Pfund ein echtes Sonderangebot, ganz ähnlich wie ich für die ARD.
In England hat sich laut SZ allerdings eine Instanz gegen Ross zur Wehr gesetzt, die pro Kopf weniger verdient: nämlich das Volk. Es zürnt mächtig.
Anders in Deutschland. Da zürnen jetzt die Besserverdienenden über die Armen und den Staat, der ausgibt, was er nicht hat, sie aber wohl.
Uns fehlt jeder blasse Schimmer, wie das alles weitergehen soll. Aber vielleicht steht die Lösung in den Samstagsfeuilletons.
Peter Sloterdijks philosophisch ausholende Intervention gegen den linken Eigentumsbegriff, der Privateigentum angeblich mit Diebstahl gleichsetzt, war unter der Woche ein besonders ausgefuchster Gebrauch des Prügels gegen Rot.
Auch wir wollen uns hier der herrschenden Mode unter den Besserverdienenden beugen und aus dem frisch gedruckten Anti-Steinmeier-Pamphlet in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zitieren.
Bekanntlich hatte der SPD-Kanzlerkandidat dem Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg vorgeworfen, mit der Inkaufnahme der Insolvenz von Arcandor den Amtseid zu vernachlässigen – denn der Eid verlange ja, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
FAZ-Autor Thomas Strobl kann es nicht fassen:
[Dieses Vorgehen] "zeugt von Illoyalität gegenüber den verantwortlichen Regierungskollegen und menschlich schlechtem Stil. Steinmeier ist damit unwählbar geworden: Wer anfängt nachzutreten, nur weil es nicht nach seinen populistischen Interessen geht, der sollte nicht Bundeskanzler werden."
Wunderbar liest es sich, wie Thomas Strobl den Moralischen markiert ... als vernehme er den bisweilen beißenden politischen Ton zum ersten Mal.
Hören wir auch noch, was der FAZ-Autor über den Bundeswirtschaftsminister schreibt:
"Zu Guttenberg hat durchaus Format! Bewahrt sich […] so etwas wie einen kühlen, ordnungspolitischen Kopf. Ja, gegenüber Freund und Feind in Sachen Opel und Arcandor sogar politisches Rückgrat! Gibt’s denn so was?"
Zwei Dinge fallen auf:
Verglichen mit Peter Sloterdijks Einlassung ist der Strobl-Artikel in der FAZ eine verblüffend platte Wahlempfehlung für die Union. Als Wutausbruch aber – als solcher firmiert der Artikel – ist er bloß eine rhetorische Kinderei.
Außerdem: Als im vergangenen Herbst die Banker zu Kreuze kriechen mussten, hat Sloterdijk unterstrichen, dass jeder Staat seinem Wesen nach sozialistisch sei, so wie der Markt per se kapitalistisch. Das hatte sich damals ganz schön staatsfreundlich angehört.
Im globalen Maßstab bleibt die Linke indessen vernehmbar – und die FRANKFURTER RUNDSCHAU überträgt verlässlich deren Stimme. Auch diejenige Naomis Kleins. Unter dem Titel "Feuert die Bosse!" schreibt die kanadische Globalisierungsgegnerin über einen weltweiten Trend: Belegschaften gefährdeter Betriebe besetzen Produktionsstätten und Managerbüros.
Besonders pikant der Fall des amerikanischen Herrenausstatters Hartmarx, der den schicken Dunkelblauen genäht hat, den Barack Obama in der Wahlnacht trug. Hartmarx ist pleite. Wells Fargo, die größte Gläubigerbank, rückt kein Geld mehr heraus, obwohl sie selbst laut FR 25 Milliarden Dollar vom staatlichen Rettungspaket beansprucht hat. Die Hartmarx-Angestellten halten nun die Fabrik besetzt.
"Barack Obama [bemerkt Naomi Klein] hat die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, die Wirtschaft von unten wiederaufzubauen. Ob er es damit ernst meint, wird man daran sehen können, wo er seinen nächsten Anzug kauft."
Wir bleiben beim Geld – und zwar dem der Britischen Rundfunkanstalt BBC, die einst dem hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Vorbild diente.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet Wolfgang Koydl, dass die BBC auf öffentlichen und politischen Druck hin sparen müsse.
"Den größten Zorn […] hat das üppigst ausstaffierte Honorarpaket von Jonathan Ross auf sich gezogen [so Koydl]: 5,6 Millionen Pfund im Jahr soll die BBC für die Rundfunk- und Fernsehshows eines Mannes zahlen, der die scharfe Zunge eines Günter Jauch mit der Eitelkeit eines Thomas Gottschalk und dem vulgären Ton eines Dieter Bohlen zu vereinbaren versteht."
Harald Schmidt würde jetzt vielleicht sagen: Wenn der oder das BBC-Ross so gut ist wie Jauch, Gottschalk und Bohlen zusammen, sind 5,6 Millionen Pfund ein echtes Sonderangebot, ganz ähnlich wie ich für die ARD.
In England hat sich laut SZ allerdings eine Instanz gegen Ross zur Wehr gesetzt, die pro Kopf weniger verdient: nämlich das Volk. Es zürnt mächtig.
Anders in Deutschland. Da zürnen jetzt die Besserverdienenden über die Armen und den Staat, der ausgibt, was er nicht hat, sie aber wohl.
Uns fehlt jeder blasse Schimmer, wie das alles weitergehen soll. Aber vielleicht steht die Lösung in den Samstagsfeuilletons.