Von Arno Orzessek

In der "FAZ" erinnert Gerhard Stadelmaier an den Theaterbesucher Marcel Reich-Ranicki. Die "SZ" bietet ein Best-of der Nachrufe auf den Kritikerpapst. Die "Berliner Zeitung" und die "FAZ" blicken kurz vor der Bundestagswahl auf die Bilanz von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).
"M. R. Rrrrrrrrrr!"

Titelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG und benötigt zur Verschriftung des zweite "Rrrrrrrrrr" ganze zehn handelsübliche R.

Gerhard Stadelmaier erinnert an den Theaterbesucher Marcel Reich-Ranicki, der im Frankfurter Schauspiel gern als Letzter, huldvoll um sich grüßend, im Parkett auftauchte, den Platz in der ersten Reihe einnahm – und mit seiner Show begann.

"Die rechte Hand (so Stadelmaier) wanderte schon, wenn die ersten Krampfschreie droben ertönten und Blut und Hoden sich entfalteten, an die große freiliegende Stirn unterm mächtigen Schädel des Gewaltigen. Der nun unter lebhafter bis amüsierter Teilnahme des ganzen Auditoriums den massigen Kopf hin- und herzuwiegen begann. Wozu hie und da ein gequält stöhnendes 'Rrrrrrrrrrr' aus seinem Munde drang, das sich durchaus auch zu einem 'Scheißdrrrrrrrreck!' vollalphabetisieren konnte."

Das Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet über

"starke Reaktionen aus Kultur und Politik auf den Tod von Marcel Reich-Ranicki"."

Hier ein kleines Best-of mit Trauerflor.

Hellmuth Karasek, Literaturkritiker:

""(Marcel Reich-Ranicki war) genial."

Iris Radisch, Literaturkritikerin, DIE ZEIT:

"Selbstverständlich war er verletzend. Selbstverständlich ist er über das gegangen, was man als rote Linie der Literaturkritik bezeichnen könnte. Ein unglaubliches Temperament."

Angela Merkel, Kanzlerin:

"Ich werde diesen leidenschaftlichen und brillanten Mann vermissen."

Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern:

"Wir verlieren ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte."

Frank Schirrmacher, Pathos-Posaunist, FRANKFURTER ALLGMEINE ZEITUNG:

"(Marcel Reich-Ranicki war die) Personifikation des zwanzigsten Jahrhunderts."

Soweit zur Nachruf-Nachlese der SZ.

Von ganz anderem Charakter ist Bernd Neumann ... "dieser schrecklich erfolgreiche Kulturstaatsminister", wie Birgit Walter in der BERLINER ZEITUNG konzediert.

Geht es nach Walter, könnten die SPD und Oliver Scheytt, Peer Steinbrücks Mann für Kultur im Schattenkabinett, Neumanns Leistung ohnehin nicht toppen.

"Die SPD will eine gerechtere Förder-Systematik, gut. Aber was könnte sie sonst besser bewegen als Neumann, der mit stiller Gewandtheit und Durchsetzungskraft seinen Haushalt um 240 Millionen Euro auf jährlich 1,28 Milliarden aufgestockt hat, der damit ungezählte Schlösser, Kirchen, Denkmale erhalten konnte, sicher unsystematisch, doch nachhaltig. Der die Forschung zur Restitution von Raubkunst in Gang setzte, die Erinnerungskultur fortentwickelte und vor allem den Produktionsstandort Film profitabel und international konkurrenzfähig machte","

schwärmt Birgit Walter in der BERLINER ZEITUNG.

In der FAZ findet Andreas Kilb immerhin einige Makel, erteilt Neumann aber letztlich auch die Bestnote.

""Neumann ist ein Macher. Ein Regenmacher war er nicht. Beim Einheitsdenkmal, der 'Bürgerschaukel' vor dem Berliner Schloss, hat sich Neumann von einer kindlichen Idee blenden lassen, die sich, in Stein gebaut, als ausgewachsene Banalität entpuppen wird. Aber das ist nichts gegen die Idee, der er zum Durchbruch verholfen hat. Vor ihm war Bundeskulturpolitik eine Sache für Amateure und Seiteneinsteiger. Jetzt ist sie ein Handwerk, das man erlernen und ausüben kann. Er hat es gelehrt."

Zurück zu den großen Toten.

"Er durchschaute die Vokale der Germanen","

lobt die Tageszeitung DIE WELT den Sprachforscher und Gründer der Germanistik, Jacob Grimm, der vor 150 Jahren gestorben ist.

""Ihm war klar, dass die Erforschung der Sprache auf wissenschaftliche Grundlage gestellt werden müsse und dass es dabei auf Belege ankam. In dieser Hinsicht war er einzig im frühen 19. Jahrhundert, sowohl, was die Intensität wie die Breite anbelangt","

schreibt der Germanist Karl-Heinz Göttert.

Dem wir nicht zu nahe treten, wenn wir anfügen, dass das Multitalent Wilhelm von Humboldt als Sprachforscher seinerzeit Augenhöhe mit Grimm hatte. -

Okay, damit ist unser Job für heute getan. Und jetzt halten wir uns an die BERLINER ZEITUNG. Sie titelt:

""Nach den Strapazen winkt das Glück."